2. Johannes

2. Johannes: Liebe in der Wahrheit (4)

Im vierten Teil der Serie über den 2. Johannesbrief behandelt der Autor den eigentlichen Kern des Briefes. Es gab gefährliche Verführer, die mit einer falschen Lehre über den Herrn Jesus Gläubige von dem Wort Gottes wegleiten wollten.

Das Entlarven der Verführer (V. 7-11)

Der Anlass des Briefes (V. 7)

„Denn viele Verführer sind in die Welt ausgegangen, die nicht Jesus Christus im Fleisch kommend bekennen; dies ist der Verführer und der Antichrist" (V. 7).

Die Ermahnung in Vers 6, in der Wahrheit zu wandeln, war bereits eine sehr ernste Vorwarnung für das, was ab Vers 7 vor uns kommt. In der Wahrheit wandeln behütet den Gläubigen vor Irrtum jeder Art. Die Familie der Kinder Gottes hat grundsätzlich die Wahrheit erkannt. Wenn man nichts von dieser Wahrheit erkannt hat, ist man kein Kind Gottes. Gott sieht uns somit als solche, die die Wahrheit erkannt haben. Das bedeutet nicht, dass wir alles verstehen. Aber grundsätzlich haben wir die Wahrheit Gottes erkannt. Sie hat uns zu Gott und in sein Licht und zu seiner Liebe gezogen.

Wir sind den Irrtümern nicht schutzlos ausgeliefert.

Ab Vers 7 kommt Johannes nun auf den Anlass seines Briefes zu sprechen. Er hatte bisher einen allgemeinen Schutzwall um diese Frau und ihre Kinder gebaut. Er hat sie aufgefordert, in der Wahrheit zu wandeln. Wenn wir das täten und stets in Gemeinschaft mit Christus wandelten, würde jeder Irrtum an uns abprallen. Wir sind den Irrtümern, die heute in der Christenheit noch viel weitreichender vorhanden sind als damals, nicht schutzlos ausgeliefert. Denn es wohnt eine Person der Gottheit in uns, wie wir gesehen haben, die die Wahrheit in subjektivem Sinn ist. Der Geist Gottes ist die Salbung (1. Joh 2,20) und belehrt uns über alles, was wahr ist. Wir haben daher nicht nötig, den Irrtum zu kennen. Es reicht, wenn wir die Wahrheit kennen. Diese Innewohnung des Heiligen Geistes ist ein unwahrscheinlich starker Schutz gegen alle möglichen falschen Gedanken. Der Heilige Geist bewahrt uns vor Irrtümern. Er wird auch keinen Knecht Gottes stranden lassen, wenn dieser Ihm wirklich dient. Er wird ihn bewahren. Aber wir müssen auch bei Ihm bleiben.

Der Verstand ist ein Geschenk Gottes — aber er darf nicht zu mächtig werden.

Wenn wir uns diesem Geist in uns jedoch verschließen und unser Intellekt das Übergewicht bekommt, wird es auf jeden Fall gefährlich. Gott spricht zwar keineswegs negativ von unserem Verstand. Er ist ein Geschenk Gottes. Wenn er jedoch übermächtig wird und wir alles mit ihm zu ergründen suchen, werden wir straucheln. Wir haben in unserem Vers von Verführern gelesen, sogar vom Antichristen. Oft war es so, dass fremde Lehren durch begabte Christen eingeführt wurden. Deshalb ist es so wichtig, auf der Hut zu sein.

Der Teufel ist der große Neinsager.

Der Angriff: auf die Person Christi

Der Apostel Johannes kommt zum Anlass des Briefes, zu dem ihm eigentlich wichtigen Punkt. Zuerst fällt auf, dass diese Verführer etwas nicht bekennen. Man hat schon einmal mit Recht vom Teufel gesagt, dass er der Geist ist, der stets verneint. Das ist sein typisches Kennzeichen. Das Wort Gottes sagt im Allgemeinen das, was in positiver Hinsicht wahr ist. Das ist die Weise Gottes - ohne dass Er auf Warnungen vor dem Bösen verzichtet - hier haben wir dafür ein Beispiel. Der Teufel aber sagt immer wieder: nein, nein, nein. Hier geht es sogar um etwas außerordentlich Wichtiges. Denn Johannes kommt auf die Person des Herrn Jesus zu sprechen.

Es ist zerstörend, wenn jemand unter das Volk Gottes Spaltungen bringt. Es ist auch schlimm, wenn die biblische Moral unterlaufen wird und die Anordnungen Gottes verdorben werden. Aber es ist nichts so gefährlich und so verderblich wie ein direkter Angriff auf die Person des Herrn Jesus. So böse das zuvor Genannte auch ist. Der Gipfelpunkt der List und des Angriffs Satans besteht darin, die Person des Herrn Jesus anzutasten.

Die Verführer sind in die Welt ausgegangen

Diese Menschen werden Verführer genannt. Sie waren in die Welt ausgegangen. In diesem Sinn gehen die Briefe von Johannes noch weiter als der Brief von Judas. Sie beschreiben sozusagen einen späteren Zustand als den, von dem Judas spricht, auch wenn dieser bereits einen Zustand inmitten der Christenheit beschreibt, der auch in den Endtagen vorherrscht. Aber bei ihm sind die bösen Männer noch in der Mitte der Gläubigen. Sie waren Flecken bei den Liebesmahlen, sie waren noch mittendrin und sagten dort böse Dinge. Sie verleumdeten den Herrn und Gebieter. Johannes aber beschreibt ein noch späteres Stadium. Bei ihm handelt es sich um Männer, die bereits aus der Versammlung hinausgegangen waren. Sie gingen in die Welt, um in der Welt böse Gedanken über Christus zu verbreiten. Auch dort wollten sie verführen und zerstören.

Sie gingen in die Welt, um in der Welt böse Gedanken über Christus zu verbreiten.

Es scheinen mir dieselben Leute zu sein, auf die Johannes bereits in 1. Johannes 2,19 hinweist. Da heißt es auch: „Sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns". Wären sie Erlöste gewesen, wären sie bei uns geblieben. Aber sie sind ausgegangen, das heißt: weggegangen. Ich möchte deutlich sagen, dass man dies nicht mit Trennungen inmitten von Gläubigen verwechseln darf, die wir heute haben und über die wir trauern. Es geht hier um absolute Verführer, um Männer, die Antichristen und damit ungläubig sind. Es geht auch nicht um Verführte, auf die Judas am Ende seines Briefes hinweist (Jud 22.23).

Hier spricht Johannes von solchen, welche die Lehre des Christus nicht bringen. Sie sagen nicht (mehr) die ganze Wahrheit über die Person Christi. Es gibt viele andere Verführer. Aber hier betrifft die Verführung unmittelbar die Person unseres Herrn. Wenn es heißt „sie sind in die Welt ausgegangen", so habe ich den Eindruck, dass sie vorgaben, noch in der Versammlung Gottes zu sein und zu leben. Sie hatten, was das Versammlungsleben der Erlösten betrifft, dort ihren Umgang gehabt. Aber sie waren nie wirklich Teil der Versammlung gewesen. Und inzwischen hatten sie der Versammlung längst den Rücken gekehrt und waren zu Verführern geworden.

Nicht bekennen - leugnen

Nun stellt sich die Frage, was sie eigentlich Böses getan haben, was sie geleugnet haben. Zunächst einmal ist zu bedenken, dass „nicht bekennen" leugnen bedeutet. Etwas im Blick auf Christus nicht bekennen bedeutet nichts anderes als leugnen, als abstreiten. Was haben diese Männer geleugnet? Sie haben gesagt, dass der Herr Jesus nicht im Fleisch gekommen ist. So heißt es bereits in 1. Johannes 4,2.3. Dort haben wir dasselbe Thema, aber nicht exakt dieselben Worte. „Hieran erkennt ihr den Geist Gottes: Jeder Geist, der Jesus Christus im Fleisch gekommen bekennt, ist aus Gott; und jeder Geist, der nicht Jesus Christus im Fleisch gekommen bekennt, ist nicht aus Gott; und dies ist der Geist des Antichrists". Dort heißt es „Jesus Christus im Fleisch gekommen". In 2. Johannes 7 allerdings steht: „im Fleisch kommend. Das ist nicht genau dasselbe. Bevor ich auf diesen feinen Unterschied eingehe, müssen wir zuerst klären, was für ein Angriff Satans überhaupt gemeint ist. Diese Leute haben die Gottheit des Herrn Jesus geleugnet. Sie haben auch abgelehnt, dass Er wahrer Mensch ist. Diese Menschen haben nicht immer alle zur gleichen Zeit dasselbe abgestritten. Von Zeit zu Zeit haben sie die eine Seite, zu anderer Zeit die andere Seite geleugnet.

Sie haben mal geleugnet, dass der Mensch ist, und ein anderes Mal, dass Er wahrer Gott ist.

Im Fleisch gekommen

Wenn wir sagen, dass der Herr Jesus wahrer Mensch ist, bedeutet das, dass Er wirklich Mensch war wie wir, allerdings ohne Sünde. Ich scheue mich nicht zu sagen, dass Er „wahrer Mensch" war, auch wenn es so nicht in der Bibel vorkommt. Es stimmt, dass der Ausdruck „wahrhaftiger Gott" (1. Joh 5,20) in der Schrift vorkommt. Aber es ist nicht falsch, wenn wir sagen, dass Er auch wahrer Mensch war. Denn immer wieder zeigt die Schrift, dass der Sohn Gottes Mensch geworden ist - wirklich Mensch - und als solcher hier auf der Erde gelebt und dann verherrlicht worden ist. Der Herr Jesus war wirklicher Mensch, sonst hätte er für uns nicht sterben können. Er ist ein Mensch von ganz besonderer Art, das ist wahr. Aber Er ist wirklicher Mensch. Diese Verführer nun leugneten entweder die Gottheit Jesu oder seine Menschheit oder sogar beides.

Was aber heißt: „im Fleisch zu kommen"? Keiner von uns ist im Fleisch gekommen oder kann im Fleisch kommen. Als wir geboren wurden, waren wir Fleisch - Menschen. Wie sollten wir auch anders „kommen"? Wir sind von A bis Z Fleisch. Der Vater war Fleisch, die Mutter ebenso, und wir sind es auch. Aber unser Herr hätte anders kommen können. Er ist der Sohn Gottes, Gott in Person. Er hätte anders in diese Welt kommen können, wenn es Ihm gefallen hätte, zum Beispiel als Engel. Er hat es im Alten Testament getan, wenn auch nicht gerade im gleichen Sinn. Er ist als Engel des HERRN erschienen. Aber nein, der Herr Jesus ist im Fleisch gekommen, übrigens nicht ins Fleisch. Mit diesem Ausdruck könnte man unter Umständen fälschlicherweise verbinden, Christus wäre in den sündigen Zustand des natürlichen Menschen eingetreten. Das aber wäre Lästerung! Vor allen Dingen ist es falsch, wenn man sagt „in das Fleisch hinein". Das ist eine Richtung, in die er hinein gekommen wäre. Aber so drückt sich der Geist Gottes nicht aus. Er spricht nicht von einer Richtung, sondern Er sagt, dass Er „im Fleisch" gekommen ist. Das heißt, Er betont, was tür Ihn charakteristisch ist: im Fleisch. In dieser Art ist Er gekommen.

Wir können nicht IM Fleisch kommen — wir waren bei der Geburt schon Fleisch.

Es ist beglückend, dass Christus, unser Retter, gekommen ist. Dafür können wir nicht genügend dankbar sein. In 1. Johannes 5,6 ff. lesen wir, wie Er gekommen ist. Er ist nicht nur Mensch geworden. „Im Fleisch gekommen" bedeutet aber noch viel mehr. Er war Gott und blieb Gott, als Er Mensch wurde. Er hat eben nicht aufgehört, Gott zu sein. Gott und Mensch in einer Person, das ist die Lehre der Heiligen Schrift. Er hat nie aufgehört, Gott zu sein, und wird nie aufhören, Mensch zu sein, nachdem Er es geworden ist. Als verherrlichten Menschen werden wir Ihn im Himmel sehen.

Im Fleisch gekommen bedeutet auch, dass Er von einer Jungfrau geboren wurde. Er ist durch den Heiligen Geist gezeugt worden und besitzt eine heilige, reine Natur. Das schließt mit ein, dass Christus nicht sündigen konnte. Es ist wahr, dass Er nicht gesündigt hat. Aber Er konnte gar nicht sündigen. In dem Ausdruck „im Fleisch gekommen" ist ebenso enthalten, dass Er als Mensch auferweckt worden ist und jetzt als Mensch im Himmel ist. Gerade das wird heute von vielen ganz oder teilweise geleugnet. Johannes nennt sie Antichristen.

Im Fleisch kommend

Nun steht in 1. Johannes 4,3 „gekommen". Es ist grammatisch eine Perfektform. Das will sagen: Er ist in der Vergangenheit gekommen als Mensch und ist es immer noch, genauso wie Er immer Gott bleibt. Aber in 2. Johannes 7 benutzt Johannes die Gegenwartsform (Präsens): „im Fleisch kommend", als würde Er es jetzt gerade noch tun. Diese Gegenwartsform stellt oft, besonders bei Johannes, aber nicht nur bei ihm, eine abstrakte (das heißt nichtgegenständliche), absolute Wahrheit dar, die zu jeder Zeit wahr ist. Das kennen wir auch aus dem heutigen Sprachgebrauch: Feuer brennt. Damit sagt man nicht: Es hat gestern gebrannt. Auch nicht: Morgen brennt es. Sondern man stellt fest: Feuer brennt. Das ist eine abstrakte, absolute Wahrheit. Wo Feuer ist, da brennt es. Das ist ein abstrakter Satz in Gegenwartsform. Das ist auch hier so: „im Fleisch kommend".

Mein Eindruck ist, dass uns der Heilige Geist deutlich machen möchte, dass das Böse in Bezug auf den Herrn Jesus seit 1. Johannes 4 noch Fortschritte gemacht hat. Man hat nicht nur die Tatsache geleugnet, dass der Herr Jesus im Fleisch gekommen sei. Das meint die Stelle in 1. Johannes 4. Nun geht man zusätzlich so weit, schlichtweg sogar die Möglichkeit zu leugnen, dass es so etwas überhaupt gibt. Das ist noch ein weiterer Fortschritt im Bösen.

Der Heilige Geist schließt diesen Satz mit der Aussage ab: „Dies ist der Verführer und der Antichrist". Man möchte meinen: eine harte Sprache. An sich ist jeder Irrlehrer oder jeder, der falsche Lehre bringt, ein Verführer. Aber wenn es um die heilige Person des Herrn Jesus geht, dann wird der Verführer Antichrist genannt. Er ist natürlich noch nicht diese Persönlichkeit des Antichristen, der nach 2. Thessalonicher 2 erst noch in der Zukunft kommen wird (vgl. 1. Joh 2,18), wenn die Gläubigen entrückt worden sind. Das ist er noch nicht, aber ein solcher Verführer ist ihm dem Geist nach gleich. Er ist ebenfalls böse, so wie dieser furchtbare Mensch des Verderbens es im Vollmaß sein wird.

Wenn es um die Person des Herrn Jesus geht, wird der Verführer Antichrist genannt.

Diese Dinge sind wirklich ernst. Auch das, was unser Verhalten ihnen gegenüber betrifft. Es fordert uns. Denn es gibt nichts Wertvolleres als die Person des Herrn Jesus. Und wenn wir sehen, mit welch einer Sorgfalt und inneren Kraft der Heilige Geist hier vor Irrtümern in Bezug auf die Person Christi warnt, dann ahnen wir, wie kostbar der Gegenstand sein muss.

Um diese Verführer entlarven zu können, ist es nötig, sich mit der Person Christi zu beschäftigen. Gerade jüngere Christen möchte ich dazu ermuntern. Es gibt in der Heiligen Schrift unendlich viele herrliche Aspekte der Wahrheit. Aber sie münden immer in die eine Person: unseren Herrn Jesus. Was uns wirklich glücklich macht, sind Er und seine Liebe, auch die Liebe des Vaters. Es gibt viele Stellen, mit denen wir uns in Gottes Wort beschäftigen dürfen! Aber vergesst darüber nicht das Wichtigste von allem, was die Heilige Schrift über den Sohn Gottes als Mensch sagt.