Aktuelles

Missionsarbeit im Kongo

Junge Menschen interessieren sich für Missionsarbeit. Was bedeutet das eigentlich konkret: Missionsarbeit? Welche Aufgaben übernimmt ein Missionar? Ist das auch heute noch eine Aufgabe, die man „anstreben“ kann? Wir haben Michael Hardt gebeten, über seine Arbeit in der Demokratischen Republik Kongo einen Bericht für junge Christen zu verfassen. Der Kongo ist nur eines der vielen Missionsländer. Aber es veranschaulicht die äußeren und inneren Umstände vieler Länder sehr gut.

Einerseits komme ich der Bitte, etwas über die Arbeit im Kongo zu schreiben, nur ungern nach. Ich habe nie dort gelebt und kenne das Land nur von Besuchen (bisher war ich sechsmal dort, jeweils für zwei bis drei Wochen). Andererseits ist es eine Freude, etwas davon zu berichten, wie die Menschen dort leben (oft bitterarm – und dennoch reich im Glauben), und davon, was der Herr dort getan hat und noch tut.

 

Das Land

1. Über welchen Kongo reden wir hier?

Richtig – es gibt zwei Länder, die Kongo heißen. Hier geht es um die „Demokratische Republik Kongo“ (die früher Zaire hieß, oder auch „Belgischer Kongo“). Der andere Kongo (Republik Kongo) ist kleiner und liegt direkt „daneben“. Also gut – westlich. Die beiden Hauptstädte (Kinshasa und Brazzaville) sind nur durch den Fluss Kongo getrennt.

 

2. Wie viele Menschen leben im Kongo?

Im Moment etwa 60 Millionen. Das sind eine ganze Menge, aber weniger als in Deutschland.

 

3. Und gibt es da wilde Tiere?

Durchaus. Aber Löwen und Elefanten bin ich dort noch nie begegnet. Man hat es eher mit Giftschlangen zu tun, und besonders mit Mäusen, die einem den Schlaf rauben können. Dazu kommen natürlich allerlei Insekten – reise nie ohne Moskitonetz!

 

4. Ist der Kongo so groß wie Deutschland?

Viel größer. Der Kongo ist mehr als 6,5 mal so groß wie Deutschland. Der Umfang bzw. die Landesgrenze ist über 10700 km lang (d.h. etwa 1⁄4 mal um den Erdball). Diese  gewaltigen Dimensionen haben auch Auswirkungen für die Arbeit in diesem Land, aber dazu später mehr.

 

5. Welche Sprache spricht man dort eigentlich?

Das kommt ganz darauf an, wer „man“ ist. Die offizielle Sprache ist französisch, aber das heißt längst nicht, dass alle französisch sprechen. Im Osten wird suaheli gesprochen, im Westen kikongo. In den Kasaiprovinzen Tshiluba und Otetela spricht man tschiluba und in der Gegend von Kinshasa schließlich lingala. Man schätzt, dass es im Kongo 221 Sprachen gibt. Natürlich hat auch das Auswirkungen für die geistliche Arbeit dort.

 

6. Warum sind die Menschen so arm?

Dumme Frage? Überhaupt nicht. Eigentlich ist das Land nämlich reich an Bodenschätzen, besonders Diamanten, aber auch Kupfer und Zink. Dasselbe gilt für Agrarprodukte wie Kaffee, Zucker, Palmöl, Maniok, Bananen, Mais, usw.

Dennoch ging es seit Mitte der 80er Jahre mit der Wirtschaft steil bergab. 1998 kam noch ein Bürgerkrieg dazu, dessen Ausmaße man kaum beschreiben kann. Zu den Spuren dieses Krieges gehört, dass es fast keine Straßen mehr gibt – und dass die staatliche Verschuldung enorm angestiegen ist.

 

7. War der Bürgerkrieg wirklich so schlimm – und ist er nun vorbei?

Er war schlimmer, als es sich ein Mensch vorstellen kann. Man schätzt die Anzahl der Toten auf 3,5 Millionen Menschen (das sind mehr als 10-mal so viele Opfer wie die des Tsunami Seebebens in allen Ländern zusammen genommen). Noch heute sterben etwa 1.000 Menschen pro Tag an den indirekten Folgen dieses Krieges (Hunger und Krankheit).

 

8. Wird das Leben nicht langsam einfacher (durch Technik, Straßen, etc.)?

Eigentlich kaum. Es gibt zwar inzwischen in vielen Städten und Dörfern ein Mobiltelefonnetz, aber daran, dass es in diesem riesigen Land weder ein Straßennetz noch einen funktionierenden Postdienst gibt, ändert das nichts.

 

9. Wie sieht es mit medizinischer Versorgung aus?

Kurz gesagt: schlimm. In den Städten gibt es zwar Krankenhäuser, aber man muss einen – wenn auch für uns geringen – Betrag bezahlen, um behandelt zu werden. Konkret kann das heißen, dass dein Bruder, deine Schwester, dein Vater oder deine Mutter stirbt, weil die Untersuchung im Krankenhaus 20 Dollar kostet.

Auf jeder Konferenz trifft man Gläubige, die krank sind, sich aber die notwendige Behandlung oder Operation nicht leisten können. Im Dezember wurde mir ein junger Mann gezeigt, vielleicht 16, der elend in einer Ecke saß. Er hatte eine Blinddarmentzündung – aber hatte die 0 Dollar nicht aufbringen können ... Als er den Betrag dann bekam, war er sehr dankbar. Jetzt brauchte er „nur“ noch drei Tagereisen weit zu laufen, um ein Krankenhaus zu erreichen ... Das ist nur ein Fall von vielen.

 

10. Und Schulen?

Schulen gibt es zwar, aber der Staat übernimmt praktisch keine Verantwortung mehr dafür. Wer eine Tafel auftreiben kann, und wenn möglich noch eine Art Haus, mit oder ohne Dach, kann eine Schule aufmachen. Kinder bringen dem Lehrer etwas mit (eine Möhre, oder einen Maiskolben, etc.).

 

Heute noch missionarische Arbeit?

11. Ist der Kongo heidnischer oder christlicher als Deutschland?

Der Kongo ist heute – für uns Deutsche ist das vielleicht erstaunlich – ein sehr christliches Land. Es gibt einerseits sehr viele wahre Gläubige und andererseits sehr viele Namenschristen, die an einem christlichen Bekenntnis festhalten. So begegnet man überall Zeichen christlichen Einflusses. Geschäfte tragen sehr häufig Namen biblischer Herkunft. So sieht man etwa neben einer Boutique „Gott ist gut“ den Frisörladen „Preist den Herrn“, usw. Wir lächeln vielleicht darüber, aber immerhin gibt es eine gewisse Gottesfurcht unter dem  Volk, die man in Europa im Allgemeinen nicht mehr kennt. Im Kongo lehnt man kein Traktat ab. Und wenn jemand mitten auf dem Marktplatz ein bekanntes Lied anstimmt, dann singen alle mit. Es ist einfach unglaublich. Sonntags, und auch während der Woche, hört man überall christliche Lieder, alle paar hundert Meter gibt es irgendeine Gruppe von Gläubigen.

Natürlich gibt es auch heidnische Einflüsse, die oft durch lange Tradition tief verwurzelt sind (und zuweilen mit christlichen Dingen vermischt werden).

 

12. Wozu dann heute noch Missionsarbeit?

Wenn dem so ist, wird mancher sagen, warum dann nicht lieber in Deutschland oder England evangelisieren? Ist es überhaupt noch nötig, „Missionsarbeit“ zu betreiben? Das kommt ganz darauf an, was man unter Missionsarbeit versteht. Es geht heute weniger darum, als Pioniere in den Dschungel vorzudringen und dort die Sprache der Eingeborenen zu lernen, um ihnen dann das Evangelium zu bringen (obwohl es immer noch Regionen gibt, wo das noch nötig ist). Aber es ist dringend nötig, die gesunde Lehre möglichst einfach und klar zu vermitteln.

Wie gesagt, Gläubige, Gemeinden, und christliche Lieder gibt es viele. Was man selten antrifft, ist ein gesundes und vollständiges Evangelium (inklusive Heilsgewissheit und Befreiung von der Macht der Sünde), und noch weniger ein gutes Verständnis der biblischen Lehre über die Versammlung (Gemeinde, Kirche) Gottes.

 

13. Können das nicht die einheimischen Geschwister tun?

Natürlich! In einem gewissen Maß ja. Wir sind dankbar, dass es im Kongo Brüder gibt, die eine evangelistische Gabe haben und sie auch einsetzen. Auch gibt es Brüder, die gute Belehrung geben in den Versammlungen. Aber das sind wenige – und es gibt über 120 Versammlungen, die besucht werden möchten. Dazu kommt, dass

  • während der letzten Jahre keine systematische Belehrung möglich war,
  • es praktisch keine belehrende Literatur gibt, und
  • die Brüder, die die Verantwortung tragen in den Versammlungen meistens 5 bis 35 Jahre alt sind (die Lebenserwartung ist nicht hoch: 49 Jahre – in Deutschland liegt sie bei 76 Jahren).

Vielleicht mal ein Beispiel dazu: In einer Versammlung, wo ich auf der Durchreise vorbeikam, baten die Geschwister um eine kleine Konferenz. Von den vorgeschlagenen Themen suchten sie sich „Das Passah“ aus. Also studierten wir 2. Mose 12. Aber fast niemand beteiligte sich. Wie entmutigend – dachte ich. Nachher, auf die Frage „Warum habt ihr denn nichts gesagt, und kaum Fragen gestellt?“ sagten sie: „Das Thema war so neu für uns. Wir hatten noch nie gehört, dass all diese Dinge eine symbolische Bedeutung haben und auf den Herrn Jesus hinweisen, aber auch helfen, etwas von den Gedanken Gottes über das Gedächtnismahl (1. Kor 11) zu verstehen. Es gibt hier auch keine Bücher dazu. Aber wenn wir nächstes Mal Konferenz haben, dann nehmen wir dasselbe Thema, und dann beteiligen wir uns auch“. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es in der Kisongi-Sprache nur das Neue Testament gibt.

Der Bedarf an direkter, einfacher Belehrung ist riesig, aber auch die Verbreitung von Bibeln, einfacher Literatur und logistischer Unterstützung ist nötig. Viele Versammlungen hätten keinen Raum, um sich zu versammeln, und praktisch niemand hätte die Mittel, um zu reisen und Versammlungen zu besuchen, wenn nicht etwas Hilfe aus dem Ausland gebracht würde.

 

14. Zerstören die ausländischen Missionare nicht die afrikanischen Gebräuche?

Missionare gehen nicht nach Afrika, um Afrikaner in Deutsche oder Europäer zu verwandeln (jedenfalls sollten sie das nicht tun). Es geht nicht darum, Sitten zu ändern, sondern die „gesunde Lehre“ zu bringen.

Einerseits mag es vorgekommen sein, dass Missionare über das Ziel hinausgeschossen sind und diese beiden Punkte nicht sauber  getrennt haben. Anderseits bedauert man es heute in unserer Gesellschaft, dass durch den Einfluss von Missionaren, wie man es sieht, wertvolle (heidnische) Kultur – und damit meint man Götzendienst und Okkultismus – zerstört wird. Es gibt im Westen sogar Bestrebungen, die alten heidnischen Gebräuche in Afrika wieder zu lehren ... Nun, dazu braucht man wohl nicht viel zu sagen. Nach diesem Argument hätte Paulus es bedauern müssen, dass die armen Thessalonicher ihres wertvollen Götzendienstes beraubt worden waren ... (1. Thes 1,9). Das Gegenteil tut er!

Aber es bleibt eine Herausforderung, immer wieder zu unterscheiden zwischen heidnischen Sitten, die christlichem Verhalten weichen müssen, einerseits, und Landessitten, die man bestehen lassen sollte, andererseits.

 

15. Kann man überhaupt in einem Land arbeiten, ohne dort zu wohnen?

Ja! Die Lehre, dass jeder nur in dem Land arbeiten darf, wo er gerade herstammt oder wohnt, ist der Bibel fremd. Aber es kommt natürlich darauf an, welche Arbeit man meint. Man kann, wie es in der Apostelgeschichte heißt, „Gegenden durchziehen“ und dort die „Brüder ermuntern“ und die „Versammlungen befestigen“ – eben  ohne dort zu wohnen. Für andere Arbeiten mag es sich anbieten, vor Ort zu wohnen. Paulus wohnte 3 Jahre in Ephesus und 18 Monate in Korinth, aber nur 7 Tage in Troas (Apg 20,6).

 

Inhalt der Arbeit

16. Welche Arbeiten werden denn nun konkret unternommen?

Die Palette ist weit gefächert. Im Moment besonders notwendig sind Seminare (d.h. Kleinkonferenzen), bei denen man sich mit den (jungen, s.o.) Brüdern trifft, die in ihren eigenen Versammlungen Belehrung geben. Das bedeutet praktisch oft, dass solche Brüder tage- oder auch wochenlang zu Fuß, mit dem Fahrrad oder oben auf Lkws durch den Dschungel reisen, um sich an einem gemeinsamen Ort zu treffen.

Außerdem müssen Versammlungen besucht werden, Bibeln müssen transportiert werden, auch Kalender und Liederbücher (das alles in mindestens fünf Sprachen), es wird Kinderarbeit betrieben, und Hirtendienst ist notwendig.

 

17. Gibt es gute Literatur?

Fast nicht. Im Bürgerkrieg wurde praktisch alles gestohlen (im Kongo kann man Bibeln und Betrachtungen immer leicht verkaufen) oder verbrannt.

In einer örtlichen Versammlung hatte niemand eine Bibel. Jede Woche kam ein Bruder mit dem Fahrrad. Er hatte eine Bibel. Wenn er da war, versammelte sich das ganze Dorf und er las vor. In anderen Versammlungen gibt es ein oder zwei Bibeln, die mit, sagen wir, Hesekiel anfangen und mit Sacharja aufhören.

Mittlerweile gibt es in der Hauptstadt Kinshasa ein kleines Depot mit Bibeln und Literatur. Aber der Weg von dort zu den Versammlungen im Dschun gel ist weit. Erst mit dem Flugzeug nach Mbuji Mayi, dann per Jeep oder Lastwagen tagelang durch den Schlamm. Und wenn man ankommt, hat man viel zu wenig.

Mal ganz konkret: Kürzlich konnten wir genug Literatur mitbringen, um jede Versammlung in der Gegend mit einer (!) französischen und einer (!) tschiluba Bibel zu versorgen. Dazu kamen einige Kalender und einige kleine Broschüren. Alles zusammengenommen macht ungefähr 10–15 cm auf einem Bücherregal aus (pro Versammlung). Dann bauen die Brüder einen kleinen Schrank aus Holz. Dort werden diese wenigen Hefte aufbewahrt. Die Geschwister dürfen sich dann der Reihe nach eins dieser Hefte ausleihen, sie lesen, und dann wieder zurückbringen.

 

18. Gibt es Zusammenkünfte und Konferenzen?

Es gibt über 120 Versammlungen, dazu viele Gruppen, die um Besuche bitten und Interesse für die Wahrheit der Bibel zeigen. Konferenzen gibt es, aber nur wenige. Man kann kaum beschreiben, wie Besucher in den Versammlungen bestürmt werden, zu einer Konferenz zu kommen. Die Erntefelder sind groß ...

 

19. Was sind die besonderen Probleme junger Menschen?

Zunächst das Überleben. Viele haben Hunger. Man kann es sich nur schwer vorstellen, aber die Frage, wo heute ein Stück Brot herkommen könnte (oder wenn heute nicht, dann hoffentlich morgen), ist immer in den Herzen.

Abgesehen davon, und von dem Problem, etwas zum Anziehen zu haben, gibt es viele andere Herausforderungen: Angehörige, die (jung) sterben, Krankheiten, usw. Es ist beeindruckend, dass viele junge Gläubige trotz allem so fröhlich sind. Wenn sie singen, dann singen sie mit ganzer Kraft und Stimme – und die Gesichter leuchten. Ob sie ihren Glauben mehr leben als wir?

Oft geht es auch darum, eine Art Schule oder Ausbildung zu finden, später einen (ehrlichen!) Broterwerb. Und dann, ach ja, die Heiratsgabe! Oft wollen junge Menschen heiraten, aber die Familie der Braut verlangt einen Brautpreis, der nicht bezahlbar ist.

 

Hindernisse

20. Was sind die Haupt-Herausforderungen für die Arbeit dort?

Zuerst das schiere Ausmaß: so viele Versammlungen, oft mit 100–300 Personen, dann die riesigen Entfernungen, fehlende Infrastruktur (keine Straßen). Dazu kommt eine so bittere Armut, dass man wirklich „Weisheit von oben“ braucht, damit den allerdringendsten Bedürfnissen begegnet werden kann und kein Neid entsteht, weil eben alle arm sind.

 

21. Zauberei – gibt es das wirklich noch?

Natürlich gibt es okkulte Mächte (auch in Deutschland). Aber in Afrika wird man manchmal sehr direkt damit konfrontiert.

Es gibt Fetischisten (Zauberer), die durch satanische Mächte in der Lage sind, Blitze zu steuern (ich sehe noch den verkohlten Baum hinter dem Haus eines Bruders, der durch einen solchen Blitz getötet werden sollte, vor mir). Die Brüder dort sagen, dass diese Blitze stärker sind als jeder Blitzableiter – aber nicht so stark wie Gebet. Solche Zauberer können auch Schlangen und Krankheiten schicken. Aber der Herr steht über allem.

 

22. Wofür können wir besonders beten?

Praktisch enthält jede der 21 Fragen und Antworten mindestens ein dringendes Gebetsanliegen – vielleicht willst du dir jetzt sofort einen Punkt aussuchen und dafür beten? Unsere Geschwister im Kongo werden es dir danken.