Bibelstudium

Elihu - ein junger Mann mit schwerer Botschaft (Teil 2)

Folge 2: Elihus Botschaft Balsam im Leid

Im ersten Teil über Elihu und seine Botschaft wurde ein kurzer Überblick über das Buch Hiob und über Lektionen aus dem selten gelesenen Buch Hiob gegeben. Sieben Punkte zeigten sodann Elihus innere Voraussetzungen für seinen Dienst mit den Anwendungen für uns heute. Was hatte Elihu nun damals Hiob und seinen Freunden zu sagen, und was können wir aus seinen Reden heute lernen? Das soll Thema des zweiten Teils über Elihu und seinen Dienst sein.

Einstieg ins Thema gewinnen statt verprellen

In sehr einfühlsamer Weise stellt sich Elihu zunächst einmal mit Hiob als Geschöpf Gottes auf dieselbe Stufe und will außerdem seine Worte ohne Druck wirken lassen (Hiob 33,6.7) – beide Aspekte sind auch heute wesentliche Voraussetzungen im Umgang unter Christen. Elihu greift sehr weise auf Äußerungen Hiobs zurück und beantwortet diese nach seinem Verständnis, das ihm der Geist Gottes gegeben hat:

  1. Aussage Hiobs (33,9–11): Ich bin tadellos, aber Gott hält mich für seinen Feind.
  2. Aussage Hiobs (34,5–9): Ich bin gerecht, aber Gott hat mir sein Recht entzogen. Deshalb lohnt es sich nicht, die Gemeinschaft mit Gott zu suchen.
  3. Aussage Hiobs (35,2.3): Meine Gerechtigkeit ist größer als diejenige Gottes – aber sie nützt mir nichts.

Auch dieses Vorgehen Elihus ist hilfreich, denn mit dem Zitieren des Gegenübers schlägt man eine Brücke zu diesem. Man muss dazu aber vorher auch gut zugehört haben …

Erste Botschaft: Gott handelt als der große Erzieher (Kap. 33)

Auf die erste Behauptung Hiobs antwortet Elihu nachdrücklich, dass Hiob falsch liegt. Es steht uns nicht zu, Gottes Wege zu ergründen und daraus gar eine Feindschaft Gottes ableiten zu wollen. Aber die oft unergründlichen Wege Gottes haben doch ein Ziel: Er redet durch sein Handeln auf zweierlei Weise zu den Menschen. Beide Erziehungsmethoden sollen dazu dienen, den Menschen vor einem verkehrten Weg zurückzuhalten und ihn zur Umkehr zu bringen.

  • Er öffnet das Ohr des Menschen und besiegelt die Unterweisung (33,15–18).

Lassen wir uns heute durch das Wort Gottes zurechtweisen und unterweisen (2. Tim 3,16), und sind wir bereit, Korrekturen durch Mitgläubige anzunehmen (1. Thes 5,14; Tit 3,10)? Andererseits: Besitzen wir die notwendige Gütigkeit und Erkenntnis, um zur gegenseitigen Ermahnung befähigt zu sein (Röm 15,14)? Dann sind gute Voraussetzungen für Vorbeugung und Heilung gegeben.

  • Er schickt Leid und Schmerzen in unser Leben (33,19–22).

In persönlicher Not schmilzt oft jede Hoffnung und eigene Weisheit dahin (Ps 107,26.27). Doch jeder Gläubige darf wissen, dass der Herr uns aus Liebe in seine manchmal harte Schule nimmt: „Wen der Herr liebt, den züchtigt er, und zwar wie ein Vater den Sohn, an dem er Wohlgefallen hat“ (Spr 3,12; vgl. Off. 3,19) 1 . Manchmal erdulden wir auch Schmerzen, weil wir meinten, Ihm aus der Schule laufen zu können und dem Bösen nacheilen zu sollen (Ps 16,4; 32,3.4). Schließlich kann es sein, dass wir das Böse in uns, die Sünde, „mit beständigem Kampf in“ unseren „Gebeinen“ (Vers 19) abzuschütteln suchen (Röm 7,23.24). In allen Fällen ist das bedingungslose Übergeben des eigenen Willens in Gottes Willen die „Lösung“ des jeweiligen Problems.

a) Hilfe leisten und annehmen!

Doch bis zu dieser Lösung ist es manchmal ein weiter Weg, auf dem wir Hilfe benötigen, einen vom Herrn „Gesandten“ (Vers 23), so wie es Elihu war. Auch Christen werden zur Unterstützung „erkrankter“ Mitgeschwister aufgefordert (Gal 6,1–3; Jak 5,15.16; 1. Thes 5,14). Lassen wir uns noch senden zur gegenseitigen Fußwaschung (Joh 13,12–20)? Haben wir einen Blick für Gläubige in Not, oder lassen wir sie ins Geschoss rennen (Vers 18; 36,12; vgl. Spr 24,11)? Wenn wir selbst „unten“ sind: Sind wir bereit, Hilfe anzunehmen, oder weigern wir uns, getröstet zu werden (Ps 77,3)? Das sind Fragen, denen wir uns stellen müssen.

b) Tätigkeiten des „Gesandten“

Genau wie Elihu damals in der Kraft des Geistes ein „Gesandter“ für Hiob war und damit auch im Geist des einzigartigen Gesandten vom Vater, des Herrn Jesus selbst, handelte, dürfen wir auch heute einander helfen. Was gibt es für Möglichkeiten? Einige werden in dem Bibeltext erwähnt:

  • Hinführen des Betroffenen zu Sündenerkenntnis und Selbstgericht (Vers 23);
  • Erbarmen (siehe den Hilferuf Hiobs in Kap. 19,21!) und Gebet (Vers 24a);
  • Hinweis auf das Sühnungswerk Christi, grundsätzlich, aber auch besonders bei Sünden von Gläubigen (1. Joh 2,2; 4,10).

c) Folgen der „Genesung“

Wer so durch die Erziehung Gottes und die Mitwirkung eines Gesandten zur Umkehr gelangt, erfährt wunderbare Auswirkungen:

  1. Neues, geistliches Leben, „frischer als in der Jugend“ (Vers 25) 2 ;
  2. Authentische Gemeinschaft mit Gott im Gebet („flehen“) und in Anbetung (Vers 26);
  3. Gerechtes Leben vor den Menschen (Vers 26c);
  4. Zeugnis der Umkehr vor den Menschen (Vers 27.28).

Lohnt es sich daher nicht, aufeinander zu achten zur Anreizung zur Liebe und zu guten Werken (Heb 10,24)?!

Zweite Botschaft: Gott handelt nicht ungerecht (Kap. 34)

Hiob hatte behauptet, es lohne sich nicht, „Wohlgefallen an Gott“ (34,9) zu haben, da Gott die Gerechten nicht „gerecht“ behandelt. Auf diese Aussage antwortet Elihu:

  • Gott handelt nicht gottlos und beugt nicht das Recht (Vers 12);
  • Sein Interesse am Menschen zeigt sich in seiner täglich wirksamen Schöpferkraft (Vers 13–15);
  • Er ist im Gegenteil zu Hiobs Behauptung sogar „der Allgerechte“ (Vers 17), der nicht lange braucht, um jeden Menschen ins Gericht zu bringen (Vers 23);
  • Zugleich hört Er auf das Schreien der Elenden und schafft Ruhe, die niemand beeinträchtigen kann – Es lohnt sich sehr wohl, gerne mit Gott zu verkehren (Vers 28.29);
  • Niemand kann von Gott Vergeltung nach eigenen, persönlichen Maßstäben fordern – es wäre ein Reden „nach Frevlerart“ (Vers 33–37).

Vielleicht verstehen wir Gottes Handeln nicht und beginnen, mit Ihm zu hadern oder gar an seiner Gerechtigkeit zu zweifeln. Dann können wir uns fest an die Aussagen der Bibel klammern, dass Gott „gerecht und gerade“ ist, dass „alle seine Wege recht“ sind (5. Mo 32,4) – und dass Er uns „mit ewiger Liebe“ (Jer 31,3), „bis ans Ende“ liebt (Joh 13,1).

Dritte Botschaft: Gott hat Mitgefühl mit dem Gerechten (Kap. 35)

Hiobs dritte von Elihu zitierte Behauptung lautete, dass er gerechter sei als Gott und dass er genauso gut gegen Ihn sündigen könnte, weil ihm dieses Gerechtsein nichts nützt. Elihus Antwort ist kurz, aber treffend:

  • Gott wird durch Hiobs Sündigen nicht in seiner Existenz oder Souveränität angegriffen (Vers 6.7);
  • Wenn es hart auf hart kommt, schreit man zu Gott um Hilfe, aber man erkennt Ihn nicht als den Schöpfer an, von dem jedes Geschöpf abhängig ist; auf solche Bitten antwortet Gott daher nicht (Vers 9–13);
  • Wer jedoch in demütiger Haltung seine eigene Rechtssache Ihm übergibt und auf Ihn harrt, darf erleben, dass Gott sogar in der Nacht der Leiden Lobgesänge schenkt (Verse 14 und 10).

Paulus und Silas haben – nach einiger Zeit der ergebenen Stille vor Gott – im finsteren Kerker in Philippi tatsächlich Gott loben können (Apg 16,25). Sie wussten um das liebende, mitfühlende Interesse ihres Herrn an ihrer Situation, das Er auch heute noch jedem Notleidenden gegenüber hat: „In all ihrer Bedrängnis war er bedrängt“ (Jes 63,9).

Vierte Botschaft: Gott handelt vorbeugend und mit Ziel (Kap. 36,1-21)

Noch einmal wirbt Elihu mit teilnehmenden Worten bei Hiob um Einsicht für die Tatsache, dass Gottes züchtigendes Handeln immer ein gutes Ziel hat: Umkehr zu Ihm. „Wenn sie hören und sich unterwerfen, so werden sie ihre Tage im Wohlergehen verbringen und ihre Jahre in Annehmlichkeiten“ (Vers 11).
Anders als die Freunde Hiobs betreibt Elihu nicht vernichtende Ursachenforschung („Warum“?), sondern weist auf die guten Absichten Gottes („Wozu“?) hin. Das ist ein wesentlicher Fortschritt im Nachdenken über eigenes oder fremdes Leid – die Freunde Hiobs hatten das allenfalls im Ansatz (Kap. 5,17.18) bedacht. Alle Gläubigen befinden sich in irgendeiner Weise in der Schule Gottes und sollten die richtige Haltung dazu einnehmen:

  • Wir sollten Gottes Handeln nicht gering achten, es aussitzen wollen (Heb 12,5);
  • Sein Wirken soll aber auch nicht zum Anlass genommen werden, aufzugeben oder zu ermatten (Heb 12,5b);
  • stattdessen dürfen sich Christen im Bewusstsein der Liebe des Vaters und der eigenen Hilflosigkeit Ihm unterwerfen und für Ihn leben (Heb 12,8).

Übrigens: Beten wir für alle Christen in Not, zum Beispiel für Gefangene „als Mitgefangene“, fühlen wir mit und eifern wir so auch dem Herrn in seinem „innigen Mitgefühl“ nach?

Fünfte Botschaft: Gott ist in seinem Handeln unerreichbar und zugleich wunderbar (Kap 36,22–37,24)

Das Wesen des Allmächtigen zu ergründen (Kap. 11,7) ist für uns kleine Menschen schlicht unmöglich. Elihu greift diesen wesentlichen Aspekt in seinen Schlussworten auf, die wir im „Originalton“ auf uns einwirken lassen wollen:

  • „wer hat ihm seinen Weg vorgeschrieben?“ (36,23);
  • „Gott ist zu erhaben für unsere Erkenntnis“ (36,26);
  • „Er tut große Dinge, die wir nicht begreifen“ (37,5);
  • „den Allmächtigen, den erreichen wir nicht“ (37,23).

Aussagen dieser Tiefe führen uns zu ehrfürchtigem Staunen und dazu, eigene Ideen und Antworten zurückzusetzen. Doch zugleich halten wir mit Elihu an Ihm als dem „Wunderbaren“ (Jes 9,5) fest:

  • „Gott donnert wunderbar mit seiner Stimme“ (37,5);
  • „stehe und betrachte die Wunder Gottes“ (37,14);
  • „Verstehst du dich … auf die Wundertaten des an Wissen Vollkommenen?“ (37,16).

Mit Hinweisen dieser Art und Anspielungen auf die Schöpferherrlichkeit Gottes beendet Elihu seine Reden und ist damit einerseits

Wegbereiter für Gottes eigenes Reden. Andererseits hat er sich als treuer Gesandter erwiesen, der als wahrer Freund „zu aller Zeit“ liebt, wenn er auch hier und da – treu gemeint – Wunden aufdecken oder gar schlagen musste (Spr 17,17; 27,6).

Der Herr Jesus will auch heute helfen, Schwierigkeiten oder Prüfungen mit Ihm zu durchleben. Gleichzeitig ruft Er uns zur gegenseitigen Hilfeleistung auf. Dazu dürfen wir uns Elihu in seiner inneren Zubereitung (Kap 32) und in seinem Reden unter Gottes Leitung (Kap. 33–37) zum Vorbild nehmen.

Martin Schäfer

 Fußnoten

1 Der Gedanke der Zucht eines Gläubigen in der Schule Gottes wird auch, vielleicht sogar stärker, in Hiob 36 thematisiert.

2 Die Elberfelder Übersetzung (Edition CSV Hückeswagen) gibt als weitere Übersetzungsmöglichkeit sogar an: „Strotzend vor Jugendfrische“. 


Singen im Buch Hiob

Auch wenn Gottes Wort das Singen und Loben besonders mit der Erlösung des Volkes vorstellt (2. Mo 15), fällt auf, dass Menschen schon seit frühester Zeit Gott besungen haben. Das ist ein schöner Kontrast zu den weltlichen Liedern und der entsprechenden Musik bei Lamech und seinen Zeitgenossen (1. Mo 4,21.23.24)! Die Textstellen in den Reden Elihus zeigen auch eine Steigerung der Inhalte der gesungenen Lieder – erst die Erlösung, dann die Hilfe Gottes, schließlich Anbetung Gottes selbst:

  • Hiob 33,27: Singen vor den Menschen zum Lob der Erlösung;
  • Hiob 35,10: Gesänge in der Nacht im Bewusstsein der Nähe Gottes;
  • Hiob 36,24: Erheben des Handelns Gottes in Lob und Anbetung.

Auch das Jauchzen der Söhne Gottes (Engel) bei der Schöpfung wird als Jubeln oder Singen (so z.B. die frz. Übersetzung von J.N. Darby) bezeichnet (Hiob 38,7)