Advent
Besuch aus dem Himmel
Besuch einladen, Besuch bekommen oder selbst andere besuchen – in den allermeisten Fällen ist das mit Freude und guter Gemeinschaft verbunden. Gerade auch in der sogenannten Advents- und Weihnachtszeit gehören Besuche bei Verwandten und Freunden für viele Menschen fest zum „Programm“; wir freuen uns über gemütliche Stunden bei Kerzenschein und guten Unterhaltungen. In diesem Artikel soll es um den einen Besuch gehen, von dem sowohl Advents- als auch Weihnachtszeit ihren Ursprung haben.
„Alle Jahre wieder / kommt das Christuskind / auf die Erde nieder, / wo wir Menschen sind.“ – So heißt es fälschlicherweise in einem sehr bekannten Weihnachtslied. Diese Aussage ist deshalb völlig daneben, weil Jesus Christus einmal, nämlich „in der Fülle der Zeit“ (Gal 4,4), auf diese Erde herabgekommen ist: der vornehmste und größte Besucher, der jemals diese Erde betreten hat.
Ein angekündigter Besuch
An vielen Stellen im Alten Testament wird bereits vom Kommen des Messias oder Christus auf diese Erde gesprochen; der Schleier wird durch konkrete Vorhersagen über diese Ankunft so weit gelüftet, dass der gläubige Israelit mit dem „Besuch“ dieses verheißenen Retters und Herrschers rechnen konnte.
Bemerkenswerte Beispiele für solche Gläubigen, die auf die Erlösung in Person des angekündigten „Trostes Israels“ warteten, sind Simeon und Anna (Lk 2). Auch die Schriftgelehrten konnten – obwohl sie wahrscheinlich keine persönliche Glaubenserwartung hatten – auf die Nachfrage der Magier hin genaue Auskünfte (anhand von Micha 5) über den Geburtsort des Christus geben (Mt 2).
In ganz besonderer, wenn auch geheimnisvoller Art und Weise wurde der „Besuch“ des großen Retters und Vernichters der Schlange bereits Adam und Eva angekündigt (1. Mo 3,15): Der Nachkomme der Frau würde der Schlange den Kopf zertreten – dafür musste Er „Blutes und Fleisches teilhaftig werden“, um durch den Tod den zunichte zu machen, der die Macht des Todes hat (Heb 2,14).
Zweck des himmlischen Besuchs
Dieser Gedanke aus Hebräer 2 beinhaltet einen wunderbaren Zweck des „Besuches“ bzw. der Menschwerdung des Herrn Jesus: Er wurde Mensch, um sterben zu können.
Einige weitere Aspekte im Blick auf den Zweck des himmlischen Besuchs drückt Zacharias in seinem Lobpreis aus (Lk 1,68-79):
- Erlösung und Heil für das Volk Israel (V. 68.69)
- Rettung aus der Hand der Feinde (V. 71.74)
- Erweis der Barmherzigkeit und Treue Gottes (V. 72.73)
- Grundlage für ein Leben in Gottseligkeit (V. 74.75)
- Erkenntnis des Heils in Vergebung ihrer Sünden (V. 77)
Diese Gesichtspunkte beziehen sich in erster Linie auf das irdische Volk Gottes und die berechtigte Erwartung des gläubigen Überrestes, zu dem auch Zacharias und Elisabeth gehörten. Dennoch lassen sich einzelne Aspekte auch auf uns als Gläubige der christlichen Zeit übertragen: Das Kommen Jesu ist die Grundlage für unsere Rettung, ermöglicht uns „Erkenntnis des Heils“ bzw. des Heilandes und die Vergebung unserer Sünden; darüber hinaus ist es auch für uns der Ausgangspunkt für ein Leben „in Frömmigkeit (o. Heiligkeit) und Gerechtigkeit vor ihm alle unsere Tage“ (V. 75).
Besuch aus Barmherzigkeit
Angesichts der Tatsache, dass die Masse des jüdischen Volkes zur damaligen Zeit ein gottloses Leben führte und das Volk unter der Herrschaft der Römer stand, wird klar, warum Zacharias von der „herzlichen Barmherzigkeit unseres Gottes“ spricht, die ein Beweggrund für den Besuch des „Aufgangs aus der Höhe“ war (Lk 1,78).
Es gab damals keinen Ausweg aus dieser misslichen Lage des ganzen Volkes, den es sich selbst hätte schaffen können; und es gibt zu allen Zeiten für niemanden, der „in Finsternis und Todesschatten“ sitzt (Lk 1,79), einen Ausweg, den er durch eigene Anstrengung erreicht. Ob nun aus den Juden oder aus den Nationen, da ist „kein Unterschied, denn alle haben gesündigt“ (Röm 3,23) – jeder Mensch „sitzt“ hilflos bzw. kraftlos (Röm 5,6) in der finsteren Gottesferne. Diese Hilflosigkeit wird sehr deutlich durch den Mann veranschaulicht, der unter die Räuber gefallen ist (Lk 10,30-37); solch einen hilflosen und todgeweihten Menschen rettet nur eines: die Barmherzigkeit eines anderen, der die Macht und die Mittel hat, ihm zu helfen.
Zacharias stand diese Barmherzigkeit Gottes unmittelbar vor Augen: Er hatte sie gemeinsam mit seiner Frau Elisabeth in hohem Alter persönlich erfahren, was die Geburt ihres Sohnes Johannes betraf (Lk 1,58); er empfand sie aber auch insbesondere im Blick auf den Besuch Gottes, der inmitten dieser traurigen Situation des Volkes Israel stattfinden sollte, und brachte dieses Empfinden unter der Leitung des Heiligen Geistes zum Ausdruck.
Der vornehmste aller Besucher
Letztlich geht es aber nicht um die Begleitumstände des Besuches oder um diejenigen, die davon profitieren, sondern um den Besucher selbst: Jesus Christus. Von Ihm wird sowohl durch Zacharias (Lk 1,68) als auch von den Bewohnern Nains (Lk 7,16) gesagt, dass Gott sein Volk besucht hat. Und so ist es auch – Gott wurde Mensch! Er, der reich war, wurde um unseretwillen arm (2. Kor 8,9). Einen höheren Besuch hat es auf dieser Erde nie gegeben. Was für eine unfassbare Erniedrigung hat in diesem Moment stattgefunden, als der Herr Jesus „sich selbst zu nichts machte (o. entäußerte) und Knechtsgestalt annahm, indem er in Gleichheit der Menschen geworden ist“ (Phil 2,7)!
Staunst du auch in diesen Tagen und Wochen aufs Neue mit über diesen vornehmsten aller Besucher?!
Tief neigt der Himmel sich zu Armen,
Emmanuel wollt‘ sich uns nah‘n.
Gott wurde Mensch – o welch Erbarmen!
Du, sein Volk, bete staunend an!
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