Bibel praktisch
Das Miteinander der Versammlungen - Versammlung Gottes
In der letzten Ausgabe haben wir uns damit beschäftigt, dass der Heilige Geist die Einheit der Versammlung (Gemeinde, Kirche) bewirkt hat und in der Versammlung wirkt. Das tut er bis heute durch die Gaben, damit die Versammlung auferbaut wird; Er wirkt durch Brüder und Schwestern, damit die Versammlung Gottes auf der Erde auch zur Ehre Gottes ist. Nun wollen wir betrachten, welche Auswirkungen das Wirken des Geistes Gottes für das Verhältnis von Versammlungen untereinander hat. Das ist ein wichtiger Teil des Themas – denn nicht die weltweit existierende Versammlung kommt an einem Ort zusammen, sondern die Gläubigen kommen jeweils örtlich zusammen und stellen so die Versammlung Gottes an einem Ort dar.
Es gibt eine Menge praktischer Fragen bei diesem Thema, dem Miteinander von Versammlungen (Gemeinden, Kirchen). Hier eine kleine Kostprobe:
- Was haben Versammlungen an zwei verschiedenen Orten miteinander zu tun?
- Was passiert, wenn ein neues Zusammenkommen entsteht?
- Wie kann man wissen, ob eine Gruppe von Gläubigen „als Versammlung“ zusammenkommt oder nicht (gibt es so etwas wie eine „Anerkennung“, und wenn ja von wem?)?
- Tragen wir eine Verantwortung gegenüber Gläubigen, die sich in einer anderen Stadt versammeln?
Über solche Fragen ist viel nachgedacht, gesprochen und geschrieben worden. Leider entsteht dabei manchmal mehr Hitze als Licht. Aber das soll uns nicht davon abhalten, auch zu diesem Thema noch einmal die alte Frage zu stellen: Was sagt die Schrift (Röm 4,3; Gal 4,30)?
In unserer Themenreihe ist schon gezeigt worden, dass alle, die dem Evangelium geglaubt haben, zu einem Leib getauft worden sind (1. Kor 12,13) und damit zu der einen Versammlung Gottes gehören.
Die örtliche Versammlung und die weltweite Versammlung
Die Versammlung Gottes in einer Stadt, sagen wir Hamburg, umfasst alle Gläubigen, die an diesem Ort leben. Zugleich ist „die Versammlung Gottes in Hamburg“ ein Teil der „Versammlung Gottes“ auf der ganzen Erde. Die Versammlung Gottes in New York, oder wo auch immer, gehört zu derselben Versammlung Gottes. Damit ist schon klar, dass die „Versammlung Gottes in Hamburg“ nicht losgelöst, unabhängig von der „Versammlung Gottes in New York“ ist – beide sind Teil desselben Leibes, und Christus ist das Haupt.
Aber es gibt doch so viele Gemeinschaften in einer Stadt!
Nun wäre es biblisch, wenn sich alle Christen in einer Stadt auch nach den Grundsätzen der Bibel versammelten (entweder an einem Ort, oder, wenn das aus Platzgründen nicht möglich ist, in Übereinstimmung und Harmonie miteinander). Ganz am Anfang war das so. Heute sieht es leider anders aus. Man hat viele Versammlungen, Gemeinden, Kirchen, Gemeinschaften, usw. gegründet. Die Bibel kennt aber keine Mitglieder von Gemeinschaften, sondern nur Glieder des Leibes Christi. Was kann man da tun?
Der Glaube schaut eben nicht auf die vielen Systeme, die die Menschen geschaffen haben, sondern auf das, was Gott geschaffen hat: den einen Leib, die eine Versammlung. Und auf dieser Basis kommt man zusammen, nicht als „Mitglieder“, sondern als „Glieder des Leibes Christi“. Wenn das geschieht, und wenn diese Gläubigen die Autorität des Herrn anerkennen, sind sie ein „Ausdruck“, ein „Zeugnis“ von der Versammlung Gottes (ein „Leuchter“, Offenbarung 2 und 3).
Einheit bewahren, aber wie?
Es geht nicht darum, eine neue Einheit zu schaffen. Es geht vielmehr darum, das anzuerkennen, was Gott geschaffen hat: die Einheit des Leibes Christi. Aber es gibt doch etwas, wofür wir als Gläubige verantwortlich sind. Wir sollen die Einheit des Geistes bewahren (Eph 4,3) – die Einheit des Leibes bewahrt Gott, aber wir sollen das praktisch ausleben und in Gehorsam Gott gegenüber sowie in Gemeinschaft und Harmonie als Gläubige miteinander unseren Weg gehen. Ein Versprechen, dass das einfach sein wird, gibt uns die Bibel nicht. Im Gegenteil, dafür sind einige Eigenschaften oder christliche Tugenden nötig: Demut, Sanftmut, Langmut, einander ertragend in Liebe ... (Eph 4,2).
„... mit allen ... an jedem Ort ...“
Im ersten Brief an die Korinther (in dem es ja um das praktische Versammlungsleben geht) betont Paulus immer wieder das Miteinander der Versammlungen:
- „samt allen, die an jedem Ort den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen ...“ (1,2).
- „wie ich überall in jeder Versammlung lehre“ (4,17).
- „so ordne ich es in allen Versammlungen an“ (7,17).
- „... noch die Versammlungen Gottes“ (11,16).
- „Oder ist das Wort Gottes von euch ausgegangen? Oder ist es zu euch allein gelangt?“ (14,36).
„Ihr seid Christi Leib“
Die Korinther waren genau so belehrt und unterrichtet worden wie die anderen örtlichen Versammlungen, sie waren eben nicht „der Leib Christi“, sondern „Christi Leib“ (12,27). Das bedeutet:
- Sie waren ein Teil des Leibes Christi, und
- sie trugen die Charakterzüge des Leibes Christi.
Genauso könnte man zu einer Gruppe von Besuchern aus Amerika sagen: „Ihr seid Amerikaner“. Damit sind sie noch längst nicht die Amerikaner, alle Amerikaner. Sie sind ein Teil davon, und sie tragen deren Charakterzüge. Eigentlich sollte das ohnehin klar sein. Wie viele Körper gehören eigentlich zu einem Kopf? Wie viele Leiber gehören zu Christus, dem Haupt? Natürlich nur einer!
Gültig im Himmel
Damit ist auch klar, dass eine örtliche Versammlung stellvertretend für die ganze Versammlung Gottes handelt. Wenn beispielsweise die Versammlung in Hamburg einen Gläubigen aus der Gemeinschaft ausschließen muss, gilt das für jede andere Versammlung auf der ganzen Erde (Mt 18,18). Der Herr sagt sogar, dass es im Himmel gilt.
Wie kann das sein? Nur dadurch, dass der Herr Jesus selber der Mittelpunkt ist, dass die Aufmerksamkeit Ihm gilt, und dass seine Rechte respektiert werden.
Das Miteinander der „urchristlichen“ Versammlungen
Es ist interessant, dass man dieses Muster schon bei den Versammlungen findet, die in der Apostelgeschichte beschrieben werden. Dazu kurz drei Beispiele aus dem praktischen Miteinander der Gläubigen damals:
Beispiel 1: Samaria und Jerusalem
Durch eine Christenverfolgung in Jerusalem (Apg 8,1) waren viele Gläubige geflohen und waren so in den Gegenden von Judäa und Samaria zerstreut worden. Es ist schön zu sehen, dass sie sich gleich daran machten, dort, wo sie hinkamen, die gute Botschaft weiterzusagen. Die Frucht blieb nicht aus. Viele Menschen bekehrten sich.
Wie reagieren nun die Apostel, die noch in Jerusalem waren? Weisen sie darauf hin, dass sie ja schließlich in Jerusalem wohnten und daher nichts mit Samaria zu tun hätten? Keineswegs! „Als aber die Apostel in Jerusalem gehört hatten, dass Samaria das Wort Gottes angenommen habe, sandten sie Petrus und Johannes zu ihnen“ (V. 14).
Gott führt es sogar so, dass die Gläubigen in Samaria erst dann den Heiligen Geist empfingen, als Petrus und Johannes ankamen und ihnen die Hände auflegten. Gott machte auf diese Weise ganz klar, dass es nicht etwa eine „Samaritische Kirche“ gab, unabhängig von einer „Jerusalemer Kirche“, sondern nur eine Versammlung Gottes.
Beispiel 2: Antiochien und Jerusalem
Der Siegeszug des Evangeliums ging weiter. Zwar geschah dies nicht ohne Widerstand, es gab immer noch Verfolgung. Aber die Gläubigen erzählten in ihrer Umgebung vom Herrn, sowohl den Juden als auch den Griechen. Der Herr segnete ihre Arbeit. Viele bekehrten sich (Apg 11,19–21). Wieder stellt sich die Frage, wie die Versammlung in Jerusalem darauf reagierte. Von Desinteresse oder Unabhängigkeit keine Spur: „Die Kunde über sie kam aber zu den Ohren der Versammlung, die in Jerusalem war, und sie sandten Barnabas aus, dass er hindurchzöge bis nach Antiochien“ (V. 22).
Barnabas kommt an, sieht, was die Gnade Gottes in Antiochien bewirkt hat, kann sich darüber freuen, und ermahnt diese jungen Gläubigen, mit ganzem Herzensentschluss bei dem Herrn zu bleiben. Damit noch nicht genug. Als Nächstes sehen wir, dass Barnabas nach Tarsus geht, dort Saulus aufsucht, und auch ihn nach Antiochien bringt (V. 25.26). Drittens kommen Propheten von Jerusalem nach Antiochien und üben dort ihre Gabe aus – eine schöne Art, die Einheit des Leibes auszudrücken, denn Gaben sind ja für den ganzen Leib da (Eph 4,12). Viertens unterstützen die Gläubigen in Antiochien die Gläubigen in Judäa. Sie beschließen, den Gläubigen dort, die unter einer Hungersnot leiden, Hilfe zu senden, und tun es auch.
Beispiel 3: Eine schwierige Frage
In Apostelgeschichte 15 lesen wir, dass eine schwierige Frage aufkam. Einige kamen aus Judäa und behaupteten, dass man bestimmte Teile des Gesetzes Moses halten müsse, um errettet zu werden (sie betonten besonders die Beschneidung). Für die Juden, die Christen geworden waren, war es schwer zu verstehen, dass Gott (im Alten Testament) Anweisungen gegeben hatte, die jetzt nicht mehr gültig sein sollten. Dass es nicht einfach war, diese Frage zu lösen, merken wir sofort: Es entstand „ein nicht geringer Wortwechsel“.
Was sollte geschehen? Das einfachste wäre sicherlich gewesen, jedem seine „‚Freiheit“ zu lassen. Sollten doch die Gläubigen, die einen jüdischen Hintergrund hatten, die Sache für sich entscheiden, und die aus den Heiden nach ihrer Überzeugung handeln. Interessanterweise geschieht das aber nicht. Stattdessen gehen Paulus und Barnabas nach Jerusalem, der jüdischen Hochburg, um diese Frage gemeinsam mit den Ältesten und Aposteln dort zu besprechen. Es war nicht einfach. Wieder entsteht „‚viel Wortwechsel“ (V. 7), aber die Frage wird gemeinsam besprochen, entschieden, und zwar dort, wo das Problem seinen Ursprung hatte. Die Antwort wird dann den Gläubigen in anderen Gegenden mitgeteilt.
Drei Wege
Die verschiedenen Meinungen, die es zum Thema des Miteinanders von Versammlungen gibt, lassen sich in drei Gruppen einteilen. Der biblische Weg ist der Weg der Einheit (3. Spalte).
Es ist sicher am einfachsten, das zu tun, was einem gefällt. Etwas schwieriger, aber immer noch relativ einfach, ist der Weg des Zentralismus, man handelt nach Anweisung. Der biblische Weg der Einheit dagegen erfordert Abhängigkeit und viel Demut. Aber ist es nicht der Mühe wert?
Einwände und Antworten
„Im Neuen Testament sehen wir, dass Probleme immer lokal gelöst werden.“
Auch diese Behauptung hält einer biblischen Prüfung nicht stand. Man denke nur an die Beispiele aus Apostelgeschichte 8 und 11 und 15, die im Text besprochen worden sind und die von grundsätzlicher Bedeutung für die Versammlung Gottes waren.
„Wir dürfen uns kein Urteil darüber erlauben, ob sich eine Gruppe von Christen zum Namen des Herrn hin versammelt oder nicht. Das weiß nur der Herr.“
Diese Aussage hört sich zwar zunächst einmal gut an, ist aber bei genauerem Hinsehen nicht haltbar.
Nach Matthäus 18,18–20 sind die Beschlüsse einer Versammlung gültig, weil der Herr in der Mitte ist. Wir können und müssen diese Beschlüsse respektieren, wenn wir die Gewissheit haben, dass man sich an dem betreffenden Ort wirklich zum Namen des Herrn Jesus versammelt. Wenn wir davon nicht ausgingen, würden wir keine Gemeinschaft mit einer solchen Versammlung praktizieren.
Ob sich nun eine Gruppe von Christen zum Namen des Herrn hin versammelt, hängt davon ab, ob sie die Autorität des Herrn anerkennen, indem sie die biblischen Grundsätze praktizieren.
„Eine Versammlung kann man nicht unter Zucht stellen, sondern nur Einzelpersonen.“
Das ist richtig („tut den Bösen von euch hinaus“, 1. Korinther 5,13 etc.). Es kann aber auch sein, dass ein Zusammenkommen als solches den biblischen Weg verlässt und daher nicht mehr als Zusammenkommen zum Namen des Herrn hin anerkannt werden kann. Das heißt also nicht, dass man ein solches Zusammenkommen, eine solche Versammlung unter Zucht stellt, sondern dass man – wenn alles andere nicht hilft – die Gemeinschaft mit ihr aufgibt oder (wenn man dort wohnt) sich von ihr zurückzieht.
„Wenn man sich zum Namen des Herrn hin versammeln will, braucht man erst einmal eine Genehmigung.“
Davon lesen wir in Apostelgeschichte 11 nichts (und auch sonst nicht). Barnabas kam nicht von Jerusalem nach Antiochien, um eine Genehmigung zu erteilen. Allerdings lesen wir auch nicht von dem anderen Extrem: Die Gläubigen in Antiochien haben keineswegs den Besuch des Barnabas abgelehnt. Sie stellten sich nicht auf den Standpunkt, dass dies eine unerwünschte Einmischung sei.
Wenn Menschen sich bekehren und dann nach der Bibel versammeln möchten, werden sie den Wunsch haben, das in Gemeinschaft mit denen zu tun, die diesen Weg schon vor ihnen gefunden haben. So war es auch damals.
Es geht also nicht um eine „Genehmigung“, sondern um den aufrichtigen Wunsch, „zum Namen des Herrn hin versammelt“ zu sein, d.h. seine Rechte zur Leitung und in Bezug auf geziemendes Verhalten zu beachten. Das wird dann in der Praxis sichtbar.
„Aber haben wir denn das Recht, eine Versammlung ‚anzuerkennen‘ oder nicht?“
Das Wort Recht sollten wir hier gar nicht und das Wort Anerkennung sollten wir hier vorsichtig benutzen. „Erkennen“ wäre vielleicht besser. Wenn ein Freund auf mich zukommt, werde ich ihn an seinen Gesichtszügen usw. „erkennen“. Dadurch wird er nicht mein Freund, das war er vorher schon, aber nun habe ich ihn als solchen erkannt.
Es geht nämlich nicht darum, einen Status zu verleihen, sondern es geht darum, bei einer Gruppe von Gläubigen die „Züge“ zu erkennen, die zu einem Zusammenkommen zum Namen des Herrn hin gehören (dass seine Autorität geachtet wird, etc.). Wenn wir diese Züge nicht erkennen, können wir es nicht als Darstellung der Versammlung an dem betreffenden Ort (an-)erkennen.
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