Post von Euch

Haartracht bei Männern

Liebe Brüder,
viele junge Brüder lassen sich bei zunehmendem Haarausfall ihr Haupt gleich kahlscheren.
Dieses Thema wurde meines Wissens noch nie in FMN behandelt, obwohl Gottes Wort an einigen Stellen deutlich hierzu spricht. Wenn man die Geschichte sowie die Gesellschaftsform kennt, welche diese Schmach tragen musste, während sie und im Gegensatz dazu heute ein Ausdruck von Gewalt und Aufbegehren ist, stellt sich mir die Frage: Was würde unser Herr dazu sagen? Zeugnis nach außen? Usw. Über eine klare Antwort würde ich mich freuen.

Im Herrn Jesus verbunden, herzliche Grüße
euer Bruder E.

 

Lieber E.,

vielen Dank für Deine Frage. Fragen regen immer zum Nachdenken an, und wenn wir dabei jeden unserer Gedanken im Gehorsam gegenüber Christus gefangen nehmen (2. Kor 10,5), kann dies für alle zum Nutzen sein. Daher möchte ich versuchen, auf das von Dir angeschnittene Thema „Haartracht bei Männern“ kurz einzugehen.

Kahlscheren und Männer-Haartracht in der Bibel

  • Texte wie die in Jesaja 22,12, Jeremia 16,6 und Micha 1,16 deuten auf ein Kahlscheren als Zeichen von Trauer in der Zeit des Alten Testamentes hin.
  • Ein Scheren des Randes des Haupthaares oder der Haare zwischen den Augen (wohl als eine Art Längs-Glatze) waren wegen götzendienerischen Hintergrunds verboten (3. Mo 19,26; 5. Mo 14,1).
  • Lange Haare bei Männern waren eine Ausnahme. Der Nasir sollte sie als Zeichen der Weihe für den Herrn tragen und schnitt seine Haare gar nicht (4. Mo 6,1 ff.), sie wurden aber offenbar auch aus Stolz getragen (2. Sam 14,26 – Absalom, der sie einmal im Jahr schnitt).
  • Altersbedingter Haarausfall ohne Hautverfärbungen (3. Mo 13,40-44) war normal, wurde aber auch verspottet (2. Kön 2,24).
  • Priester (hier bezogen auf Israel im 1.000-jährigen Reich)  sollen ihr Haupt weder kahlscheren noch frei wachsen lassen, sondern ihr Haupthaar schneiden (Hes 44,20).
  • Graues Haar blieb sichtbar (sicher auch bei Frauen) und galt als Zeichen der Würde (3. Mo 19,32; Spr 16,31; 20,29).
  • m Judentum war zudem das Scheren der Haare in Verbindung mit Gelübden verbreitet, wie es auch bei Paulus und in seiner Umgebung praktiziert wurde (Apg 18,18; 21,24) – vielleicht in Anlehnung an das Scheren der Haare des Nasirs nach Ablauf der Weihezeit.
  • Für eine Frau war (und ist) ein geschorener Kopf eine Schande, ebenso wie für den Mann langes Haar eine Unehre ist (1. Kor 11,5.6.14).

Der Gesamttenor der Bibel ist in der Stoßrichtung eindeutig: Männer sollen kurzes Haar tragen, Frauen langes. Details für das Alltagsleben werden dazu weder im Alten noch im Neuen Testament genannt – das sollte daher auch zu Zurückhaltung in der Beurteilung der jeweiligen Haartracht anderer Männer veranlassen.

Mode oder persönlicher Stil?

Zu allen Zeiten sind Christen anfällig für Modeströmungen und Trends gewesen. Eine gewisse Anpassung an Kleidungs- und Frisurenstile – im Rahmen der biblischen Unterweisung – ist dabei sicher normal; niemand wird heute die Kleidung oder Frisuren von 1914, 1945 oder 1960 als zeitlos gültigen Maßstab ansehen wollen. Problematischer ist sicher, immer in der Mode vorne sein zu wollen und damit dem Zeitgeist zu verfallen. Da sollte sich jeder selbst fragen, welche Motive ihn bewegen.

Was die Frisuren für Jungen und Männer angeht, so gibt es auch dort die Gefahr, in der einen oder anderen Form mit dem Strom zu schwimmen. In meiner Jugendzeit stach jeder mit richtig kurzen Haaren deutlich von seiner Umgebung ab und hatte es nicht leicht. Heute schlägt das Pendel mehr in die andere Richtung aus. Aber ist es biblisch begründbar, sehr kurze Haare (3, 6 oder 9 mm) abzulehnen? (Eine richtige Glatze, wie du es schreibst, ist mir bei jungen Gläubigen bisher so bewusst noch nicht begegnet.) Gerade das Christentums ist ja durch ein Leben aus der Gnade, in der Nachfolge des Herrn, ohne Paragraphen, gekennzeichnet (dabei bleibt natürlich 1. Kor 11 als Rahmen unbedingt bestehen). Daher erscheint es doch angemessen, als Männer einander in Fragen der Frisur und der Haarlänge eine gewisse Freiheit zu lassen. Es gibt viele Lebensbereiche, in denen jeder vor seinem Herrn steht und man keine Regeln anstreben sollte. Sonst besteht die Gefahr, zu einem System bestimmter Äußerlichkeiten zu werden. Wer sich in einer christlichen Zusammenkunft umschaut (ist ja an sich nicht vorgesehen …), der wird eine gewisse Vielfalt auch unter entschiedenen Brüdern wahrnehmen.

Eitelkeit?

Das Christentum ist durch das Unsichtbare, Geistliche, Ewige und besonders durch den für uns heute unsichtbaren-sichtbaren Herrn gekennzeichnet. Das sollte auch in der Bewertung und Entscheidung von Äußerlichkeiten bedacht werden. Eitelkeit und übertriebene Beachtung des Äußeren passen nicht zu einem entschiedenen Christsein. Doch die Reife und auch die Empfindungen sind da sehr unterschiedlich. Den einen 25-Jährigen mögen graue oder weniger werdende Haare kaum stören, einem anderen sind sie eine schwere Last, schließlich ist ja die echte, natürliche Haarfarbe Zeichen der Jugend (Hld 5,11). Ja, wir wollen einander helfen, wirklich geistlich erwachsen zu werden, aber wir brauchen auch Geduld, bis Gott (und nicht wir) jemanden dabei weiterführt (Phil 3,15). Besteht nicht auch eine große Gefahr darin, einander an Äußerlichkeiten zu beurteilen und dabei häufig total daneben zu liegen, stärker noch als Samuel (1. Sam 16,7)? Und dabei Motive zu erkennen zu meinen, die der andere vielleicht überhaupt nicht hat (Mt 7,1)?

Haartracht in Geschichte und Gesellschaft

Schon Cäsar soll den Lorbeerkranz zur Verdeckung seiner Glatze getragen haben, Kaiser Karl II. wurde bereits von seinen Zeitgenossen als „der Kahle“ verspottet. Ludwig XIV. inszenierte – auch vom Haarausfall betroffen – die Perückenmode, die auch von gläubigen Männern damals übernommen wurde (Zinzendorf, Bach etc.). Die Gefahren der Beeinflussung waren und sind ja immer gegeben. Dass heute Glatzenträger besonders unter Skinheads / Neonazis zu finden sind, lässt gewiss zur Vorsicht raten, diese „Frisur“ freiwillig zu übernehmen – wobei ja in diesen Gruppen das Gesamtauftreten das Outfit prägt. Wir sollten uns vor dem Herrn prüfen, inwieweit wir dem Zeitgeist huldigen oder aber ihm unnatürlich widerstehen und meinen, es gäbe einen absoluten, zeitlos gültigen Maßstab.

Lieber E., du hast eine klare Antwort erbeten. Es könnte sein, dass du sie vermisst. Ich hoffe klargemacht zu haben, warum ein eindeutiges Ja oder Nein zu bestimmten Haarfrisuren nach meinem Verständnis nicht dem Geist der Schrift entspräche. Klar sollte sie aber dennoch insofern sein, als wir dem Herrn kompromisslos nachfolgen und daher auch in Bezug auf weltliche Trends auf der Hut sein sollten. Klar sollte auch gezeigt werden, dass wir Vorschriften des Alten Testaments nicht eins zu eins auf uns beziehen können – und besonders, dass wir im Miteinander als Gläubige Geduld, Verständnis und gegenseitige Glaubenshilfe an den Tag legen dürfen.

Ich hoffe, dass die Antwort dennoch ein wenig weiterhilft. Schreib mir gerne, wenn Punkte offen geblieben sind. 

Herzliche Grüße, in unserem gemeinsamen Erlöser verbunden,

Martin Schäfer