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Keine Bekehrungen in der Versammlung
Keine Bekehrungen in der Versammlung (gemeinde)?
Ich mache mir in letzter Zeit viel Gedanken darüber, warum in der örtlichen Versammlung, wo ich hingehe, keine Menschen dazu kommen. 20 Jahre vergehen, nichts tut sich. Keiner bekehrt sich, niemand kommt dazu. Das kann doch kein normaler Zustand einer Versammlung sein, oder schon?
Ich höre oft, wenn ich diese Frage stelle, die Erklärung: „Ja, wir leben halt in der letzten Zeit“. Mir ist klar, dass nicht 5000 auf einmal dazukommen wie in der Apostelgeschichte. Aber dass 20 Jahre nichts passiert, sich gar nichts tut, die Versammlung eher noch kleiner wird, das beschäftigt mich. Oder wenn jemand mal kommt, dann hält er es nicht lange aus ...
Ich frage mich manchmal, an was es liegt. Habe ich zu wenig Glauben (Mk 11,22)? Oder bin ich den Menschen ein Hindernis? Bin ich kein wirkliches Zeugnis in der Welt? Oder sind es einfach äußerliche Dinge, die Menschen abstoßen?
Oder liegt es daran, dass es heute keine Menschen mehr gibt, die aufrichtig danach fragen, was wirklicher Gottesdienst ist? Gottesdienst sollte ja nicht den Menschen gefallen, sondern Gott. Oft wird eine Gemeinde ja nach dem ersten Kriterium ausgewählt. Aber kann dies eine Entschuldigung dafür sein...?
S.
Lieber S.,
deine Fragen kann ich gut nachvollziehen und möchte sie auch auf mich einwirken lassen. Vielleicht können uns einige kurze Überlegungen weiterhelfen, um Klarheit zu bekommen und dann auch wieder eine positive Ausrichtung zu erhalten.
1. gott lässt sein wort nicht leer zurückkommen (Jes 55,10.11)
Unabhängig von der Frage, ob Menschen die Zusammenkünfte von Christen aufsuchen oder nicht, bleibt es Realität, dass der Herr auch heute noch, auch in den westlichen Ländern, auch in Tagen kleiner Kraft, sein Wort wirken lässt und dass sich Menschen bekehren. Das geschieht bei einem Bibelstand ebenso wie auf einer „klassischen“ Evangelisation, in der Familie, im Gefängnis oder im Berufsleben. Vielleicht fällt dieses Wirken Gottes nicht immer so auf, weil diese Neubekehrten aus unterschiedlichsten Gründen (s.u.) teilweise nicht die Zusammenkünfte vor Ort besuchen. Aber das sollte uns nicht im Einsatz für das Evangelium oder im Vertrauen auf das Wirken des Geistes Gottes beeinträchtigen. Hier ist auch das ganz persönliche Leben in Wandel und Wort (Kol 4,5.6) gefragt. Haben wir es angesichts der vielen Möglichkeiten der Verbreitung des Evangeliums in Schriftform vielleicht verlernt, selbst die Botschaft in kurzen Worten zu vermitteln (1. Pet 3,15)?
2. christen sind verantwortlich für eine gute „Herberge“ (lk 10,34)
Wichtig scheint mir zu sein, über die „normalen“ Kontakte in Familie, Nachbarschaft, Schule und Beruf hinauszublicken: Es fällt doch auf, dass das Evangelium schon immer besonders Rand- oder Problemgruppen der Gesellschaft angesprochen hat (s. die Situation in Korinth und s. auch das Vorbild des Herrn Jesus selbst). Das fordert uns heute, erstens auf solche Gruppen zuzugehen, zweitens ihnen fassbar die gute Botschaft zu vermitteln und drittens, sie in Liebe aufzunehmen. Vielleicht zunächst im privaten Bereich durch familiäre Kontakte oder einen Hauskreis. Sodann aber auch, indem man bereit ist, biblisch nicht geforderte Äußerlichkeiten und Gewohnheiten in den Hintergrund zu stellen oder auch darauf zu verzichten. Auch das sich Hineindenken in die Lebenssituation der Interessierten ist wichtig, damit man sie bei dem Wachsen im Glauben unterstützen kann. Erfreulicherweise intakte Ehen und Familien von Christen sollten dabei gewinnend und wärmend und nicht abstoßend („den Level erreiche ich nie“) wirken, gerade weil Jungbekehrte oft ganz andere Verhältnisse kennen. Die Apostelgeschichte liefert in dieser Frage des Gewinnens zahlreiche Beispiele, vgl. auch 1. Thessalonicher 5,14.
3. die „gemeindefrage“
Du schreibst von der Frage nach dem „wirklichen Gottesdienst“. Einen Unbekehrten dürfte diese Frage eher weniger beschäftigen, obwohl auch ihm mit wenigen Worten seine Fragen dazu beantwortet werden sollten. Ein gläubiger, suchender Mensch kann dagegen sehr wohl nach und nach auch über die „Gemeindefrage“ Orientierung erhalten, zum Beispiel durch einen Bibelkurs oder durch ein kurzes Buch, besonders aber durch glaubhafte Praxis von gottesfürchtigen Christen. Das setzt Weisheit und Takt bei ihnen und gegenseitige Bereitschaft zur Überprüfung und zum Lernen voraus. Da kann es durchaus sein, dass jemand – vielleicht nur eine Zeit lang – bewusst bestimmte Aspekte des gemeinsamen Christenlebens anders sehen will. Aber wir sollten Geduld haben, angesichts des großen Durcheinanders in der Christenheit. Außerdem sollten wir den „Fahrplan“ des Herrn mit dem Einzelnen beachten. Vielleicht benötigt jemand zum Beispiel erst einmal Festigkeit in Frage der Heilsgewissheit und lernt erst später mehr über das Zusammenkommen.
Gemeinsam dürfen wir auch in schwieriger Zeit mit manchen Defiziten im persönlichen und gemeinschaftlichen Bereich weiter oder neu „überströmend sein im Werk des Herrn“ (1. Kor 15,58) und auch Anhalten im Gebet „für alle Menschen“ (1. Tim 2,1).
Ich hoffe, dir mit diesen kurzen Denkanstößen ein wenig weitergeholfen zu haben und freue mich, wenn wir den Austausch über dieses Thema fortsetzen können.
Herzliche Grüße, dein Martin Schäfer
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