Bibelstudium

Hiob (2)

Die Reden Hiobs und seiner Freunde

Kapitel 3 bis 21

Das Buch Hiob ist, von dem Rahmenbericht abgesehen, eines der weniger gelesenen Bücher der Bibel. Insbesondere vor den langen Reden, die den größten Teil des Buchs ausmachen, schreckt so mancher Bibelleser zurück. Einen Teil aus gerade diesem Abschni$ wollen wir in dieser Folge behandeln, und zwar die Reden von Hiob und seinen drei Freunden Eliphas, Bildad und Zophar. Wir werden sehen, dass auch diese langen Reden alles andere als langweilig sind. Es befinden sich – teils versteckt – wertvolle Gedanken darin. Aus Platzgründen können wir die sich über mehrere Kapitel erstreckenden Reden natürlich nicht Vers für Vers analysieren, sondern nur einige wichtige Punkte herausstellen.

Überblick

In der ersten Folge haben wir gesehen, dass Gott einen Plan mit Hiob hat. Hiob soll den Herrn besser kennen lernen und darum schickt Gott die Katastrophen. Satan, der die einzelnen Prüfungen über Hiob hereinbrechen lässt, ist dabei nur das Werkzeug (auch wenn er sich für den eigentlichen Urheber hält, da er ja den Glauben Hiobs angezweifelt hat). Nachdem Satan dadurch widerlegt wurde, dass Hiob sich trotz schwerster Schicksalsschläge nicht von Gott abwenden ließ, hätte Gott eigentlich die Prüfungen beenden können. Er tut dies aber nicht, da es überhaupt nicht um Satan und dessen Ideen geht, sondern darum, dass Hiobs Herz erreicht werden soll. Hiob soll mehr von Gott verstehen und dazu sind noch einige Schritte notwendig.

Im Buch Hiob folgen nun die Reden von Hiob und seinen drei Freunden Eliphas, Bildad und Zophar. Diese lassen sich – neben den beiden Monologen Hiobs in den Kapiteln 3 sowie 27–31 – in drei Redezyklen gruppieren. In jedem Zyklus sprechen die drei Freunde jeweils einmal, wobei Hiob nach jeder Rede eines der Freunde ebenfalls eine ausführliche Stellungnahme abgibt. In dem letzten Redezyklus finden wir allerdings keine Rede von Zophar mehr; offensichtlich sind ihm mittlerweile die Argumente ausgegangen. In den Kapiteln 4–26 befinden sich insgesamt 16 Reden, die wir nur kurz streifen können.

Mit der Wiedergabe der einzelnen Reden beginnt der in Poesie verfasste Teil des Buchs (s. dazu die erste Folge).

Hiobs Monolog

Der erste von allen Anwesenden, der seinen Mund öffnet, ist Hiob selbst, der mit einem Monolog beginnt (Kap. 3). Zuerst verflucht er den Tag seiner Geburt (V. 1–12). Dies tat auch Jeremia (Jer  20,14–18). Sowohl bei Hiob als auch bei Jeremia wurde der Glaube nicht etwa durch weltliche Ein+üsse beeinträchtigt, sondern durch Leiden.

Danach wünscht Hiob seinen Tod herbei (V. 13–19). Er redet dabei über den Tod wie ein Ungläubiger: Für ihn ist der Tod nur noch das Ende seines Leidens. Ein wunderbares Gegenbeispiel in seinen Leiden ist unser Herr Jesus. Welche Leiden hat Er am Kreuz erdulden müssen, und damit meine ich noch nicht einmal die sühnenden Leiden in den drei Stunden der Finsternis, sondern die körperlichen Schmerzen der Folter auf der Hinrichtungsstätte. Aber von Ihm lesen wir nicht, dass Er den Tod herbeiwünschte; nein, Er wollte ausharren, bis alles vollbracht war.

Ein interessantes Detail in den hier vorliegenden Versen ist, dass die Totgeburten (V.  16) von Gott genauso gesehen werden, wie als Erwachsene Gestorbene (V.  14–15). Die Argumentation, ungeborene Kinder seien keine Menschen, ist damit durch Gottes Wort widerlegt; Abtreibung ist in den Augen Gottes Mord. Wer von euch Argumente gegen die Abtreibung sucht, sollte sich diese Verse aus dem Buch Hiob merken.

Am Ende seines Monologs richtet Hiob den Blick auf sich selbst und seine Leiden. Durch Beschäftigung mit den Leiden wird aber der Blick auf die Gedanken Gottes getrübt. In der Folge verliert er alle Kraft, die er in Kapitel 1,20–22 noch gezeigt hat. Das gilt auch für uns heute. Wenn wir den Blick nach unten richten, wird uns das auch nach unten ziehen. Dann denken wir wie Petrus, wir müssten in den Problemen ertrinken (Mt  14,30). Es ist eine List Satans, den Blick auf uns selbst, die Umstände oder Menschen zu richten. In dem bekannten Psalm 73 wird nach der Auseinandersetzung mit bitteren Problemen ab Vers 17 der Blick nach oben, in die „Heiligtümer Gottes“ gerichtet; ab dem Moment legt der Schreiber allen Groll über das Wohlergehen der Gottlosen ab. Ja, „Loben zieht nach oben“, aber im Gegensatz zu Hiob 1 finden wir in Kapitel 3 keinen Lobpreis durch Hiob mehr. Dennoch: Er redet nicht direkt gegen Gott.

Erster Redezyklus – Hiobs Lage wird „beleuchtet“

Der erste Redezyklus erstreckt sich über die Kapitel 4–14 und besteht aus jeweils einer Rede von Eliphas, Bildad und Zophar sowie drei Antwortreden Hiobs.

Eliphas: Hiob (I) – Kapitel 4–7

Eliphas leitet seine Rede mit Angriffen auf Hiob ein. Er ist der Meinung, Unglück sei immer eine Strafe für Böses. Hauptthemen seiner ersten Rede sind die Größe und die Regierungswege Gottes. Dabei stellt er an sich wunderbare Wahrheiten vor, die aber auf Hiob alle nicht zutreffen, da sie die Kernaussage haben, dass Gott dem Gerechten hilft und den Ungerechten verdammt. Die Quellen seines Wissens sind seine eigene Erfahrung und Erkenntnis (Kap. 4,8), aber auch Visionen (Kap.  4,12–16). Die zentrale Aussage Eliphas‘ ist, dass Hiob sich zwar selbst für gerecht hält, dass das ihn treffende Unheil aber ganz klar offenbart, dass er schuldig sein muss.

Hiob blickt in seiner Antwort weiter nach unten und wünscht den Tod herbei. Er beklagt sich über die Vorwürfe seiner Freunde (Kap.  6,14–30). Jetzt, wo er sie am nötigsten braucht, helfen sie ihm nicht, sondern machen alles nur noch schlimmer. – Diese Verse enthalten auch eine praktische Belehrung für uns, wenn wir mit Leidenden zu tun haben. – Im Gegenzug stellt Hiob seine eigene Gerechtigkeit heraus. Gleichzeitig erhebt er nun leider auch Vorwürfe gegen Gott und hält Ihn für seinen Feind.

Wie Hiob das Verhalten seiner Freunde empfindet:

  • Meine Brüder haben sich trügerisch erwiesen wie ein Wildbach. (6,15)
  • Ihr hingegen seid Lügenschmiede, nichtige Ärzte ihr alle! (13,4)
  • Eure Denksprüche sind Sprüche von Asche. (13,12)
  • Leidige Tröster seid ihr alle! (16,2)
  • Meine Freunde sind meine Spötter. (16,20)
  • Wie lange wollt ihr meine Seele plagen ... ihr schämt euch nicht, mich zu verletzen. (19,2.3)
  • Wie tröstet ihr mich nun mit Dunst? (21,34)
  • Warum denn schwatzt ihr so unnütz? (27,12)

Bildad: Hiob (I) – Kapitel 8–10

Auch Bildad beginnt mit einem harten Angriff und beschuldigt neben Hiob sogar dessen Kinder (Kap.  8,4). Er zieht die gleichen Schlüsse wie Eliphas: Go$ segnet den Gerechten und bestraft den Ungerechten. Als Einziger der drei Freunde hat Bildad aber noch ein gutes Wort für Hiob (Kap.  8,20– 22). Sein Wissen bezieht er aus den Erkenntnissen früherer Generationen (Kap.  8,8–10). Kurz zusammengefasst: Auch Bildad sagt im Prinzip richtige Dinge, die aber auf Hiob nicht zutreffen.

Hiob seinerseits spricht nun von der Größe und Unwürdigkeit des Menschen. Das klingt demütig, geschieht aber leider erkennbar in einer falschen Herzenseinstellung. Auch vom Prinzip her richtige Dinge können in einer falschen Einstellung gesagt werden.

Weiter rechnet Hiob mit Gott ab. Er wirft Ihm Ungerechtigkeit vor, hält sich selbst aber für gerecht. Er beklagt sich, dass seine Bemühungen um ein sündloses Leben vergebens sind, da Gott sie scheinbar nicht honoriert; deshalb sieht er Gott weiter als seinen Feind. Als Folge verlangt er nach einem Schiedsmann, einem Mittler (Kap.  9,32–35). Wir wissen heute, dass dieser Mittler in der Person des Herrn Jesus gekommen ist (1. Tim 2,5). Der Schlussabschnitt von Hiobs Rede (Kap.  10,18–22) zeigt, dass sich seine Gemütsverfassung nicht verbessert hat. Die Rede Bildads hat nichts bewirkt.

Zophar: Hiob (I) – Kapitel 11–14

Während Eliphas auf Beobachtung und Erfahrung setzt, Bildad der Überlieferung vertraut, stützt sich Zophar auf seinen eigenen Verstand und seine Weisheit. Er hält sich selbst für klug und Hiob für dumm (Kap.  11,1–6). Hiobs Problem hält er für trivial; Hiob ist seiner Meinung nach nur unfähig, das zu verstehen (V.  10–12). In Wirklichkeit fällt Zophar jedoch gegenüber seinen Vorrednern deutlich ab. Vermutlich ist er auch der Jüngste von den dreien, weil er als Letzter redet. Er erwähnt die Tiefe, Höhe, Länge und Breite der Größe Gottes. Leider verbindet er diese an sich wunderbare Aussage1 mit einer Anspielung auf Hiobs vermeintliche Schuld. Ansonsten wiederholt er die Thesen der beiden anderen Freunde: Für Gottlose gibt es Strafe, folglich muss Hiob ein solcher sein, aber nach Sündenbekenntnis wird er wiederhergestellt werden.

Hiobs nun folgende Rede ist eine Verteidigung gegenüber den Vorwürfen Zophars, aber auch eine Gegendarstellung zu den ersten Reden aller drei Freunde. Er warnt sie vor einer falschen Verurteilung. Weiter beschreibt Hiob die souveräne Allmacht Gottes, bezichtigt Gott aber dabei der Willkürherrschaft (Kap. 12,14–25). Da die Freunde ihm nicht helfen, wünscht er, mit Gott selbst vor Gericht zu ziehen; in diesem Rechtsstreit sieht Hiob sich bereits als klaren Sieger (Kap.  13,15–19). Im letzten Abschnitt seiner Rede stellt Hiob drei existenzielle Fragen:

  1. Rein oder unrein? (Kap. 14,4)
  2. Wo bleibt der Mensch, wenn er stirbt? (Kap. 14,10)
  3. Wenn ein Mensch stirbt, wird er wieder leben? (Kap. 14,14)

Diese Fragen bleiben an dieser Stelle unbeantwortet. Insofern erhellt auch hier kein Hoffnungsschimmer die dunkle Stimmung.

Zweiter Redezyklus – Hiob, ein Gottloser?

Auch im zweiten Redezyklus (Kap.  15–21) kommen wieder alle drei Freunde zu Wort, jeweils gefolgt von einer Antwort Hiobs.

Eliphas: Hiob (II) – Kapitel 15–17

Eliphas antwortet hart auf Hiobs letzte Rede und beginnt wieder mit Vorwürfen. Er wirft Hiob Hochmut gegenüber den Freunden (Kap. 15,7–10) und Gott (V. 11–16) vor, womit er vielleicht nicht einmal ganz unrecht hat. Im zweiten Teil seiner Rede finden wir eine ausführliche Beschreibung des von Gott gestraften Gottlosen2, wobei die Parallele zu Hiob für diesen sicher deutlich erkennbar ist. Eliphas‘ zweite Rede bringt folglich keine neue Erkenntnis, sondern wiederholt nur frühere Argumentationen.

Hiob übt in seiner Rede scharfe Kritik an seinen Freunden. Statt ihm zu helfen, haben sie es nur noch schlimmer gemacht. Erneut klagt er über Gott und wirft ihm Feindschaft vor. Gleichzeitig wird deutlich, dass Hiob auch sehr unter seinem sozialen Absturz leidet (Kap.  16,10–11; 17,2.6). Da seine Freunde nur aus ihrer subjektiven Sicht urteilen und ihn nicht verstehen, wendet er sich wieder an Gott. Ihm will er seine Not übergeben (Kap. 16,20).

An dieser Stelle wird deutlich, dass Menschen in Not oft großen emotionalen Schwankungen ausgesetzt sind. Einerseits stellt Hiob Gott auf dieselbe Stufe wie seine Freunde; anderseits nimmt er Zuflucht zu Ihm. Interessant, dass er sich sogar an Gott als seinen Fürsprecher klammert, der für seine Sache eintreten und ihn gegenüber Gott verteidigen soll (Kap. 16,21). Ein paar Verse weiter sagt er: „Leiste Bürgschaft für mich bei dir selbst!“ (Kap. 17,3). Mit anderen Worten: Gott, stelle dich selbst als Mittler zwischen mich und Gott. Das klingt paradox und ist mit menschlicher Logik nicht zu erklären. Es zeigt aber etwas von einer inneren Zerrissenheit, in die eine tief betrübte Seele kommen kann.

Im weiteren Verlauf des 17. Kapitels schwindet wieder seine Hoffnung, sodass Hiob keine Hilfe mehr erwartet – weder von Gott noch von seinen Freunden. Er wünscht nur noch zu sterben (Kap. 17,15–16).

Bildad: Hiob (II) – Kapitel 18–19

Bildads zweite Rede lässt sich kurz zusammenfassen. Sie ist eine einzige Aneinanderreihung von Gerichten, die den Gottlosen treffen, wobei die erwähnten Strafen auffallend an Hiobs Unglücke angepasst werden.

  • Hiob klagt erneut über das Unverständnis seiner Freunde und wirft Gott Ungerechtigkeit vor (Kap.  19,2–6). Dann beklagt er ausführlich seinen durch die Katastrophen hervorgerufenen sozialen Abstieg (V. 7–20). Plötzlich aber erhellt sich die Szene. Im Gegensatz zu seinen Freunden, denen er fehlendes Erbarmen vorwirft, sieht er jetzt in Gott seinen Erlöser3 (V. 25–27). Obwohl Hiob vieles noch nicht wissen konnte, weil Gott es noch nicht offenbart hatte, ist er sich ganz sicher, dass sein Erlöser lebt. Im weiteren Verlauf spricht Hiob erstaunliche Wahrheiten aus:
  • Es gibt eine Auferstehung.
  • Die Auferstandenen werden wieder einen Leib haben.
  • In diesem Leib werden sie Gott anschauen.

Der Erlöser wird als der Letzte auf der Erde stehen. Kennen wir nicht viel mehr von diesen Wahrheiten als Hiob? Das Neue Testament enthält manche Einzelheiten darüber. Und sie betreffen nicht nur Hiob, sondern auch uns, dich und mich. Sind wir Gott dankbar, dass Er uns Einblicke in die Zukunft gewährt?

Zophar: Hiob (II) – Kapitel 20–21

Zophar ist erregt über Hiobs Antworten und geht auf dessen Hilferuf gar nicht ein, sondern hält sich selbst für klug und prahlt mit seiner Einsicht (Kap.  20,2.3). Auf diese Art kann man sich natürlich nicht von Gott zu „Worten des Erbarmens“ (Kap.  19,21) leiten lassen, und so vergrößert Zophar Hiobs Schmerz nur. Hiobs Problem hält er weiterhin für einfach (V. 4). Ansonsten beschreibt er wie schon Bildad und Eliphas die Misserfolge und Strafen eines Gottlosen. Weiter wirft er Hiob indirekt verborgene Sünden (V.  12–13) und unredlich erworbenen Reichtum (V. 18–21) vor.

Hiob versucht das Hauptargument der Freunde durch zwei Punkte zu widerlegen: Das Wohlergehen und der Wohlstand der Gesetzlosen (Kap.  21,6–15) sowie das souveräne und autonome Handeln Gottes (V.  16–26), diesmal allerdings ohne negativen Unterton. Wir finden keine Bitterkeit und keine Vorwürfe gegen Gott in seiner Rede. Auch gegenüber seinen Freunden redet er milder (vgl. V.  1–5). Ob der Blick auf den Erlöser dies bewirkt hat? Vermutlich ja. Ein echtes Glaubensbekenntnis verhallt niemals spurlos.

Fazit: Von Seiten der drei Freunde ergibt sich nichts Neues. Als Quintessenz ihrer Reden findet Hiob hingegen nur „Treulosigkeit“ (V. 34).

Fußnoten

1 Vgl. die Bezugnahme hierauf in Epheser 3,18.

2 Das scheint das Schlüsselwort in dem zweiten Zyklus zu sein, es findet sich bei allen drei Freunden (15,20; 18,5; 20,5) und auch in Hiobs Schlussrede (21,7.16.17).

3 Das hebräische Wort für „Erlöser“ kann auch mit „Löser“ bezeichnet werden, wie z.B. in 3. Mose 25,25–55. Der Löser musste seinem verarmten Verwandten seinen verkau(en Besitz zurückkaufen. Hiob sieht in Gott den, der sein Recht ausführen und ihn von Armut und Elend erlösen würde [1].

Literaturverzeichnis

[1] E. Bonsels, Geläutert im Schmelztiegel Gottes, kann bei
www.csv-verlag.de kostenlos als E-Book heruntergeladen werden


[2] J. N. Darby, Betrachtung über das Buch Hiob (Synopsis),
www.bibelkommentare.de


[3] J. B. Stoney, Die Erziehung in der Schule Gottes,
www.bibelkommentare.de