Bibel praktisch

Überlieferungen nach Gottes Gedanken - göttliche Überlieferungen versus menschliche Traditionen?

Überlieferungen nach gottes gedanken göttliche Überlieferungen versus menschliche Traditionen?

vieles in unserem leben besitzen wir durch mündliche oder schriftliche Überlieferung. das ist uns vielleicht gar nicht so bewusst. selbst die bibel ist uns auf diese Weise übermittelt worden. aber neben der bibel gibt es auch menschliche Überlieferungen, die oftmals einen großen stellenwert einnehmen. Wie wichtig sind sie und kann man ganz darauf verzichten?

gottes anweisungen im alten Testament
Über viele Jahrhunderte sprach Gott direkt zu Menschen (vgl. Heb 1,1). Stellvertretend für viele sei Abraham erwähnt, mit dem Gott in einer so vertrauten Weise sprach, dass er sogar Freund Gottes genannt wurde. Die Gedanken und Willensäußerungen Gottes galten meist den direkt angesprochenen Personen. Wenn diese darüber hinaus anderen Zeitgenossen oder folgenden Generationen weitergegeben wurden, geschah das zuerst mündlich.

Als Gott sich das Volk Israel zu seinem eigenen Volk auserwählte, änderte sich die Situation. Zum ersten Mal liest man, dass der Herr Mose den Auftrag gab, alle Gebote und Anordnungen zum Gedächtnis in ein Buch zu schreiben (2. Mo 17,14; 34,27). So gab es konkrete Vorschriften für den Gottesdienst, den Dienst an der Stiftshütte sowie für das bürgerliche Leben im Volk Gottes, die jederzeit nachgelesen werden konnten. Das war zugleich die Grundlage für eine verbindliche Form, die es ermöglichte, alle Anordnungen bis ins Detail zu beachten und danach zu leben.

menschliche gedanken kommen hinzu
Gott beauftragte die Priester, sich mit dem Gesetz vertraut zu machen. Sie hatten die Aufgabe, das Volk zu belehren: „Das Gesetz sucht man aus seinem Mund, denn er ist ein Bote des Herrn

der Heerscharen“ (Mal 2,7). Zudem waren sie bei schwierigen Rechtsfragen die Ratgeber für das Volk (vgl. 5. Mo 17,8-11). Das Gesetz musste auf die jeweilige Sachlage angewandt werden, was damals nur in Verbindung mit dem Tempel, dem Wohnort Gottes geschehen durfte.

Offensichtlich gab es später einige Leviten bzw. Schriftgelehrte, die die Auslegung und Anwendung der Vorschriften vereinfachen wollten. Das Sabbatgebot zum Beispiel: „Du sollst keinerlei Werk tun“ (5. Mo 5,14), sollte so konkretisiert werden, dass keine Unklarheiten aufträten. Daraufhin wurde der Begriff „Werk“ im Detail definiert. Im Laufe der Zeit entstand dadurch ein zusätzlicher Katalog von Anweisungen, der genau beschrieb, was erlaubt und was verboten war. Das Problem war nur, dass diese Anweisungen weit über das Wort Gottes hinausgingen (vgl. Mk 7,3-13). Der menschlichen Vorstellung von Gottesdienst war damit Tür und Tor geöffnet.

Zur Zeit Jesu beschuldigten die Schriftgelehrten oftmals Ihn und seine Jünger, dass sie die Überlieferungen der Ältesten nicht einhielten. Er musste ihnen vorhalten, dass sie sich mit ihrem Katalog schuldig gemacht hatten, denn durch ihre Lehren versperrten sie aufrichtig Suchenden den Weg zum Reich Gottes (vgl. Mt 23,13). Wie verkehrt die jüdischen Überlieferungen waren und was für einen Schaden sie im Volk anrichteten, darüber sprach der Herr ganz offen mit den Schriftgelehrten und Pharisäern. Er tadelte sie mehrmals, weil sie durch verschiedene ihrer Überlieferungen die Gebote Gottes sogar ungültig gemacht hatten (vgl. Mt 15,6; Mk 7,8).

Wir halten an dieser Stelle fest, dass Überlieferungen nur dann als nützlich und richtig anzusehen sind, wenn sie das Wort Gottes keineswegs beeinträchtigen. Alles, was darüber hinausgeht, sei es aus menschlicher Logik oder aus menschlichen Empfindungen, führt in die Irre.

gottes anweisungen im neuen Testament
Mit der Kreuzigung Jesu hat ein neuer Abschnitt im Reden Gottes mit den Menschen begonnen. Die Unfähigkeit des Menschen, durch eigene Gerechtigkeit vor Gott angenommen zu werden, war völlig zutage getreten. Dennoch wollte Gott in seiner überreichen Gnade Gemeinschaft mit den Menschen haben. So wie der Mensch von Anfang an von neuem geboren werden musste, um in das Reich Gottes einzugehen (vgl. Joh 3,5.7), genauso notwendig war es, dass „der Sohn des Menschen erhöht werden muss, damit jeder, der an ihn glaubt nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe“ (Joh 3,14). Auf dieser Grundlage kann Gott den Menschen segnen und in seine Nähe bringen.

Das Werk Christi hat alles zur Vollendung gebracht, so dass jetzt Gottesdienst und Anbetung „in Geist und Wahrheit“ stattfinden können. Die Opfer bestehen jetzt nicht mehr aus Tieren, sondern sind geistlicher Art. Und das Haus Gottes ist kein Bau aus toten Steinen, sondern besteht aus allen Gläubigen. Aber eins ist geblieben: Ein Leben zur Ehre Gottes, sowohl persönlich als auch gemeinsam, gelingt nur, wenn alle Schriften der Apostel und Propheten des Neuen Testaments beachtet und befolgt werden.

Damit wird klar, dass das von Gott gegebene Wort auch weiterhin die Richtschnur für einen Weg der Gemeinschaft mit Ihm ist. Der christliche Gottesdienst und auch die Nachfolge dem Herrn Jesus nach sind zwar nicht mehr in allen Einzelheiten als Gebote festgelegt, aber die Gläubigen sind an die göttlichen Grundsätze gebunden. Mit der christlichen Freiheit wächst die persönliche Verantwortung, die Gedanken Gottes zu kennen und auf alle Lebensbereiche anzuwenden. Der Heilige Geist und der Herr Jesus selbst schenken uns Kraft, die Wahrheit auszuleben.

angriffe auf die göttlichen Überlieferungen
Die neue Epoche hatte gerade erst begonnen und schon fing der Teufel an, Sauerteig unter die gute Masse zu mengen (vgl. Mt 13,33). Auf seiner dritten Missionsreise musste der Apostel Paulus die Ältesten von Ephesus vor Männern warnen, die aus ihrer Mitte aufstehen, die verkehrte Dinge reden und die Jünger hinter sich her abziehen würden (Apg 20,30). Aus diesem Grund schreibt der Apostel z.B. an die Gläubigen in Korinth und Thessalonich, dass sie die ihnen durch

Wort und Brief übermittelten Überlieferungen festhalten sollten (2. Thes 2,15; 3,6). Beachte: An diesen Stellen sind unter „Überlieferungen“ nicht menschliche Traditionen zu verstehen, sondern die göttlichen Belehrungen durch die Apostel.

An die Korinther schrieb Paulus, dass er von dem Herrn empfangen hatte, was er ihnen überliefert hatte (1. Kor 11,23; 14,37; 15,3). Die Quelle dieser Überlieferungen war also der Herr selbst. Das betrifft z.B. die Verkündigung des Todes des Herrn Jesus, sein Sterben für unsere Sünden, seine Auferstehung oder auch das Verhalten der Frauen in den Versammlungen etc. Wie ernst es ist, von den göttlichen Überlieferungen abzuweichen, macht Paulus im Brief an die Galater sehr deutlich (vgl. Gal 1,8.9.12).

Die Mittel, die der Teufel benutzt, um die Überlieferungen aus der göttlichen Quelle zu beeinflussen und zu verfälschen, sind unterschiedlicher Art: jüdische Elemente, Philosophie, Weisheit der Welt und menschliche Traditionen. Um solche Einflüsse zu erkennen, muss man der guten Lehre des Wortes Gottes (den „gesunden Worten, die unseres Herrn Jesus Christus sind“) genau folgen (1. Tim 4,6; 6,3).

menschliche Traditionen im christentum
Die Entwicklung im Christentum verlief nicht viel anders als im Judentum. Neben dem Wort Gottes kamen menschliche Gedanken hinzu, die so an Bedeutung gewannen, dass sie die göttlichen Anweisungen verdrängten. In der römisch-katholischen Kirche zum Beispiel wird – in anderem Gewand – die oben genannte Praxis der jüdischen Schriftgelehrten weitergeführt. Die Glaubenslehre der Kirchenväter wird als genauso verbindlich angesehen wie die Lehre des Wortes Gottes. Nach der Auffassung der katholischen Kirche kann die wahre Aussage der biblischen Texte nur durch die Auslegung der Kirche verstanden werden. Und das widerspricht eindeutig der Lehre der Schrift. Denn die Schrift legt sich selbst aus (vgl. 2. Pet 1,20). Zusätzlich hat der Herr die Gnadengabe des Lehrers gegeben, um das Wort Gottes auszulegen, damit alle Gläubigen die Gedanken Gottes verstehen lernen.

Ein „Traditionsprinzip“ darf also niemals das „Schriftprinzip“ ersetzen.

In der Reformationszeit erkannte man die verschiedenen menschlichen Einflüsse, die das Licht des Wortes Gottes für die Christen verdunkelt hatten. Man wollte zu dem Grundsatz zurückkehren, dass das Wort Gottes – die Bibel – verbindlich für alle Fragen des Glaubens (des Glaubensgutes) ist, nach dem Motto der so genannten „sola scriptura“ („allein die Schrift“). Aber in den einzelnen evangelischen Konfessionen bildeten sich bald neue Traditionen heraus, indem man auf verschiedene Lehren einen Schwerpunkt legte und damit andere vernachlässigte. Schnell schleichen sich wieder Dinge ein, die auf menschlichen Nützlichkeitserwägungen beruhen und im Widerspruch zu Gottes Wort sind.

geht es auch ohne menschliche Traditionen?
Spätestens jetzt wird der eine ohne andere Leser einwenden, dass menschliche Traditionen zum festen Bestandteil eines Christenlebens gehören. Und diesem Einwand wollen wir uns stellen. Jeder Mensch und besonders auch Menschengruppen, die wiederholt dieselben Dinge tun, lassen sich von Gewohnheiten prägen. Niemand kann sich davon freisprechen. Aber es kommt eben darauf an, welcher Art die Gewohnheiten bzw. Traditionen sind und welche Bedeutung man ihnen zumisst. Dürfen sie dieselbe Verbindlichkeit und Autorität beanspruchen wie Gottes Wort? Keineswegs. Andererseits gibt es Formen, die ein menschliches Leben und Zusammenleben mit sich bringen. Solche Gewohnheiten bzw. Traditionen sollten dennoch niemals im Zentrum stehen, sondern einen untergeordneten Stellenwert haben. Die folgenden Beispiele sollen helfen, diese Art von Traditionen bzw. Gewohnheiten angemessen zu beurteilen:

  • Es gibt Christen, die jeden Morgen vor der Arbeit ihre stille Zeit haben, d.h. sie lesen das Wort Gottes und haben ihre Gebetszeit. Andere machen das am Abend, weil sie sich dann besser konzentrieren können. Egal, wann man seine stille Zeit hat – die Gewohnheit ist gut, solange die Sache von Herzen betrieben wird und nicht zu einer hohlen Form wird.
  • Die Anfangszeiten der christlichen Zusammenkünfte werden durch Menschen festgelegt. Es handelt sich hierbei also auch um eine gewisse Form, die keinerlei Glaubensfragen berührt. Doch ist diese Form unnütz? Sicherlich nicht. Niemand käme auf die Idee, solche Zeiten abzuschaffen und zu warten, dass der Geist die Glaubensgeschwister zur selben Zeit an denselben Ort führt.
  • Wie sollen Sammlungen (Kollekte) durchgeführt werden (vgl. 1. Kor 16,2)? Einige haben die Gewohnheit, diese am Ende der Zusammenkunft durchzuführen, andere direkt nach dem Brotbrechen. Letzteres wird aus Hebräer 13,16 abgeleitet. Es gibt auch die Tradition, dass jeder seine Gabe beim Kommen oder Gehen in einen „Schatzkasten“ wirft (Nachteil: Die Sammlung hat kaum einen Bezug zur Zusammenkunft.) Es wird deutlich, auch hier geht es nicht ohne eine menschliche Festlegung.
  • Vielfach beginnen christliche Zusammenkünfte mit einem Lied. Das gehört sicherlich auch zu einer Gewohnheit. Aber auch sie ist nicht grundsätzlich verwerflich. Wenn die Freiheit besteht, auch mit einem Schriftwort oder einem Gebet zu beginnen, steht sie dem Wirken des Heiligen Geistes nicht entgegen. Denn oft hat sich das Loblied als geeignetes Mittel erwiesen, die Versammlung (Gemeinde) auf ein geistliches Thema einzustimmen.
  • Über die Sitzordnung in den Zusammenkünften finden wir in der Bibel keine ausdrücklichen Hinweise. Jedoch liegen einer getrennten Sitzordnung von Brüdern und Schwestern verschiedene beachtenswerte Gedanken zugrunde. Ein Beweggrund dafür war zum Beispiel, dass Männer und Frauen bei ihren unterschiedlichen Aufgaben in den Zusammenkünften (siehe 1. Kor 14; 1. Tim 2,8-15) so weniger abgelenkt werden. Es gibt jedoch in dieser Frage auch noch andere ernstzunehmende Beweggründe für die eine oder andere Gewohnheit. Man sollte diese deshalb einfach hinnehmen - schon allein aus brüderlicher Rücksichtnahme.

Diese Beispiele sollen zeigen, dass es gute und nützliche Gewohnheiten bzw. Traditionen gibt, solange sie nicht mit den Anordnungen von Gottes Wort im Widerspruch stehen, das Wirken des Heiligen Geistes nicht eindämmen und keinen verbindlichen Charakter einfordern.

der Jünger Jesu zwischen verschiedenen Überlieferungen
Ist es bei der Verschiedenartigkeit und Vielfalt von Überlieferungen überhaupt noch möglich, zwischen den göttlichen Überlieferungen einerseits und den menschlichen andererseits zu unterscheiden? Sollte nicht jeder dem nachgehen, was ihm persönlich zusagt? Wer einen Weg zur Ehre Gottes gehen will, wird solche Fragen nicht oberflächlich beantworten. Eins ist bei diesen Fragen immer wichtig: Der Herr Jesus muss in allem den Vorrang haben, und das Wort Gottes muss in vollem Umfang zur Geltung kommen. Deshalb sollen abschließend noch einige Hinweise folgen, die für unser Glaubensleben wichtig sind:

  • Das intensive Studium des Wortes Gottes ist ein großer Gewinn. Wer früh damit anfängt, wird gefestigt und lässt sich nicht durch menschliche Überlegungen von der Wahrheit abbringen.
  • Das ganze Wort Gottes ist als verbindlich anzunehmen. Wir können uns nicht nur die Teile herausnehmen, die uns passen.
  • Nur wer die Wahrheit gut kennt, entdeckt auch den Irrtum.
  • Andererseits reicht es nicht aus, die Anweisungen des Wortes nur zu kennen. Wir müssen sie auch befolgen – und das nicht widerwillig oder als Pflicht, sondern aus liebe zu dem Herrn Jesus.
  • Wir werden gewarnt, dem Wort Gottes etwas hinzuzufügen oder etwas davon wegzunehmen (vgl. Off 22,18.19).
  • Wir wollen nicht alle menschlichen Formen wegwerfen, die mit dem Ausleben der biblischen Wahrheit gefüllt sind.
  • Sobald allerdings Formen und Traditionen dem Wort Gottes und dem Wirken des Heiligen Geistes entgegenstehen, müssen wir davon Abstand nehmen.

rainer möckel