Jesus Christus
Meine Stunde - besondere Stunden des Herrn Jesus
Die Stunden am Kreuz
Bei den Zeitangaben in Verbindung mit der Kreuzigung des Herrn Jesus wird deutlich, dass es sich um Stunden handelt, wie wir sie in unserem täglichen Leben kennen. Die in diesem Zusammenhang genannten konkreten Zeitangaben „die dritte Stunde“ (Mk 15,25), „um die sechste Stunde“ (Lk 23,44), „um die neunte Stunde“ (Mt 27,46) beziehen sich auf eine ganz bestimmte Zeit im Ablauf der 24 Stunden eines Tages. Wenn wir den Ausdruck „um die dritte Stunde“ finden, will uns das sagen, dass dieser Zeitpunkt nicht genau auf die Minute angegeben ist. Wir müssen in großer Ehrfurcht vor diesen Ereignissen am Kreuz stehen, denn gerade in den drei Stunden der Finsternis litt der Herr Jesus wegen meiner bzw. unserer Sünden. In dieser Zeit musste der heilige Gott den Menschen Jesus, der ohne Sünde war, für die Sünde und die Sünden der Menschen richten. Er hat Ihn für drei Stunden verlassen. Dieses Gericht verbarg Er vor den Augen neugieriger Menschen durch Finsternis. Wir verstehen sicher, dass die drei Stunden auch eine weitergehende geistliche Bedeutung haben. Es handelt sich um ein vollkommenes göttliches Gericht, was durch die drei 1 Stunden ausgedrückt wird – einen Zeitraum, wo der Sohn des Menschen in Finsternisse und Tiefen gelegt wurde (Ps 88,7), wo alle Wogen und Wellen des Gerichts über Ihn hingegangen sind (Ps 42,8). Das sollte uns zutiefst beeindrucken.
Als der Herr Jesus zu Petrus im Garten Gethsemane sagte: „Also nicht eine Stunde vermochtet ihr mit mir zu wachen?“ (Mt 26,40), will Er damit vielleicht ausdrücken: „Nicht einmal 60 Minuten habt ihr in meinem Ringen Mitleid mit mir gehabt?“ Wie viele Minuten des Tages denke ich daran, wie sehr der Herr Jesus für mich gelitten hat? Redet der Vers aus Psalm 69,21 nicht auch zu uns: „Ich habe auf Mitleid gewartet, und da war keins“?
Seine Stunde der Verherrlichung vor der Welt (Joh 2)
Als der Herr Jesus sein erstes Zeichen in Kana in Galiläa tat, hatte seine Mutter Ihm die Mitteilung gemacht, dass der Wein ausgegangen sei. Bei dieser Gelegenheit gab Er ihr zur Antwort: „Was habe ich mit dir zu schaffen, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen“ (V. 4). Dabei handelt es sich nicht um eine der oben beschriebenen Stunden. Hier redet der Herr Jesus nämlich von der Zeit, in dem seine Herrlichkeit vor der Welt offenbar werden soll. Das war bei dieser Gelegenheit noch nicht der Fall. Er war von Anfang an der Verworfene. Alle Zeichen und Wunder führten bei der Mehrheit des Volkes nicht zur Anerkennung seiner göttlichen Person. Im Gegenteil, sie verunehrten Ihn und würden ihn später sogar „erhöhen“. Erst wenn Er in Macht und Herrlichkeit mit seinen Erlösten auf der Erde erscheinen wird, wird sein Volk und die ganze Welt den Herrn der Herrlichkeit erkennen und anerkennen.
Die Stunde des Retters und die Stunde des Richters (Joh 5)
Zum zweiten Mal hören wir von einer solchen Stunde nach der Heilung des Gelähmten am Teich Bethesda in Jerusalem. Hier wird die Ablehnung des Herrn Jesus ganz deutlich, da man ihn sogar töten wollte. Der Herr erklärt den Juden an dieser Stelle, dass Gott seinem Sohn die Macht gibt, die geistlich Toten (vgl. Eph 2,1) zu rufen und dass die, die die Stimme des Sohnes Gottes hören, leben werden. Hier geht es um die Zeit, in der der Sohn Gottes seine Gnade offenbart. Jeder, der die Worte des Herrn Jesus annimmt und an Ihn glaubt, ist aus dem Tod in das Leben übergegangen (V. 24). Und das ganz allein aus Gnade.
Im gleichen Kapitel finden wir eine weitere Stunde (V. 28). Sie steht in enger Verbindung mit der vorigen. Diejenigen, die in den Gräbern sind, hören seine Stimme. Es sind auch Tote, aber im Gegensatz zu den vorher erwähnten geistlich Toten, handelt es sich nun um solche, die eines natürlichen Todes gestorben sind. Dabei gibt es zwei Gruppen: Die erste Gruppe umfasst alle Menschen, die im Glauben an Gott gestorben sind oder noch sterben werden. Sie werden entweder beim Kommen des Herrn Jesus zur Entrückung der Gläubigen auferstehen (1. Thes 4,14) oder aber zu Beginn des Friedensreiches (Off 20,4c). Die zweite Gruppe besteht aus allen übrigen Toten, die am Ende der Zeit (also mindestens 1000 Jahre später!) zum Gericht vor dem großen weißen Thron auferweckt und dann direkt in den Feuersee geworfen werden (Off 20,12.13). Diese „Stunde“ besteht somit aus zwei Phasen: zuerst die Auferstehung des Lebens, dann die Auferstehung des Gerichts. In diesem Zusammenhang wird die Macht des Herrn Jesus besonders deutlich: Wenn der Sohn Gottes ruft, vermag nichts die Gestorbenen zurückzuhalten, um welche Gruppe es sich auch handelt.
Die Stunde der Leiden – von Seiten der Menschen und von Gott
Von der Stunde der Leiden von Seiten der Menschen und Gottes wird uns in verschiedenen Evangelien berichtet. Johannes beschreibt sie als „seine Stunde“ (Kap. 7,30; 8,20). Es handelt sich um die Zeit, in der die Menschen, seine eigenen Geschöpfe, Hand an Ihn legen würden, um Ihn zu schlagen, zu beschimpfen und schließlich sogar zu kreuzigen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sie versucht, Ihn in Nazareth den Berg hinunter zu stoßen (Lk 4,29) und in der Folgezeit Ihn mehrfach zu greifen; weil aber seine Stunde noch nicht gekommen war, konnten sie Ihn nicht festhalten. Er ging durch ihre Mitte hinweg (Lk 4,30).
Als dann aber seine Stunde der Leiden von Seiten der Menschen (Joh 7,30; 8,20) gekommen war, begab Er sich freiwillig in die Hände seiner Feinde. In Lukas 22,53 sagt der Herr zu den Menschen, die Ihn verhafteten: „Dies ist eure Stunde und die Gewalt der Finsternis“. Seine Stunde der Leiden war zugleich ihre Stunde der Bosheit. So stehen diese beiden Bezeichnungen in engem Zusammenhang.
Es standen allerdings nicht nur die Leiden von Seiten der Menschen vor seinem Herzen, sondern auch und besonders das Gericht Gottes über unsere Sünden. Alle unsere Sünden würden am Kreuz auf Ihn gelegt werden. Und nicht nur das – Er sollte auch zur Sünde gemacht werden. Der heilige Gott würde die in uns wohnende Sünde, unsere alte Natur, auch Fleisch genannt, an seinem Leib verurteilen (Rö 8,3). Da finden wir Ihn im Garten Gethsemane dreimal im ringenden Gebet zu seinem Vater. Er flehte darum, dass doch diese Stunde an Ihm vorübergehen möge (Mk 14,35). Sein Schweiß wurde wie große Blutstropfen auf Grund des heftigen Ringens (Lk 22,44). Für Ihn, der keine Sünde kannte, war es eine unbeschreiblich große Not, dass Er jetzt zur Sünde gemacht werden sollte. Doch Er legte es in die Hände seines Vaters und fügte sich seinem Willen. „Mein Vater, wenn dieser Kelch nicht vorübergehen kann, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille“(Mt 26,42). Gerade zu diesem Zweck, für diese Stunde, war Er ja gekommen – und ging willig in das Gericht Gottes (Joh 12,27; 18,11). Ehre sei seinem Namen für diese Liebestat!
Die Stunde der Herrlichkeit des Sohnes des Menschen (Joh 12,23)
Einige Griechen waren mit dem Wunsch, Jesus zu sehen, zu Philippus gekommen. Dieser geht gemeinsam mit Andreas zu dem Herrn, um Ihm dieses Anliegen vorzutragen. Er gibt ihnen die Antwort: „Die Stunde ist gekommen, dass der Sohn des Menschen verherrlicht werde.“ Jetzt geht es nicht um sein Erscheinen in Macht und Herrlichkeit im 1000-jährigen Reich. Das machen uns die folgenden Worte ganz deutlich: Hier spricht Er davon, dass das Weizenkorn in die Erde fällt und stirbt. Dieses Sterben am Kreuz auf Golgatha würde die Grundlage der Errettung legen, auch für Griechen. Durch dieses Sterben würde sich für viele Menschen der Weg zum Leben öffnen. Außerdem ist die moralische Herrlichkeit des Sohnes des Menschen durch diese freiwillige Erniedrigung bis zum Tod am Kreuz in einer Weise deutlich geworden, wie sie größer nicht hätte sein können. So wird Er als der erhöhte „Sohn des Menschen“ (V. 32-34) das Zentrum der Gnade für alle Menschen, egal welcher Herkunft.
Stunde seiner Rückkehr in das Vaterhaus (Joh 13,1, Joh 17,1)
Der Herr Jesus wusste, dass die Zeit seines Dienstes nun ihrem Ende entgegen ging. Der Augenblick seiner Leiden und seines Todes lag unmittelbar vor Ihm. Aber Er sah über Tod und Grab hinaus auf die Stunde, in der Er die Welt verlassen und zu dem Vater zurückkehren würde (Joh 13,1). Er war während seines ganzen Lebens auf der Erde in untrennbarer Gemeinschaft mit seinem Vater. Johannes beschreibt diese innige Gemeinschaft mit den Worten: „der eingeborene Sohn, der im Schoß des Vaters ist“ (Joh 1,18). Jetzt aber freute Er sich auf die Herrlichkeit, die Ihn im Vaterhaus erwartete. In seinem Gebet zum Vater in Kapitel 17 bringt Er direkt zu Beginn diesen Wunsch vor seinen Vater: „Verherrliche deinen Sohn“ (V. 1). Er würde als Mensch die Herrlichkeit empfangen, die Er von Ewigkeit her als Gott, der Sohn, besaß (Vers 5).
Diese wunderbare Ehrenstellung hat Er sich erworben, indem Er seinen Gott und Vater durch sein Leben und Sterben verherrlicht hat (Vers 4).
Gott allein kann die Größe dieser Hingabe und den Wert dieses Opfers in vollem Umfang erfassen und würdigen. Aber auch wir möchten Ihn dafür preisen. Der Herr Jesus freut sich darüber und fordert uns sogar auf, an Ihn zu denken (1. Kor 11,24) – nicht nur in der Stunde des Brotbrechens.
Es lohnt sich, über die „Stunden“ im Leben des Herrn Jesus nachzudenken; es wird dauerhafte Auswirkungen auf unser Leben und auf unsere treue Nachfolge haben: „Wer mich isst, der wird auch leben meinetwegen“ (Joh 6,57).
Rainer Möckel
1 Die Zahl drei ist die Zahl des dreieinen Gottes (Vater – Sohn – Heiliger Geist). Sie weist somit auf etwas Göttliches und Vollkommenes hin.
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