Versuchung für Christen

Versuchungen für Christen

Teil I: Versuchungen zum Guten – ertragen lernen

Unter Versuchungen verstehen wir in unserer Alltagssprache meistens, dass wir verführt werden, etwas an sich Verbotenes zu tun. Die Bibel dagegen benutzt dieses Wort nicht nur in dieser Bedeutung. Damit wir mehr ein Leben zur Ehre des Herrn leben und auch mit den Versuchungen – in welcher Bedeutung auch immer – fertig werden, wollen wir dieses Thema überdenken. Einige Texte aus dem Jakobusbrief sollen dabei als Leitfaden dienen.

Versuchungen von oben – Gott erprobt unseren Glauben

„Haltet es für lauter Freude, meine Brüder, wenn ihr in mancherlei Versuchungen fallt, da ihr wisst, dass die Bewährung eures Glaubens Ausharren bewirkt“ (Jak 1,2.3). Warum musste gerade Christina an MS erkranken? Konnte Gott nicht verhindern, dass Michaels Vater arbeitslos wurde, so dass Michael trotz guter Noten kein Studium beginnen kann? Warum ändert der Herr trotz vieler Gebete nicht die schwierigen Verhältnisse zwischen den Geschwistern am Ort? Und wie soll man sich dann auch noch freuen, wie Jakobus uns auffordert? Jeder ist in irgendeiner Weise unter Druck, befindet sich in einer ihm unangenehmen Situation. Warum lässt Gott das alles zu? Einige Bibelstellen helfen uns, diese in der Tat schwierigen Probleme einmal aus Gottes Sicht zu sehen und – jedenfalls teilweise – zu verstehen.

Versuchung (griechisch peirasmos) bedeutet je nach dem Zusammenhang eine Prüfung bzw. Erprobung des Glaubens (1. Pet 4,12) oder eine Verlockung zur Sünde (1. Tim 6,9). Worterklärung zur Elberfelder Bibel 2003

Erprobungen sind nötig

Gott weiß in seiner Liebe zu uns genau, wie Er uns am besten zu seiner Ehre formen kann. Deshalb spricht Petrus davon, dass wir „jetzt, wenn es nötig ist, betrübt“ sind „durch mancherlei Versuchungen“ (1. Pet 1,6). Durch schwierige Lebensumstände lernen wir, nicht auf eigene Kraft zu vertrauen oder uns auf unsere vermeintliche Begabung und Rechtschaffenheit etwas einzubilden (Hiob!), ja, wir sollen davor bewahrt werden, auf uns selbst zu vertrauen und so die Nähe zu unserem Herrn und zu unserem Gott und Vater zu verlassen.

Erprobungen sind normal

Die Briefempfänger von Petrus’ erstem Brief wurden schlimm verfolgt; und das war für sie „zur Versuchung“ (1. Pet 4,12). Sie sollten sich dadurch aber nicht befremden lassen, „als begegne ihnen etwas Fremdes“ (oder: „Außergewöhnliches“). So dürfen auch wir lernen, dass jeder in der Schule Gottes seinen festen Platz hat und seinen Schulabschluss erst erreicht haben wird, wenn er bei Christus sein wird. Jemand hat es einmal so ausgedrückt: „Gott liebt es, wenn wir in einem solchen Zustand sind, dass Er uns prüfen kann“1.

Viele Christen leiden nach Gottes Willen, aber sie wissen, dass „denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken“ (Röm 8,28).

Erprobungen sind begrenzt

„Gott aber ist treu, der nicht zulassen wird, dass ihr über euer Vermögen versucht werdet, sondern mit der Versuchung auch den Ausgang schaffen wird, so dass ihr sie ertragen könnt“ (1. Kor 10,13). Hier lernen wir, dass Gott sowohl die Länge (vgl. „eine kleine Zeit“ in 1. Pet 1,6) als auch die Inten- sität unserer Prüfungen genau festgelegt hat. Ein erfahrener Christ schreibt dazu: „Schwere Prüfungen sind auch heute noch für einen Christen ebenso ehrenvoll wie damals für Abraham. Es mag solche geben, denen der Herr nur wenig auferlegt, weil sie glaubensschwach sind.“2 (Damit soll natürlich nicht unterstellt werden, dass ein Christ, der im Moment wenig „zu leiden“ hat, ein schwacher Christ ist.)

Erprobungen sollen weder unter- noch überschätzt werden

Manchmal geraten wir in Gefahr, ein Problem einfach „mit eiserner Miene“ auszusitzen, ohne daran zu denken, dass der Herr zu uns reden will: „Mein Sohn, achte nicht gering des Herrn Züchtigung“ (Heb 12,5). Dann dürfen wir den Herrn bitten, uns vor solch einem „Heldentum“ zu bewahren und uns neu die Bereitschaft zu schenken, uns von Ihm prägen zu lassen.

Wir sollen aber auch nicht die Flügel hängen lassen und aufgeben: „noch ermatte, wenn du von ihm gestraft wirst“ (Heb 12,5). Zu jeder Prüfung, die der Herr uns schickt, stellt Er auch die Kraft zum Tragen zur Verfügung – auch (oder gerade?) wenn wir manchmal zu Ihm rufen: „Ich kann nicht mehr!“ Seine Antwort an Paulus darf sich auch heute jeder Bedrängte zurufen lassen: „Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht“ (2. Kor 12,9). Wenn wir wissen, dass die Erprobung unseres Glaubens zu unserer inneren Festigung führt, dass wir dadurch Ausharren verwirklichen, dann können wir uns auch über eine Versuchung freuen. Nicht weil sie an sich schön ist (das ist sie überhaupt nicht), sondern weil das Ergebnis gut ist:

„Das Ausharren aber habe ein vollkom- menes Werk, damit ihr vollkommen und vollendet seid und in nichts Mangel habt“ (Jak 1,4).

Dann sind wir im Glauben gereift, ein wenig erwachsener geworden („vollkommen“ hat oft diese Bedeutung) und dürfen Ihm weiter vertrauen.

Lasst uns auch füreinander beten, wenn wir von schwierigen Verhältnissen bei Mitgeschwistern oder Freunden wissen (2. Kor 1,11).

Erprobungen nicht erbitten

Könnte es sein, dass wir uns so stark fühlen, dass wir einen Glaubenstest erwartungsfroh oder sogar siegessicher erbitten? Dass wir vielleicht um eine Herausforderung im persönlichen Leben bitten? Der Herr Jesus warnt uns deutlich vor einer solchen Haltung. Im sogenannten Vaterunser führt Er eine auch für uns wichtige Bitte auf:

„Und führe uns nicht in Versuchung, sondern errette uns von dem Bösen“ (Mt 6,13).

Es muss unser ständiges Gebet sein, dass der Vater uns vor allem Bösen in und um uns herum bewahrt. Und wir sollen uns auch nicht aus eigenem Antrieb von Ihm erproben lassen; wir sollten eher Angst vor unserem Versagen als Selbstvertrauen haben.

Im nächsten Heft: Versuchungen zum Bösen – Widerstehen und Überwinden

 

1 W.Kelly, Enduring temptation and entering into temptation, in The Bible Treasury N8, S. 204

2 W. Kelly, Was von Anfang war, Schwelm 1982, S. 423