Bibelstudium
Chistus vor Augen - Teil 9 - Kolosser 1
In der letzten Folge über Kolosser 1 haben wir uns bereits einige der persönlichen Herrlichkeiten anschauen dürfen, von denen der Apostel Paulus gegenüber den Kolossern spricht: Der Herr Jesus ist das Bild des unsichtbaren Gottes und der Erstgeborene aller Schöpfung. In dieser abschließenden Folge dürfen wir den Herrn Jesus anbetend als den Schöpfer, das Haupt des Leibes und den Versöhner bewundern. Er ist Der, in dem die ganze Fülle der Gottheit wohnte und wohnt. – Zur weiteren Hilfe beim Studium dieses wunderbaren Briefes des Neuen Testaments verweisen wir noch auf die Buchbesprechung auf Seite 24 dieses Heftes.
Verse 16.17: Der Schöpfer
In Vers 16 lesen wir: „Denn durch ihn sind alle Dinge geschaffen worden.“ Im griechischen Text werden in den beiden Versen 16 und 17 im Blick auf den Schöpfer und seine Schöpfung drei Präpositionen (Verhältniswörter) gebraucht. Die erste ist „en“ = „in, in der Kraft von“. Wir erfahren hier also, dass alle Dinge vermöge der Kraft seiner Person geschaffen worden sind. Historisch führt uns das direkt zum ersten Vers der Bibel.
Nicht nur die niedrigen, sichtbaren Dinge sind durch den Sohn Gottes geschaffen worden, sondern auch die höchsten, unsichtbaren Dinge in den Himmeln, es seien Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Gewalten. Alles ist das Werk seiner Hände. Von den Dingen in den Himmeln wissen wir wenig, aber auch dort gibt es nichts, was seine Existenz nicht Ihm, dem ewigen „Wort“, verdankt (Joh 1,3). Die verschiedenen Rangordnungen von Engeln wurden alle durch Den gemacht, den wir als unseren Erlöser und Herrn kennen. Doch welch ein Abstand zwischen Ihm und dem höchsten geschaffenen Wesen! Welch eine Sünde, irgendetwas oder irgendjemand an die Seite von Christus zu setzen! Und was die Hypothese der Entwicklung (Evolution) angeht, sie ist eine Erfindung des ungläubigen Menschen.
Am Ende von Vers 16 finden wir dann noch zwei weitere Präpositionen: „Alle Dinge sind durch ihn und für ihn geschaffen.“ „Durch“ (gr. diá) gibt das Mittel, das Werkzeug an. Mit aller Ehrfurcht können wir sagen, dass Christus das „Werkzeug“ zur Erschaffung alles Bestehenden war. Damit in Übereinstimmung wird in Hebräer 1 von Gott und dem Sohn gesagt: „… durch (diá) den er auch die Welten gemacht hat“ (Vers 2).
Aber nicht nur das. Es gibt überhaupt nichts in der Schöpfung, was nicht auch für (gr. eis) Christus gemacht worden ist. Er ist der eigentliche Ursprung und auch das Endziel von allem. Welch ein wunderbares Licht wirft das auf die Schöpfung selbst und auf ihre Bestimmung! Es gibt nichts im Universum Gottes, was nicht für Ihn gemacht worden ist. Diese ganze Schöpfung hat Christus zum Ziel. Ich las vor einiger Zeit, dass von dem Erforschbaren in der Schöpfung nicht einmal ein Millionstel bis heute erforscht sei. Wer weiß schon, wo die Welt aufhört? Allein wenn man bedenkt, wie schnell unser Sonnensystem durch das Weltall rast! Wo geht das Weltall hin? Wo hört es auf? Das sind faszinierende Fragen, die uns nicht unbedingt beschäftigen müssen. Es zeigt nur: Die sichtbare Schöpfung beinhaltet für den Menschen zahllose Geheimnisse.
Vers 17 zeigt uns noch eine weitere große Wahrheit im Blick auf Christus als Schöpfer: Er hat nicht nur eine ewige Existenz vor allen Dingen, sondern Er ist auch der Aufrechterhalter der ganzen Schöpfung, so dass das Universum Gottes kraft seiner Person (gr. en) besteht und zusammengehalten wird. Die Menschen mögen Ihn verachten, aber ohne Ihn würde alles ins Chaos stürzen.
Viermal lesen wir in diesen beiden Versen von „allen Dingen“. Alle Dinge sind durch Ihn geschaffen. Alle Dinge sind für Ihn geschaffen. Er ist vor allen Dingen. Alle Dinge bestehen durch Ihn. Welch eine anbetungswürdige Person ist der Herr Jesus, unser Heiland!
Vers 18: Das Haupt des Leibes
Der Herr Jesus besitzt als Mensch Würden, die Er vor seiner Menschwerdung und seinem Tod nicht hatte. Die Herrlichkeit, Haupt des Leibes zu sein, besaß Er nicht vor seinem Tod. Er hat sie sich durch seinen Tod erwerben müssen. Gott selbst hat sie Ihm verliehen, nachdem Er gestorben, auferstanden und verherrlicht worden ist sowie den Heiligen Geist auf diese Erde gesandt hat.
Diese Herrlichkeit muss unser Herz berühren, denn sie setzt voraus, dass der ewige Sohn als Mensch in den Machtbereich Satans und des Todes hinabstieg. Nicht, dass Christus unter die Macht des Todes kam! Aber Er musste sterben, um dem die Macht zu nehmen, der die Macht des Todes besaß, dem Teufel.
Hier geht es um den Anfang einer ganz neuen Sache, einer neuen Ordnung der Dinge – des höchsten Werkes der neuen Schöpfung: den Anfang der Versammlung. Damit befinden wir uns in der Auferstehungswelt des Herrn Jesus, der neuen Schöpfung. Nicht als der Erstgeborene aller Schöpfung, nicht als Der, der in dieser Welt geboren wurde, sondern als der aus den Toten Auferstandene ist Er der Anfang dieser neuen Sache, die im AT nicht nur nicht offenbart war, sondern die es einfach noch nicht gab. Von Ihm als dem Haupt des Leibes, der Versammlung, und von unserer Verbindung mit Ihm und untereinander kann erst die Rede sein, seitdem Er aus den Toten auferstanden ist und seinen Platz im Himmel eingenommen hat.
Als Haupt nimmt Er eine leitende und führende Funktion für den Leib, die Versammlung, ein. Gott wollte dem Herrn Jesus nicht nur den ersten Platz in der ersten Schöpfung geben. Als Mensch sollte Er auch in der neuen Schöpfung, in der Auferstehungswelt in allem den Vorrang haben. Er ist der Erstgeborene aus den Toten.
Vers 19: Die ganze Fülle wohnt in Christus
Der 19. Vers stellt uns die gewaltige Wahrheit vor, dass die ganze Fülle der Gottheit (Kap. 2,9), das heißt Gott, der Vater, und Gott, der Sohn, und Gott, der Heilige Geist in dem Mensch gewordenen Christus wohnt. Ja, es war das Wohlgefallen der ganzen Fülle, in dem Menschen Jesus Christus zu wohnen, beständig zu wohnen (das bedeutet der griechische Ausdruck). Der Herr Jesus war als Mensch auf der Erde keine Teiloffenbarung Gottes – das hätte auch in einem anderen Menschen sein können –, sondern die ganze Gottheit hat sich in Ihm offenbart, um zu segnen und zu erlösen, zu unseren Gunsten.
Alles, was Er tat und redete, geschah in der Kraft des Heiligen Geistes (Mt 4,1; 12,28; Joh 3,34; Röm 1,4; Heb 9,14). Aber Er war auch gekommen, um den Vater, sein Herz und seinen Vorsatz, zu offenbaren (Joh 14,9), damit seines Vaters Werke durch Ihn sichtbar würden (Joh 14,10), um den Vater zu verherrlichen und sein Werk zu vollbringen (Joh 17,4). Aber auch der Vater seinerseits gab von dem Sohn Zeugnis (Mt 3,17; Joh 5,37). So erkennen wir mit Anbetung, dass alle drei Personen der Gottheit in Christus als einem Menschen auf der Erde ihre Offenbarung fanden.
Beachten wir: Es ist Christus als Mensch, von dem stets gesprochen wird. Sein Menschsein ist gleichsam das Gefäß, der Wohnort der Gottheit. Doch sollten wir, wenn wir von seiner Erniedrigung und seinem Menschsein sprechen, nicht für einen Augenblick die Herrlichkeit seiner Gottheit vergessen, die immer Sein war.
Vers 20: Der Versöhner
Außer dem in Vers 19 genannten gibt es noch einen zweiten Grund für die Unbestreitbarkeit seines Vorrangs. Oder wir können sagen: Das Wohlgefallen der ganzen Fülle erstreckte sich auch noch auf eine zweite Sache: durch Ihn alle Dinge mit sich zu versöhnen.
Durch den Eintritt der Sünde sind alle Dinge in Unordnung geraten (Röm 8,19 ff.), nicht nur auf der Erde, sondern in gewissem Maß auch in den Himmeln. Satan ist in den himmlischen Örtern und führt als „Gott dieses Zeitlaufs“ den Lauf dieser Welt. Es gibt im Himmel Fürstentümer, Autoritäten, Machtstrukturen. Die Schrift sagt nicht viel darüber. Im Propheten Daniel erhalten wir allerdings einen kleinen Einblick. In Daniel 10 ist die Rede von einem Fürsten, der für Israel steht (Michael, Vers 21), der mit dem Fürsten für Persien (Vers 13) im Kampf war. Was auf der Erde passierte, war der Ausfluss von dem, was sich im Himmel abspielte. Wir lernen aus dem Judasbrief, einem der zeitlich als letztes geschriebenen Bücher der Bibel, dass der Engel Michael mit Satan um den Leib Moses stritt. Judas spricht hier von einem Kampf im Himmel. Der Teufel wollte den Leib Moses wahrscheinlich zu einem Götzen machen. Um das zu verhindern, hat Gott selbst seinen Knecht begraben. Aber kann man das alles „Ordnung“ nennen, wenn der Engel drei Wochen aufgehalten wird? In unserem Vers in Kolosser 1 geht es um den Zustand der Dinge in den Himmeln und auf der Erde, nicht um Persönlichkeiten.
Aber hier wird ein wunderbarer Plan Gottes sichtbar: Die durch die Sünde entstandene Unordnung wird nicht für immer bleiben; alle Dinge (nicht alle Menschen!) sollen versöhnt werden. „Durch ihn“, wird hinzugefügt. Christus ist der Versöhner.
Was bedeutet Versöhnung?
„Versöhnung“ ist weder Sühnung noch Vergebung. Vergebung haben wir in Vers 14 vor uns gehabt. Sie wird uns durch die Liebe Gottes geschenkt. Vergebung ist, dass Gott mir meine Sünden nicht mehr zurechnet.
Sühnung ist, dass der Herr Jesus den Weg zu Gott durch sein einmaliges Opfer frei gemacht hat, so dass wir jedem Menschen in der Welt sagen können: „Komm zu Gott!“ Denn Christus hat diesen Weg gebahnt. Um Nutznießer dieser Sühnung zu werden, muss der Mensch vor Gott Buße tun.
Sühnung bedeutet auch, dass der Zorn Gottes (vgl. Joh 3,36; Eph 2,3) beschwichtigt ist. Die Majestät Gottes ist durch die Sünde beleidigt worden. Aber durch sein Werk auf Golgatha hat der Herr die Grundlage dafür gelegt, dass der Mensch nun zu Gott kommen kann. Doch nur für den, der diesen Weg in Buße über seinen Zustand und das Bekennen seiner Sünden auch wirklich geht, ist der Herr Jesus stellvertretend gestorben. Sühnung ist nicht Stellvertretung. Sühnung ist „für die ganze Welt“ geschehen (1. Joh 2,2). In diesem Sinn ist der Herr Jesus „für alle gestorben“ (2. Kor 5,14), gab Er sich selbst als „Lösegeld für alle“ (1.Tim 2,6). Aber wenn es um Stellvertretung und das Tragen von Sünden geht, hat Er nur die Sünden derer getragen, die an Ihn glauben würden: „unsere Sünden“ – „vieler Sünden“ (1. Pet 2,24; Heb 9,28; Jes 53,12). Was aber bedeutet Versöhnung? Zwei verfeindete Parteien, die sich auf einem unterschiedlichen Niveau befinden, zusammenführen auf die gleiche Höhe. Im Griechischen bezeichnete der Ausdruck ursprünglich das Wechseln einer Geldsumme. Wenn ich jemand 50 Euro gebe und sage: „Wechsle mir diese bitte“, dann bekomme ich wieder genauso viel heraus, wie ich ihm gegeben habe. In solch einem Fall bedeutet es also „austauschen, ausgleichen“. Hier geht es um Personen, ist das Ändern von Feindschaft zu Freundschaft gemeint. In diesem Sinn bedeutet Versöhnung, „alte Beziehungen wiederherstellen, in den ursprünglichen Zustand zurückbringen“. So wird zum Beispiel in 1. Korinther 7 der geschiedenen Frau gesagt, sie solle sich mit dem Mann „versöhnen“ (Vers 11). Die beste Umschreibung von „versöhnen“ ist nach meinem Dafürhalten dies: „wieder in Übereinstimmung bringen mit …“
Genau das war die Absicht der ganzen Fülle (der Gottheit, nämlich des Vaters, des Sohnes, und des Heiligen Geistes): die durch die Sünde in Unordnung geratene, befleckte Schöpfung wieder mit Sich in Übereinstimmung zu bringen. Die Grundlage dazu hat der Herr Jesus durch seinen Opfertod, durch das „Blut seines Kreuzes“ bereits gelegt. Was die erste Schöpfung betrifft, werden die Auswirkungen der Versöhnung erst noch sichtbar werden. Die „Wiederherstellung aller Dinge“ (Apg 3,21) ist noch zukünftig. „Alle Dinge“ bezieht sich in jedem Fall nicht auf Menschen oder gefallene Engel, sondern auf die nicht-intelligente Schöpfung. Alle Dinge – Strukturen, Machtverhältnisse – wird der Herr Jesus wieder ins Gleichgewicht bringen. Das wird der ewige Zustand sein. Dann sind die Dinge wieder in Harmonie mit Gott. Und so werden sie immer, immer bleiben.
Nachdem uns der Apostel einen Blick in die Zukunft gewährt hat, um den vollkommenen Triumph Gottes über Satan vorzustellen, zeigt er uns nun noch ein gegenwärtiges Ergebnis des Sieges des Herrn Jesus: die Versöhnung der Gläubigen, der Versammlung. Für alle die, die an Ihn glauben, ist sie ein erfüllter Tatbestand. Denn wir lesen in Vers 21: „Und euch, die ihr einst entfremdet und Feinde wart ..., hat er aber nun versöhnt.“ Gottes Wort lässt uns nicht in Unwissenheit darüber, in welch einem erbärmlichen Zustand wir einst waren: „entfremdet“ – „Feinde“ gekennzeichnet durch „böse Werke“. Wie passend und reif war jeder von uns für die Hölle! Doch jedes Kind Gottes kann heute schon sagen: Ich bin kein Feind Gottes mehr, sondern bin mit Ihm versöhnt und in Übereinstimmung gebracht worden. Die Beziehung, die schon immer im Herzen Gottes für uns war, ist hergestellt worden. Ewig sei Gott dafür gepriesen in dem Namen Dessen, der das dazu notwendige schwere Werk vollbracht hat!
Zusammenfassung
Wir haben im ersten Kapitel des Kolosserbriefes gesehen, auf welch kostbare Weise der Apostel Paulus die Herrlichkeiten der Person Christi entfaltet. Drei Schwerpunkte der Wahrheit stellt er vor. Dabei verfolgt er zwei Linien, die nebeneinander herlaufen: die Linie der ersten Schöpfung und die Linie der neuen Schöpfung (oder der Erlösung). Wir finden beide in jedem der drei Schwerpunkte wieder. Wenn wir auch den dritten Punkt, den des Dienstes, nicht mehr betrachten konnten, so möchte ich ihn der Vollständigkeit halber doch mit aufführen.
Folgendes Bild ergibt sich, und dies sind die Schwerpunkte:
- Christus – in zweifacher Hinsicht Haupt: Haupt der Schöpfung – Haupt der Versammlung.
- Eine zweifache Versöhnung: Versöhnung aller Dinge – Versöhnung der Gläubigen (der Versammlung).
- Ein zweifacher Dienst des Apostels Paulus: Diener des Evangeliums (gepredigt in der ganzen Schöpfung; Vers 23) – Diener der Versammlung (um jeden Menschen vollkommen in Christus darzustellen; Vers 28).
So haben wir zwei wunderbare Linien, die beide direkt in dem Herrn Jesus gipfeln. Von allem ist Er das Haupt. Er hat Vorrang vor allem und allen anderen. Ihm sei die Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit!
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