Nachgedacht

Kritisieren - aber richtig - "Ein weiser Tadler und ein hörendes Ohr"

Auf den ersten Blick eine seltsame Überschrift, oder? Worum geht es? Dieser Artikel soll ein paar Gedankenanstöße zum Thema Kritik geben – über richtige und falsche Kritik. Denn auch dazu hat die Bibel uns etwas zu sagen.

Zwei Fragen stehen dabei im Vordergrund:

Frage 1:  Wie bringe ich Kritik richtig an?

Frage 2:  Wie nehme ich Kritik richtig auf?

Der weise Salomo gibt uns dazu den Leitvers – deshalb auch die seltsame Überschrift: „Ein goldener Ohrring und ein Halsgeschmeide von feinem Gold: So ist ein weiser Tadler für ein hörendes Ohr“ (Spr 25,12). Für Kritik könnten wir also auch Tadel sagen (im Sprachgebrauch des Neuen Testaments auch „Ermahnung“).

 

Der Wert richtiger Kritik

Ohne Kritik kann keine Gesellschaft vernünftig existieren und sich entwickeln. Besonders im Wirtschaftsleben hat man längst gemerkt, dass ein gutes Beschwerdemanagement nicht etwas Lästiges ist, sondern eine Chance, Dinge besser zu machen. Jeder Kunde, der sich beschwert, gibt einem Unternehmen wichtige Hinweise für vorhandenes Verbesserungspotential. Eine Beschwerde muss nicht unbedingt etwas Negatives sein. Nein, sie bietet die Möglichkeit, aus einem gemachten Fehler etwas Positives abzuleiten. Ob eine berechtigte Kritik, eine Reklamation aber für beide Seiten den gewünschten Erfolg hat, hängt stark davon ab, wie sie vorgebracht und wie sie aufgenommen wird.

Im Leben der Kinder Gottes ist das nicht anders. Niemand von uns ist fehlerfrei. Keiner lebt so, dass er nie Anlass zur Kritik geben würde. Trotzdem machen die meisten von uns um Kritik lieber einen Bogen. Richtig vorgebrachte Kritik hat aber einen hohen Wert. Salomo vergleicht sie mit feinem Gold – vorausgesetzt der Kritisierende (der „Tadler“) ist weise und der Kritisierte hat ein „hörendes“, d.h. aufnehmendes Ohr. Und genau da liegt im geschwisterlichen Miteinander oft der wunde Punkt.

 

So bitte nicht

Was sind eigentlich meine Motive, meinen Bruder oder meine Schwester zu kritisieren?

  • Will ich meinem Gegenüber eins auswischen? Hat mich mein Bruder oft geärgert und ich sehe jetzt endlich eine Möglichkeit, mich mal zu „revanchieren”? Solche Kritik wird kaum ankommen.
  • Will ich zeigen, wie toll ich bin? Soll meine Schwester durch meine Bemerkungen darauf aufmerksam gemacht werden, dass ich ja viel besser bin und es auch besser kann? Solche Kritik wird ihr Ziel auch kaum erreichen.
  • Will ich mit meiner Kritik andere darauf aufmerksam machen, dass er/sie einen Fehler gemacht hat? Soll mein Bruder in aller Öffentlichkeit bloß gestellt werden? Auch solche Kritik wird kaum auf fruchtbaren Boden fallen.

 

Überprüfen meiner Motive

Kritik richtig anzubringen, ist gar nicht so einfach. Als Erstes muss ich meine Motive überprüfen. Wenn die nicht in Ordnung sind (siehe oben), dann sollte ich das Kritisieren besser lassen. Hören wir mal, was die Bibel dazu sagt:

  • Meinem Bruder eins auswischen? „Rächt nicht euch selbst Geliebte” (Röm 12,19). Also Fehlanzeige!
  • Meiner Schwester zeigen, wie toll ich bin? „Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge heraus, und dann wirst du klar sehen, um den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen” (Mt 7,5). Also erst mal bei mir selbst anfangen!
  • Meinen Bruder öffentlich bloß stellen? „Wenn aber dein Bruder gegen dich sündigt, so geh hin, überführe ihn zwischen dir und ihm allein. Wenn er auf dich hört, hast du deinen Bruder gewonnen” (Mt 18,15). Also kein öffentliches Aufsehen erregen.

Nein, wer richtig kritisieren will, der sollte sich über seine Motive im Klaren sein. Kritik kann und darf nur dann angebracht werden, wenn ich meinem Bruder/meiner Schwester echt helfen will. Kritik hat dann die größten Chancen, auf fruchtbaren Boden zu fallen, wenn sie aus einem reinen, aufrichtigen und liebevollen Herzen kommt.

 

Kritik richtig anbringen

Paulus war ein Mann, der viel kritisiert hat. Überrascht? Lies mal die Briefe von Paulus. Dann wirst du merken, wie ein weiser Tadler vorgeht. Er haut nicht mit dem Hammer drauf und fällt auch nicht mit der Tür ins Haus. Ganz im Gegenteil: Er kommt in der Gesinnung des Herrn Jesus. In Liebe. In Sorgfalt. Aber doch deutlich und klar.

Wer ein „weiser Tadler“ sein möchte, wird

  • zuerst seinen Herrn im Gebet bitten, ihm die nötige Weisheit und die richtigen Worte zu geben.
  • immer versuchen, sich in die Situation des anderen zu versetzen. Er wird sich fragen, wie er selbst reagieren würde, wenn andere das tun, was er jetzt im Begriff steht, selbst zu tun.
  • zunächst das Positive beim anderen suchen und das auch im Gespräch erwähnen (Paulus hat in fast allen Briefen am Anfang gedankt und gelobt).
  • auch das Wort nicht vergessen: „Daher, meine geliebten Brüder, sei jeder schnell zum Hören, langsam zum Reden”.

Das hört sich alles ziemlich einfach an, aber die Praxis zeigt uns allen, wie viel Mühe wir damit haben (der Autor an erster Stelle). Ein Wort von Paulus darf uns aber Mut machen: „Ich bin aber auch selbst, meine Brüder, im Blick auf euch überzeugt, dass auch ihr selbst voll Gütigkeit seid, erfüllt mit aller Erkenntnis und fähig, auch einander zu ermahnen“ (Röm 15,14).

 

Kritik richtig aufnehmen

Jetzt geht es um das „hörende Ohr“. Kritik ist nun wirklich das Letzte, was wir gerne hören. „Wie kann der es wagen, mich so anzugreifen? Der spinnt ja wohl!“ – mögen wir denken oder sagen. Aber erinnern wir uns noch mal an das Beschwerdemanagement. Kritik ist eine Chance, Dinge besser zu machen. Oder sind wir etwa perfekt? Jeder weiß, dass er Schwächen hat – und doch haben wir es nicht gerne, wenn andere uns darauf aufmerksam machen.

Unsere typischen Reaktionen auf Kritik können z.B. so aussehen:

  • Wir empfinden die Kritik als unangemessen und wehren uns sofort, indem wir den Kritisierenden auf seine eigenen Fehler aufmerksam machen. Frei nach dem Motto: „Angriff ist die beste Verteidigung”.
  • Wir schweigen zu der Kritik und ziehen uns beleidigt und schmollend in unser Schneckenhaus zurück. Der Kritisierende kann uns erst mal „gestohlen” bleiben. Wir behandeln ihn wie Luft.
  • Wir nehmen die Kritik scheinbar an, nutzen aber jede Gelegenheit, uns bei Dritten über den Kritisierenden zu beschweren und ihn unmöglich zu machen. Diese Verhaltensweise ist übrigens der beste Nährboden für Streit und Gruppenbildung unter Kindern Gottes.

Typisch ist auch, die innere Haltung des „Tadlers“ erst mal zu hinterfragen. Wir unterstellen unlautere Motive, weil uns die kritischen Töne angreifen. Dabei sollten wir im Sinn der Bibel bei jeglicher Kritik zuerst mal davon ausgehen, dass sie in der richtigen Gesinnung vorgebracht wird und berechtigt ist. Und selbst, wenn das nicht der Fall ist, darf ich trotzdem die innere Größe haben, sie von Gott anzunehmen.

Hier nun einige Tipps, die uns weiterhelfen können, Kritik richtig aufzunehmen und ein „hörendes Ohr“ zu haben.

Ein „hörendes Ohr“ zu haben bedeutet:

  • die Kritik vom Herrn selbst annehmen. Er ist es schließlich, der auch das zu lässt
  • mit der vorgebrachten Kritik erst einmal ins Gebet gehen
  • Kritik nicht gleich als einen Angriff gegen die eigene Person auffassen
  • sich nicht sofort wehren oder beleidigt sein
  • auch offensichtlich unberechtigte Kritik einmal schweigend akzeptieren können
  • sich für Kritik bedanken (bei Gott und vielleicht sogar bei dem Bruder/der Schwester)

Auch hier gilt: Es ist leicht gesagt und geschrieben, aber schwer verwirklicht (der Autor wieder an erster Stelle). Trotzdem: Der Herr will uns helfen!

 

Gleichgesinnt sein

Zum richtigen Kritisieren gehören immer zwei: Der „weise Tadler“ und das „geöffnete Ohr“. Dazu passen zwei Ausdrücke aus dem Neuen Testament. Sie heißen: „gegenseitig“ und „einer den anderen“. Dazu folgende Bibelstellen zum weiteren Nachdenken über unser Thema:

  • „ ... nichts aus Streitsucht oder eitlem Ruhm tuend, sondern in der Demut einer den anderen höher achtend als sich selbst” (Phil 2,3).
  • „Deshalb ermuntert einander und erbaut einer den anderen, wie ihr auch tut” (1. Thes 5,11).
  • „ ... einander ertragend und euch gegenseitig vergebend, wenn einer Klage hat gegen den anderen; wie auch der Christus euch vergeben hat, so auch ihr” (Kol 3,13).
  • „Lasst das Wort des Christus reichlich in euch wohnen, indem ihr in aller Weisheit euch gegenseitig lehrt und ermahnt mit Psalmen, Lobliedern und geistlichen Liedern, Gott singend in euren Herzen in Gnade” (Kol 3,16).

Wenn wir in dieser Haltung miteinander umgehen, dann wird Kritik (oder Ermahnung) in der richtigen Weise vorgebracht und in der richtigen Weise aufgenommen werden. Die Folge ist, dass wir einander helfen und ergänzen, Streitigkeiten untereinander vermeiden und so viel mehr Zeit gewinnen, die wir im Dienst für den Herrn nutzbringend einsetzen können.