Bibelstudium
2. Johannes
2. Johannes: Liebe in der Wahrheit (1)
Wir freuen uns, eine sorgfältige, mehrteilige Ausarbeitung über den zweiten Johannesbrief vorlegen zu können. Dieser Brief gehört zu den kürzesten des Neuen Testaments, sein Inhalt ist aktuell und wichtig. Der hier abgedruckte Text ist die überarbeitete Fassung von zwei Vorträgen, die Christian Briem über diesen Brief gehalten hat. Wir empfehlen sie unseren Lesern gerne, weil sie damit ein tiefer gehendes Verständnis dieses lehrreichen Briefes erhalten werden.
Einführung
Der 2. und 3. Johannesbrief sind eine Ergänzung zum ersten Brief des Johannes. Man kann auch sagen, dass diese beiden kurzen Briefe die Lehre des ersten Briefes der Praxis nach erklären. Die Briefe sind einander sehr ähnlich und doch in ihrer Akzentuierung unterschiedlich. Sie betonen jeweils eine bestimmte Seite der Wahrheit, die im ersten Brief vorgestellt wird. Beide Briefe haben gemeinsam, dass sie die Verbindung von Wahrheit und Liebe zeigen. Es geht Johannes auch in diesen beiden praktischen Briefen um die Wahrheit. Er zeigt die wertvolle Verbindung zwischen der Wahrheit und der praktischen Offenbarung der Liebe. Das ist letztlich typisch für alle drei Briefe, aber diese beiden Briefe bringen das besonders vor unsere Herzen.
Die Betonung in beiden Briefen ist aber verschieden. Der zweite Brief betont mehr die Seite der Wahrheit. Johannes spricht darin auch von der Liebe. Aber er zeigt, dass die Liebe in der Wahrheit sein muss. Das ist kurz gesagt der Inhalt des zweiten Briefes.
Der dritte Brief wiederum betont nicht so sehr die Seite der Wahrheit, sondern unterstreicht die Notwendigkeit der Liebe. Johannes sagt uns, dass es nötig ist, auf der Grundlage der Wahrheit Gottes zu handeln. Aber diese Wahrheit muss in der Liebe sein und in ihr verwirklicht werden.
Im zweiten Brief wird die Liebe gewissermaßen flankiert oder geschützt von der Wahrheit. Im dritten Brief dagegen wird die Wahrheit Gottes durch die praktische Anwendung der Liebe flankiert. Sie wird geschützt durch Liebe. Das sind zwei wichtige, sich ergänzende Gesichtspunkte. Hätten wir nur den zweiten Brief, bestünde die Gefahr, zu engherzig zu werden und die Liebe zu übersehen. Hätten wir dagegen nur den dritten Brief, könnten wir zu weitherzig werden und darüber die Wahrheit vergessen. So können wir uns glücklich schätzen, dass Gott uns in vollkommener Weisheit beide Briefe inspiriert gegeben hat.
Noch ein unterscheidendes und zugleich verbindendes Merkmal ist, dass beide Briefe die Aufnahme von Arbeitern thematisieren. Im zweiten Brief wird vor der Aufnahme von falschen, bösen Arbeitern gewarnt. Sie geben vor, im Werk des Herrn zu kommen und das Wort zu verkündigen. In Wirklichkeit aber dienen sie Satan, dem Widersacher Gottes. Im dritten Brief dagegen empfiehlt Johannes die Aufnahme von Arbeitern. Es bestand die Gefahr, dass sie wegen ihres bescheidenen Auftretens und fehlender Bekanntheit übersehen wurden. Diese beiden Seiten zu unterscheiden ist von größter Wichtigkeit.
Einleitung (V. 1-3)
„Der Älteste der auserwählten Frau und ihren Kindern, die ich liebe in der Wahrheit; und nicht ich allein, sondern auch alle, die die Wahrheit erkannt haben, um der Wahrheit willen, die in uns bleibt, und sie wird mit uns sein in Ewigkeit“ (V. 1.2).
Der Autor: der Älteste (V. 1)
Der Apostel Johannes gibt seinen Namen nur in einer seiner fünf Schriften des Neuen Testaments preis. In keinem seiner drei Briefe sagt er, wer er ist. Nur in der Offenbarung nennt er seinen Namen (Off 1,1). Hier dagegen verschweigt er seinen Namen. Er tut das mit gutem Grund, denn er sieht die alles überragende, wunderbare Person des Sohnes Gottes vor sich. Das gilt auch und gerade für das Evangelium (nach Johannes). Dort beginnt er mit der unermesslichen Aussage: „Im Anfang war das Wort“. Auch in seinen Briefen kommt die Person des Sohnes Go!es in einer ausnehmenden Schönheit vor uns. Das ist wohl der Grund, warum er als inspirierter Schreiber seinen eigenen Namen verschweigt.
Er nennt sich auch nicht Apostel, sondern einfach „der Älteste“. Das deutet bereits an, dass wir in diesem Brief ein wunderbares Beispiel dafür haben, was Ältestendienst in der Praxis ist. Damit war kein angestellter Ältester gemeint, sondern ein älterer Bruder (vgl. 1. Pet 5,1). Es geht um ältere, gläubige und geistliche Männer, die sich unter Gottes Auge bewährt haben. Sie kennen sein Wort und verwirklichen es im Alltag. Sie sind wie Hirten, die eine Schafherde hüten, vor Gefahren beschützen und auch dem einzelnen Schaf nachgehen.
Empfänger: die auserwählte Frau (V. 1)
Dieser Brief ist eines der kürzesten Bibelbücher, zugleich auch einer der ernstesten. Der Apostel schreibt ihn interessanterweise an eine Frau. Das ist außergewöhnlich. Wir haben in Go!es Wort einige wenige Bücher, die den Namen von Frauen tragen (Ruth, Esther). Aber es gibt in Gottes Wort außer diesem Brief kein einziges Buch bzw. keinen einzigen Brief, der an eine Frau (und deren Kinder) gerichtet worden ist.
Warum schreibt Johannes an eine Frau? Es müssen für Johannes offenbar sehr ernste Gründe vorgelegen haben, dass er diesen ungewöhnlichen Weg beschreitet und sich an eine Frau und ihre Kinder wendet. Offensichtlich sieht er große Gefahren für die Herde, für die er sich verantwortlich fühlt. Er versucht, einen Schutzwall um die Seele dieser Frau und ihrer Kinder zu bauen. Er sieht Gefahren. Es sind im Prinzip dieselben Gefahren, wie sie uns der 1. Brief zeigt. Es geht um die Unterscheidung des wahren Christus von einem falschen Christus. Hinter dem Angriff gegen den Herrn Jesus stand der Teufel. Heute ist er nicht weniger aktiv, die herrliche Person des Herrn Jesus anzugreifen.
Ich möchte an dieser Stelle bereits auf einen Punkt hinweisen, den der Apostel später im Brief behandelt. Wir werden nämlich ab Vers 7 sehen, dass Satan durch falsche Lehrer einen massiven und direkten Angriff auf die Person des Herrn Jesus startete. So gibt es viele irrige Ansichten, die letzten Endes alle auf direkte oder indirekte Weise gegen den Herrn Jesus gerichtet sind.
Man hört heute viel von fundamentaler Wahrheit und fundamentalem Irrtum. Natürlich gibt es unterschiedliche Schattierungen von Irrtum und Falschem. Das Endziel von diesem allen aber ist der Angriff auf die Person des Herrn, den Satan immer wieder unternimmt. Sein Plan ist es, mit Irrtümern Schmutz auf den Namen des Herrn Jesus zu bringen. Daher sollten wir nicht erst dann wachsam werden, wenn es um sogenanntes „fundamental Böses“ geht. Auch alle Zwischenstufen des Bösen greifen die Ehre des Herrn an. Daher sollten wir im Blick auf jede Art und jedes Ausmaß des Bösen wachsam sein.
Der Apostel sieht die Frau und ihre Kinder in Gefahr. Das kann man übrigens auch unter einem kirchengeschichtlichen Aspekt sehen. Denn manche Irrlehren sind durch Frauen in die Kirche hineingekommen. Nicht, dass die Frau schlechter wäre als der Mann. Aber leider ist sie oft ein Werkzeug des Feindes gewesen im Einführen böser Dinge und Irrlehren. Es gibt noch einen zweiten Grund, warum sich Johannes gerade an eine Frau wendet. Sie ist im Allgemeinen empfänglicher für Verführung und Betrug. Es liegt normalerweise nicht in ihrem Wesen, nein zu sagen, wenn Männer mit der Bibel kommen und vorgeben, etwas von Christus zu bringen. Deswegen warnt sie der Apostel hier sehr eindringlich.
Der Wert einer Frau und einer Familie in Gottes Augen
Der Gedanke, dass der Apostel sich an eine Frau wendet, kann uns glücklich machen. Denn darin zeigt sich, was für einen Wert eine einzelne Person in den Augen Go!es hat. Das Gleiche gilt für die Familie. Auch sie hat eine hohe Bedeutung für Gott. Daher versucht Satan alles, gerade die Familien zu attackieren.
Von einem Mann hören wir in diesem Brief nichts. Vielleicht war er nicht gläubig, oder er lebte nicht mehr. Wir wissen es nicht. Dass die Frau eine Schwester hatte, geht aus Vers 13 hervor. Diese wohnte anscheinend gerade da, wo sich der Apostel Johannes befand, wahrscheinlich in Ephesus.
So zeigt uns dieser Brief, wie sich die Liebe Gottes mit der Familie und mit dem Einzelnen beschäigt, nicht nur mit der Versammlung insgesamt, wie wir das in anderen Briefen lesen. Mit jeder Einzelperson beschäftigt sich Gott. Das macht diesen Brief zu einem herrlichen Dokument. So großartig es ist, die Versammlung vor sich zu haben, so herrlich ist es zugleich, die Wertschätzung Gottes für den einzelnen Erlösten und für die Familie zu sehen.
Für uns alle – und besonders für die jüngeren Gläubigen – ist wichtig, dass wir das, was Gottes Wort über die Familie sagt, nicht preisgeben. Das gilt umso mehr in Tagen, in denen die Familie nichts mehr gilt. Heute wird sie so früh wie möglich aufgelöst. Leider schicken auch Christen ihre Kinder oft sehr früh in einen Kinderhort, manchmal schon vor Vollendung des ersten Lebensjahres. Es geht dabei nicht um Notsituationen, sondern um einen Trend. So gibt es Entwicklungen, welche die Familie zerstören. Aber für Gott hat die Familie einen sehr großen Wert. Wir sehen hier, wie Er geradezu einen Schutzwall baut, damit sie nicht zu Schaden kommt.
Herrin
Johannes schreibt der „auserwählten Frau“. „Frau“ heißt eigentlich „Herrin“. Es handelt sich offenbar um eine Frau in gehobener Stellung. Bereits der Ausdruck „Herrin“ macht klar, dass der Gedanke einiger Ausleger falsch ist, der Brief sei an eine Versammlung geschrieben worden. Sie meinen, diese Frau wäre ein Bild von der Versammlung und ihre Kinder wären ein Bild der einzelnen Gläubigen dort an dem Ort. Das aber kann nicht der Sinn dieses Verses sein. An keiner Stelle der Schrift wird die Versammlung „Herrin“ genannt oder mit „Herrschaft“ in der heutigen Zeit verbunden. Sie hat keine Macht zu herrschen. Wenn jemand etwas zu bestimmen hat, dann ist es das Haupt des Leibes, Christus Jesus, sonst niemand.
Nein, Johannes schreibt keiner Versammlung. Er wendet sich an eine wirkliche Herrin, die Autorität über ihr unterstellte Menschen besaß. Es ist schön zu sehen, dass das Christentum nicht ohne weiteres Personen aus ihren hohen Stellungen herausnimmt. Es hebt irdische Stellungen nicht einfach auf, wie es viele Philosophien tun. Das Christentum lässt die Person im Allgemeinen erst einmal da, wo Gott sie in seiner Vorsehung hingestellt hat.
Hier ist es eine Herrin, und Johannes spricht sie auch als solche an. Er sagt nicht „liebe Schwester“. Er sagt „auserwählte Herrin“, Herrin oder Frau. Und dabei fügt er noch das Wort „auserwählt“ hinzu. Denn die Gnade Gottes hatte diese Frau in höhere Beziehungen gebracht, auch wenn Er sie in seiner Vorsehung in eine bestimmte irdische Stellung gesetzt hatte.
Es ist beglückend, dass Gott uns aus den irdischen Beziehungen auserwählt und in himmlische Beziehungen gebracht hat, die ewig sind. Die Beziehungen, die wir untereinander als Kinder Gottes haben, sind ewig. Das ist etwas sehr Großes, auch in Tagen des Verfalls. Diese Beziehungen bleiben in gewissem Sinn sogar in diesen Zeiten intakt. Es geht hier nicht um kirchliche Dinge, denn davon spricht Johannes hier nicht. Dort haben Verfall und Abweichen von dem Wort der Wahrheit durchaus Konsequenzen für unser Verhalten anderen Gläubigen gegenüber.
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