Und er tat seinen Mund nicht auf!

Und er tat seinen Mund nicht auf!

Tagelang war der äthiopische Finanzminister unterwegs gewesen. Er kam nicht allein, sondern - wie es damals und heute üblich ist - mit einer Reisegesellschaft. Sein Ziel war sicher, in Jerusalem anzubeten. Das war damals eine sehr beschwerliche Reise.

Eine gewaltige Reise

Heute fliegt man in ca. 3 Stunden von Addis Abeba in Äthiopien nach Tel Aviv in Israel. Dann fährt man noch ein paar Stunden im Auto, bis man in Jerusalem ankommt. Aber versetzen wir uns einmal zurück in die Zeit vor 2000 Jahren. Da reiste dieser Mensch tage- oder gar wochenlang durch trockene, heiße Wüstengbiete mit dem Wunsch, den wahren Gott im religiösen Zentrum der Juden zu begegnen. Er suchte Frieden und Freude für sein Herz, aber er fand es nicht in Jerusalem. Bis heute ist keine Religion dieser Welt in der Lage, Frieden und Freude für das Herz hervorzubringen. So fuhr dieser Mann wieder nach Hause. Glücklich jedoch war er nicht geworden.

Und doch hatte er etwas mitgenommen aus dieser Stadt Jerusalem: eine Schriftrolle. Diese wollte Gott dazu benutzen, ihm wahres Glück zu schenken. Gott schaut auf alle Menschen und sieht, wenn einer auf der Suche nach dem Sinn des Lebens ist - letztlich war es Gott selbst, der dieses Suchen bewirkt hat. Er hat Mittel und Wege, suchenden Menschen zu helfen. „Sucht, und ihr werdet finden", so sagte der Herr Jesus (Mt 7,7). Er steht zu seinem Wort. Dieses Wort benutzt Er, um Menschen zu bekehren und ihnen Heilsgewissheit zu schenken.

Gottes Wirken mit dem Finanzminister Äthiopiens

Gott führte diesen Finanzbeamten dazu, im Propheten Jesaja zu lesen, und zwar die Stelle, die so deutlich von unserem geliebten Herrn spricht, der still und stumm seinen Weg nach Golgatha ging. Genau in diesem Moment ist Philippus, ein Bote Gottes, zur Stelle, der dem Kämmerer alles erklärt und ihm das Evangelium von Jesus verkündet. Das war offenbar so eindrücklich, dass sich dieser Mann bekehrt. Dort auf der öden Straße nach Gaza, findet er wahres Glück. Er versteht, dass die Strafe auch zu seinem Frieden auf Christus lag, als Er am Kreuz von Gott gestraft wurde.

Diese Erkenntnis machte den Kämmerer glücklich. Sofort wollte er Konsequenzen ziehen und auch vor seiner Reisegesellschaft bekennen, dass Jesus jetzt sein Herr geworden war. Daher ließ er sich taufen und bekannte: „Ich bin jetzt ein Christ, ich gehöre jetzt auch zu diesem Mann aus Nazareth, dem verachteten Christus, ich habe Ihn in mein Herz aufgenommen, Er ist jetzt mein Heiland und Herr. Von nun an will ich meinen Weg mit Jesus gehen" - und er zog seinen Weg mit Freuden.

Wie war noch die Stelle, die er gerade gelesen hatte? „Er wurde wie ein Schaf zur Schlachtung geführt, und wie ein Schaf stumm ist vor seinem Scherer, so tut er seinen Mund nicht auf" (Apg 8,32, Zitat aus Jes 53,7). Die Stelle geht noch weiter, aber allein diese Aussage ist schon beeindruckend. Hunderte Jahre im Voraus hatte der Prophet Jesaja dies auf den Herrn Jesus hin geweissagt. Nun war es vor einiger Zeit buchstäblich eingetreten. „Er tat seinen Mund nicht auf."

Predigen ohne Worte?

Stimmt doch gar nicht, sagst du jetzt vielleicht. Wie oft hat der Herr gepredigt, wie oft hat Er zu den Jüngern gesprochen, seine Freunde unterwiesen. Lag nicht Maria von Bethanien zu seinen Füßen? Hat der Herr da nicht auch gesprochen? Alles richtig, aber wenn wir diesen Ausdruck betrachten, dann geht es um etwas ganz anderes. Natürlich hat Er auch gepredigt und unterwiesen, wenn man allein an die gewaltige „Bergpredigt" denkt.

Der Geist Gottes, durch den Jesaja angeleitet wurde, diese Worte aufzuschreiben, spricht hier aber weniger von dem Dienst des Herrn an den Menschen mit Worten und Werken, als von den letzten Stunden, als der Herr Jesus zum Kreuz geführt wurde. Da finden wir seine vollkommene Hingabe für seinen Gott und den vollkommenen Gehorsam unter den Willen des Vaters. Dass Er seinen Mund nicht auftat, bezieht sich nicht auf Worte des Evangeliums, sondern Worte der Verteidigung und des Widerstands. Er war bereit zu schweigen, auch wenn Er zu Unrecht verklagt wurde. Daher lesen wir mehrere Male: „Und er antwortete ihm auch nicht auf ein einziges Wort..." (z.B. Mt 27,14). Die Aufgabe des Herrn war es, ans Kreuz zu gehen, um für mich und dich zu sterben. Dafür war Er bereit, still zu sein.

Anbetungswürdiger Herr! Dafür bist Du auf diese Erde gekommen und hast Dich für mich dahingegeben in Tod und Gericht, hast die Strafe zu meinem Frieden auf Dich genommen, bist an meiner Stelle von Gott gerichtet worden.

Das vollkommene Vorbild unseres Herrn in seinen Leiden

Unser Herr hat nicht gegen den Willen Gottes aufbegehrt, Er hat nicht rebelliert oder geschrien in den Straßen. Den glimmenden Docht hat er nicht ausgelöscht und das zerknickte Rohr nicht abgebrochen (vgl. Jes 42,2.3). Wenn es darum ging, das Erlösungswerk zu vollbringen, dann war sein Angesicht fest wie ein Kieselstein, und Er wusste, dass Er nicht würde beschämt werden.

Dann litt Er still und stumm. Kein Wort der Klage, der Anklage, nein, nachdem Er gefangen genommen wurde, ist es gerade diese Schönheit seiner Person, die besonders ans Licht tritt. Er sprach, wenn es galt, die Ehre Gottes zu verteidigen, wenn es galt, Menschen wie den reumütigen Gekreuzigten zu ermuntern, aber Er schwieg, wenn es um Anklagen gegen seine Person ging. Er war der „Knecht, den ich stütze, mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat" (Jes 42,1).

  • Da kamen falsche Zeugen, sie klagten ihn an, brachten vieles gegen Ihn vor - auf die Frage des Hohenpriesters lesen wir: Jesus aber schwieg (Mt 26,63) und antwortete nichts (Mk 14,61).
  • Dann wurde Er vor den Statthalter Pilatus geführt und dort von den Hohenpriestern und Ältesten angeklagt - Er aber antwortete nichts (Mt 27,12).
  • Pilatus war dies sicherlich unheimlich. Er sprach den Herrn direkt an - der Herr antwortete ihm auch nicht auf ein einziges Wort, so dass sich der Statthalter sehr verwunderte (Mt 27,14 und Mk 15,5).
  • Pilatus brachte den Herrn dann zu dem König Herodes, der in seiner Neugierde gern etwas von Ihm hören oder sehen wollte, am liebsten irgend ein Zeichen. Nein, wieder suchte der Herr nicht seine eigene Ehre - Er aber antwortete ihm nichts (Lk 23,9).
  • Ein letztes Mal finden wir dann den Herrn, gekrönt mit einer Dornenkrone und ein Purpurgewand tragend, allem Spott, Hohn und der Lästerung der Menschenmenge ausgesetzt, verurteilt von der Menge („Kreuzige ihn, kreuzige ihn!"). Er steht Pilatus gegenüber. Pilatus, aufgewühlt und unruhig, fängt wieder an, den Herrn zu fragen - Jesus aber gab ihm keine Antwort (Joh 19,9).

Man kann vielleicht sieben Beispiele zählen, dass das Wort des Propheten Jesaja, das dem Kämmerer aus Äthiopien den Weg zum ewigen Heil wies, aus dem Mund des Herrn bestätigt wurde - nicht, indem Er etwas sagte, sondern indem Er schwieg.

Welch einen Herrn haben wir, der bereit war zu schweigen, um alttestamentliche Weissagungen zu erfüllen, um den Willen seines Gottes und Vaters auszuführen und letztlich um uns zu erretten.