Bibelstudium

Die vier Evangelien - ein kurzer Vergleich - Bibelstudium

In aller Kürze haben wir in den vergangenen vier Folgen die vier Evangelien jeweils einzeln betrachtet. In jedem Evangelium wird der Herr Jesus auf einmalige und einzigartige Weise vorgestellt. Man könnte sich fragen, was uns fehlte, wenn jeweils eines der vier Evangelien nicht zu der Bibel gehören würde. Die Beantwortung dieser Frage überlassen wir dem Leser selbst. In dieser Folge wollen wir jedoch als eine Art Zusammenfassung in knapper Weise einige Aspekte der jeweiligen Evangelien miteinander vergleichen. Und zum Schluss soll anhand des einzigen Wunders, das in allen vier Evangelien zu finden ist, eine ganz konkrete Betrachtungshilfe der vier Evangelisten gegeben werden.

„Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise ehemals zu den Vätern geredet hat in den Propheten, hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet im Sohn“ (Heb 1,1). Der Heilige Geist hat uns nicht einfach ein einziges Evangelium hinterlassen, das uns den Herrn Jesus vorstellt. Er hat uns in seinem Wort vier Berichte über das Leben des Herrn aufschreiben lassen. Es gibt sonst keine einzige Lebensbeschreibung in der Bibel, die ebenfalls in vier verschiedenen Büchern zu finden wäre. Das Leben Hiskias, das uns relativ kurz in 2. Könige, in 2. Chronika und teilweise auch noch in dem Propheten Jesaja gezeigt wird, wird nur dreimal behandelt – und diese drei Lebensbeschreibungen sind nur ein ganz kleiner Teil dieser Bibelbücher. Die vier Evangelien haben dagegen keinen anderen „Hauptgegenstand“ als den Herrn Jesus. Wir können daraus lernen, dass unser Herr so einzigartig ist, dass niemand mit Ihm verglichen werden kann. Das wissen wir vielleicht schon. Aber diese Berichte bestätigen das noch einmal!

 

Die Darstellung des Herrn Jesus

Im Verlauf der Beschäftigung mit den vier Evangelien wurde deutlich, dass der Herr Jesus unter vier verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet wird:

  • Matthäus zeigt Ihn als den König Israels, der auf diese Erde kam, um das Volk zu Gott zurückzubringen und um als der verheißene und einzig gerechte König sein Reich in Besitz zu nehmen. Der König wurde jedoch abgelehnt, so dass Er sein Reich nicht in öffentlicher Weise aufrichtete. Nach seinem Tod am Kreuz ging der Herr Jesus wieder in den Himmel und regiert nun von dort aus in verborgener Weise im „Reich der Himmel“, bis Er als der Herr der Herren und König der Könige wieder auf diese Erde kommt, nachdem das Volk durch große Drangsalszeiten gegangen sein wird.
  • Markus zeigt uns den Herrn Jesus als den wahren Diener und Propheten. Er kam, um in seinem ganzen Leben Gott zu dienen und das zu tun, was Er Ihm aufgetragen hatte. Er war sogar in der schwersten Prüfung, als Er am Kreuz sterben sollte, bereit, treu zu bleiben. Und als Prophet sagte Er nur die Worte, die Gott Ihm aufgetragen hatte.  Weder sein Dienst noch seine Worte wurden angenommen. Vielmehr wurde Er verworfen, hinausgeworfen und getötet. Auf diese Verwerfung des Dieners hatte Gott eine Antwort: Er hat Ihn auferweckt und Ihm einen Platz im Himmel zur Rechten Gottes gegeben.
  • Lukas zeigt uns den Herrn Jesus als den vollkommenen Menschen. Alle Menschen hatten Gott verunehrt – angefangen bei Adam. Jetzt aber kam ein Mensch, der Gott in allem, was Er tat, verherrlichte. Es gab keinen Augenblick in seinem Leben, in dem Gott nicht Wohlgefallen an Ihm hatte. Das jedoch hielt die Menschen nicht davon ab, diesen Menschen abzulehnen. Sie waren neidisch auf seine Fähigkeiten, hassten Ihn für das, was in Wahrheit Hingabe für Gott und Abhängigkeit von Gott war. Daher töteten sie den einzig vollkommenen Menschen. Aber Gott ließ nicht zu, dass dieser vollkommene Mensch Verwesung sah. Daher erweckte Er Ihn auf und ließ nur diejenigen den auferstandenen Menschen sehen, die seine Seite wählten.
  • Johannes zeigt uns den Herrn Jesus als den Sohn des Vaters, den Sohn Gottes, der Mensch wurde. Hier sehen wir von Anfang an, dass sich das Wesen dieses Menschen grundlegend von dem aller anderen Menschen unterschied. Denn dieser Mensch, der auf der Erde lebte, war zugleich der ewige Sohn Gottes, der im Himmel thronte. In allem offenbarte Er Gott, den Vater. Wer Ihn sah, sah den Vater. Einen Menschen, der von sich sagte, dass Er Gott ist, wollten die Menschen nicht unter sich dulden. Denn dann hätten sie zugeben müssen, dass sie verkehrt lebten und Buße tun mussten. Daher brachten sie den Herrn Jesus ans Kreuz und ins Grab. Aber Er erstand kraft seines unauflöslichen Lebens wieder auf, um weitere Wunder zu wirken. Er ist derjenige, der von Ewigkeit zu Ewigkeit lebt.

 

Die Schreiber der Evangelien

Die unterschiedlichen Betrachtungsweisen der vier Evangelien passen auch zu ihren vier Schreibern. Die vier Evangelien wurden ja von vier verschiedenen Menschen – unter der Inspiration Gottes – geschrieben.

  • Matthäus war Zollbeamter (Mt 9,9- 13). Er unterstützte somit als Jude die Fremdherrschaft des Kaisers von Rom. Daher wurde er von seinen „Brüdern“, den Juden, als Verräter angesehen. Als an ihn jedoch der Ruf des Herrn Jesus erging, „Folge mir nach“, verließ er seinen alten Beruf und beschäftigte sich mit dem „wahren“ König oder Kaiser, den Gott ausersehen hatte: mit dem Herrn Jesus.
  • Markus hatte seinerzeit als Diener bei Paulus und Barnabas „angeheuert“ (Apg 13,5). Aus uns unbekannten Gründen gab er jedoch seinen Dienst sehr schnell wieder auf (Vers 13). Damit ist er ein untreuer Diener gewesen, der seinen Dienst nicht zu Ende geführt, sondern darin versagt hat. Gerade er durfte dann, nachdem er wiederhergestellt war und treu im Dienst für den Herrn und für den Apostel Paulus arbeitete (2. Tim 4,11), den vollkommenen Diener beschreiben, der nie aufgegeben hat, sondern selbst in der schwierigsten Prüfung ausgeharrt hat: den Herrn Jesus.
  • Lukas war Arzt (Kol 4,14). In diesem Beruf war er damit vertraut, Menschen zu untersuchen und zu behandeln. Er kannte sich also mit „den Menschen“ aus, vermutlich nicht nur, was körperliche Krankheiten, sondern auch was den seelischen Zustand betrifft. Denn damals gab es noch nicht die vielen Unterscheidungen auf medizinischem Gebiet, die heute existieren. Durch seinen Beruf war Lukas auch jemand, der genau beobachten konnte. Genau das finden wir in seinem Evangelium wieder. Er konnte – besser als jeder andere – von dem wahren Menschen, Jesus Christus schreiben. Und seine „Beobachtungen“ und Prüfungen der historischen Fakten sind so faszinierend genau, dass wir nur staunen können, wie Gott diesen Mann für diese großartige Aufgabe zubereitet hat.
  • Johannes war, wie auch andere Jünger (z.B. Petrus) ein Fischer. Als der Herr ihn berief, war er gerade dabei, die Netze zu flicken. Das finden wir geistlicherweise in seinem Evangelium wieder. Dieses verfasste er wesentlich später als die anderen Evangelisten. In jener Zeit waren schon manche Irrlehren über die Person des Herrn Jesus in Umlauf gebracht worden. Und jetzt hatte er die Aufgabe bekommen, diese eingerissenen „Löcher“ wieder zu flicken. Dazu musste er den Herrn Jesus als den ewigen Sohn beschreiben, der Mensch geworden war. Wer konnte das besser tun als jemand, von dem wir als einzigem Jünger lesen, dass er an der Brust Jesu lehnte (z.B. Joh 13,23). So wurde er zuweilen von anderen Jüngern gebeten, den Herrn nach bestimmten Einzelheiten zu befragen. Er kannte offenbar den Herrn Jesus besser als andere. Und er empfand die Liebe des Herrn zu ihm stärker als andere. So nennt er sich selber fünfmal den Jünger, den Jesus liebte. Deshalb konnte er über den Herrn in der Sichtweise schreiben, die für den Menschen an und für sich am weitesten entfernt ist, weil er sie nicht nachvollziehen kann: Jesus Christus, als der ewige Gott.

 

Eine „Aufteilung“ der Evangelien

Es gibt jedoch noch eine ganze Fülle an weiteren Unterschieden zwischen den einzelnen Schreibern und ihren Evangelien, die im Folgenden kurz gestreift werden sollen.

  • Zwei von ihnen waren Apostel – Matthäus und Johannes; zwei waren neutestamentliche Propheten – Markus und Lukas. Die ersten zwei waren somit Wegbegleiter Jesu, die beiden anderen wurden Zeugen, nachdem Christus verherrlicht worden war.
  • Zwei Schreiber – Markus und Johannes – haben ihre Berichte zum allergrößten Teil chronologisch geschrieben, die beiden anderen Evangelisten – Matthäus und Lukas – haben ihre Berichte deutlich stärker thematisch geordnet.
  • Zwei Schreiber behandeln mehr „Funktionen” des Herrn Jesus: Er war der König (Matthäus) sowie der Prophet und Diener (Markus). Die beiden anderen Evangelisten weisen auf die Wesensmerkmale des Herrn hin: Er war vollkommen Mensch (Lukas) und zugleich der ewige Gott (Johannes).
  • Zwei Schreiber setzen besondere Schwerpunkte bei den Reden des Herrn Jesus: Matthäus mit den fünf großen Reden und Johannes, der gerade in den Kapiteln 13-17 Worte des Herrn wiedergibt, die wir in keinem anderen Evangelium finden. Lukas und Markus zeigen uns dagegen in stärkerem Maß die Werke und Taten unseres Herrn.
  • Darüber hinaus nennen zwei Evangelisten in ihren ersten Kapiteln das Geschlechtsregister des Herrn Jesus (Matthäus, Lukas), die beiden anderen schweigen darüber.
  • Zwei Evangelisten lassen zudem die Erwähnung der Himmelfahrt des Herrn „aus” (Matthäus, Johannes), während die beiden anderen ausdrücklich darauf hinweisen.
  • Schließlich (und dies ist keine vollständige Aufzählung und Aufteilung) nennt man die Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas „synoptische“ Evangelien. Bei ihnen gibt es eine insgesamt sehr hohe Übereinstimmung der Inhalte und des Aufbaus (Synopse, griech. synopsis = Zusammenschau). Das Evangelium nach Johannes hat dagegen eine ganz andere Struktur. Offenbar unterscheidet sich der Zweck des letzten Evangeliums deutlich von dem der ersten drei. Johannes schrieb auch vermutlich über 20 Jahre später, nachdem alle anderen Evangelien bereits abgefasst waren.

 

Alttestamentliche, bildhafte Vergleiche

Die Evangelien zeigen den Herrn Jesus von vier verschiedenen Seiten. Solche „Vier-Teilungen“ finden wir in ähnlicher Weise auch im Alten Testament wieder.

  • Es gibt vier Tier-Opfer, die wir am Anfang von 3. Mose finden. Tatsächlich ist der Herr Jesus die Erfüllung des Brandopfers, das zum lieblichen Geruch des HERRN war (3. Mo 1,4.9.13.17). Es fällt nicht schwer, im Johannesevangelium diese Sichtweise zu erkennen, denn das Werk des Herrn Jesus ist ganz besonders zur Ehre Gottes gewesen. Er hat das vollbracht, was Gott Ihm gegeben hat (Joh 17,4) und Gott in allem verherrlicht (Joh 13,31). Das Friedensopfer ist das Opfer, an dem sowohl Gott als auch der Priester und der Opfernde Anteil hatten. Es ist ein Hinweis auf die Gemeinschaft, die wir aufgrund des Opfers Jesus mit Gott haben dürfen. Diese Seite finden wir ganz besonders im Lukasevangelium, wo der Herr Jesus wiederholt Tischgemeinschaft mit Menschen hat. Gerade, wenn man das letzte Kapitel dieses Buches anschaut, wird das sehr deutlich. Dann gab es das Sündopfer. Dies war kein freiwilliges Opfer, sondern es musste gebracht werden, wenn ein Mensch gesündigt hatte. Diese Seite zeigt uns Markus. Daher finden wir in diesem Evangelium auch die besondere Erwähnung der dreistündigen Finsternis und des Ausrufes des Herrn in den sühnenden Leiden für unsere Sünden: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mk 15,34).  Schließlich gibt es noch das Schuldopfer. Dieses ist sehr eng verwandt mit dem Sündopfer. Aber es zeigt, dass Sünde nicht nur im Widerspruch zu der heiligen Natur Gottes ist, sondern dazu führt, dass der Mensch schuldig wird. Auch dafür waren die sühnenden Leiden des Herrn nötig, die wir im Matthäusevangelium finden. Dort finden wir mehrfach die Erwähnung der Schuld (z.B. Mt 27,24-25), die bezahlt werden muss. Und Schuld muss auch vergeben werden. Diesen Gedanken finden wir in den Worten des Herrn bei der Einsetzung des Gedächtnismahles wieder: „Dies ist mein Blut, das des neuen Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden“ (Mt 26,28).
  • In der Stiftshütte waren es besonders vier Stoffe, die immer wieder eingesetzt wurden: blauer Purpur, roter Purpur, Karmesin und Byssus. Der blaue Purpur erinnert an die Farbe des Himmels und könnte daher ein Hinweis auf den vom Himmel gekommenen Sohn Gottes sein (Johannes). Der rote Purpur wurde besonders von Königen getragen. In der Bibel wird er besonders bei Herrschern erwähnt, die nicht zum Volk Israel gehörten (Dan 5,29; Est 1,6; Ri 8,26 etc.). Er könnte daher ein Hinweis auf den Sohn des Menschen sein, der über die ganze Erde herrschen wird – nicht allein über Israel (Lukas). Auch Karmesin war eine königliche Farbe, die wir bei den Königen in Israel immer wieder finden (Matthäus). Die weiße Farbe des Byssus ist ein Hinweis auf die Reinheit der Person des Herrn Jesus, die wir bei Markus zum Beispiel bei der Szene auf dem Berg der Verklärung (Kapitel 9) hervorgehoben finden.

 

Die Speisung der 5000 in den vier Evangelien

Zum Schluss soll noch auf das einzige Wunder eingegangen werden, das wir in allen vier Evangelien wiederfinden: Die Speisung der 5000. Es gibt einige grundsätzliche Aspekte, die für das Verständnis dieses Gleichnisses in allen vier Evangelien nötig sind. Und dennoch hat die Darstellung dieses Wunders eine unterschiedliche Zielrichtung in den vier Evangelien. Beides soll im Folgenden kurz angedeutet werden und als eine Anregung dienen, persönlich die Evangelien genauer zu studieren. Es geht um unseren Herrn Jesus Christus!

Das Speisungs-Wunder

 
a) Bibelstellen Matthäus 14,15-21; Markus 6,35-38; Lukas 9,12-17; Johannes 6,5-13
b) Volksmenge bestehend aus Juden
c) Vorherige Tätigkeit Heilung der Schwachen
d) Zeitangabe Abend
e) Beginn des Wunders Jünger wollen Volksmenge wegschicken
f) Wer soll Speise geben? Jesus fordert die Jünger auf, Speise zu geben.
g) Anzahl an Broten 5 (Gerstenbrote)
h) Anzahl an Fischen 2
i) Lagerung auf Gras (zu je 50 und 100)
j) „Reste“ 12 Handkörbe voll
k) Beteiligte Menschen 5.000 Männer, neben Frauen und Kindern
l) Folgehandlung Jünger werden auf den See weggesandt

 

1. Was ist die Kernaussage dieses Wunders?

Grundsätzlich scheint der Geist Gottes uns den Platz des Messias in seiner irdischen Herrlichkeit und seiner Sorge für sein Volk und die Menschen ganz allgemein zeigen zu wollen. Der Herr Jesus beweist in einer ersten Erfüllung von Psalm 132,15, dass Er in Wahrheit der Sohn Gottes, der König Israels, der Messias ist.

Dieses Wunder hat einen deutlich dispensationalen (haushaltsmäßigen) Charakter, wie es im Matthäusevangelium, auch an anderen Stellen, zu finden ist. In den ersten 12 Kapiteln beschäftigt sich der Herr Jesus dort besonders mit seinem Volk. Da er von seinem Volk verworfen wird, geht Er gleichsam aus dem Haus Israels (Kapitel 13,1) heraus: Er selbst setzt sein Volk für eine Zeit beiseite. Diesen letzten Gedanken finden wir in diesem Wunder wieder. Christus hat die Volksmenge entlassen (14,22), gleichsam beiseite gesetzt, nachdem Er ihr noch einmal einen Beweis seiner Fürsorge gezeigt hat, sie aber dennoch letztlich nicht an Ihn glaubt. Dann lässt Er die Jünger, ein Bild der Gläubigen der Gnadenzeit – also von uns – über den See fahren, während Er selbst auf dem Berg – im Himmel – ist und sich dort im Gebet für sie – für uns – verwendet. Als Er dann zu ihnen kommt in den Stürmen, legt sich sofort der Wind, ein Bild davon, dass wir an unserem Ziel, dem Himmel, angekommen sind.

 

2. Was symbolisieren die Brote und die Fische?

Aus Johannes 6 lernen wir, dass Er selbst das lebendige Brot aus dem Himmel ist (Joh 6,51). Auf der einen Seite finden wir Ihn in Johannes 12,24 im Bild des Weizenkorns, das durch den Tod gehend viel Frucht bringt. In Johannes 6,9 lesen wir nun, dass es sich um Gerstenbrote handelte. Gerste ist das erste Korn im Laufe der Ernte, das reif wird, und es ist auch dasjenige, das bei dem Fest der Erstlingsgarbe (3. Mo 23,9- 14) gebracht wurde. Das geschah am Tag nach dem Sabbat, also dem Sonntag, dem Auferstehungstag unseres Herrn. Es scheint daher ein Hinweis auf seine Auferstehung zu sein. So dürfen auch wir uns von dem Auferstandenen nähren, der durch den Tod gegangen ist.

Vielleicht ist der Fisch ein Bild von Christus, der die Wasser und Fluten des Gerichtes Gottes über sich erduldet hat. Auch von dem gestorbenen Heiland dürfen und sollen wir uns nähren.

Ein zweiter Gedanke ist mit den Broten und den Fischen verbunden. Man könnte sagen, dass Christus uns nicht nur die grundlegende und notwendige Nahrung schenkt (die Brote), sondern darüber hinaus viel mehr, als was wir benötigen. Er reicht über Denken und Verstehen des Menschen dar (die Fische), so dass unser Tisch übervoll ist und der Becher überfließt (Ps 23,6).

 

3. Wovon sprechen die fünf Brote und die zwei Fische?

Zunächst einmal ergeben beide zusammen sieben und zeigen, dass die Fülle des Herrn im Schenken vollständig und vollkommen allen unseren Bedürfnissen genügt. Warum aber fünf Brote? Es ist offenbar das, was der Mensch zur Verfügung stellen kann, wenn der Herr ihn auffordert, die Bedürfnisse anderer Menschen zu stillen. Insofern könnte man sagen, dass die Zahl „fünf“ auch an dieser Stelle ein Bild der Schwachheit des Menschen ist, wenn er unter Verantwortung gestellt wird. Man wird feststellen, dass die Zahl „fünf“ auch an anderen Stellen mit dem Menschen in seiner Verantwortung, der er häufig nicht gerecht wird, und mit seiner Schwachheit zu tun hat. Denken wir grundsätzlich an die fünf Finger und Zehen einer Hand bzw. eines Fußes, an die fünf Sinne etc., denken wir weiter an die fünf törichten und die fünf klugen Jungfrauen. Übrigens hatte auch David gerade fünf Steine ausgewählt, um Goliath zu besiegen.

Die zwei Fische nun scheinen von der unendlichen Gnade des Herrn zu sprechen, die mehr gibt, als das, was wir nötig haben. Wir finden die Verbindung von Gnade mit der Zahl 2 auch in Johannes 4,43 und Lukas 10,35.

 

4. Welchen Hinweis kann man in Bezug auf die 5.000 Männer geben?

Die Antwort ist nicht ganz einfach. Vielleicht kann man darauf hinweisen, dass die Volksmenge noch einmal ein vollkommenes Zeugnis der Gnade des Herrn bekommen hat und nun unter der Verantwortung steht, dementsprechend zu handeln. Die folgenden Kapitel zeigen, dass diese Menschen dazu nicht in der Lage waren, sondern unter der Verantwortung vor Gott (die Zahl 10 wird in der Bibel häufig in Verbindung mit der Verantwortung des Menschen gebraucht; hier in potenzierter Form) wieder nur ihre vollkommene Schwachheit (5) zum Vorschein kommt.

Wenn man diese Szene als ein Bild des Segens sieht, den der Herr Jesus im 1000-jährigen Reich schenken wird, dann mag man mit der Zahl 5.000 in ganz besonderer Weise den Ausdruck von Schwachheit verbinden. Obwohl der Mensch dann nicht mehr dem Einfluss des Teufels ausgesetzt ist – dieser ist gebunden (Offb 20,2) – ist er genau so schwach und sogar böse, dass er sich sofort danach wieder vom Teufel verführen lässt und gegen Christus kämpft (Offb 20,7-10).

 

5. Was bedeuten die zwölf Handkörbe?

„Zwölf“ spricht wie die Zahl „sieben“ von Vollkommenheit (4x3; 4+3), bezieht sich jedoch in der Regel auf die vollkommene Verwaltung göttlicher Dinge hier auf der Erde durch den Menschen. In diesem Wunder mögen die zwölf Handkörbe auf die Quellen der Kraft für den Armen in Israel in Gegenwart des Königs aufmerksam machen. Wie hier in diesem Wunder hat die Zahl „zwölf“ eigentlich immer mit der Erde zu tun, und zwar in einer vollkommenen Regierung (12 Apostel, 12 Stämme Israels), aber auch mit der Souveränität Gottes (12 Tore, 12 Grundlagen usw. im neuen Jerusalem: Offb 21).

 

6. Wie kann man dieses Wunder nun „praktisch” erklären?

Der Herr Jesus benutzt das, was der Diener des Herrn in seiner Schwachheit und Verantwortung vor Gott besitzt (5 Brote). Aber der Herr gibt seinen Dienern noch weit mehr aus seiner übervollen Gnade (2 Fische). Diese 2 Fische sprechen auch von dem Zeugnis, das die Jünger vor der Welt ablegen (für ein glaubhaftes Zeugnis benötigt man immer mindestens zwei). Der Herr nimmt nun das wenige, was in den Händen seiner Diener ist und verwandelt es in unfassbare Vielfalt und Größe. Dazu benutzt Er wieder seine Jünger, die das, was Er in seiner Vollkommenheit gibt, hier auf der Erde verwalten und weitergeben dürfen (12 Jünger, 12 Handkörbe). Sogar das, was übrig bleibt (12 Handkörbe), würde vollkommen für alle Bedürfnisse reichen.

 

7. Warum finden wir dieses Wunder als Einziges in allen vier Evangelien wieder?

Es hat ganz offenbar eine zentrale Bedeutung. Diese Bedeutung ist jedoch in jedem Evangelium entsprechend dem Charakter des Evangeliums ein wenig anders.

Wenn man z.B. die Person unseres Heilandes in diesem Wunder betrachtet, so wird Er im Matthäusevangelium als Messias gezeigt, der dem Bedürfnis seines Volkes vollkommen zu begegnen weiß.

Im Markusevangelium sehen wir Ihn mehr als den vollkommenen Diener, der seine Jünger anhand dieses Falles zu besseren und einsichtsvolleren Dienern erziehen will, damit sie lernen, wie man die Bedürfnisse anderer stillt, denn der Herr fordert seine Jünger immer wieder auf, tätig zu werden und nach den Broten zu sehen.

Im Lukasevangelium finden wir Ihn als den vollkommenen Menschen, der die Bedürfnisse der Menschen aus eigener Erfahrung als Mensch kennt, und der diesen Bedürfnissen im Aufblick zu seinem Gott und Vater und in der Abhängigkeit von Ihm in der rechten Weise zu begegnen weiß.

Im Johannesevangelium dagegen finden wir das vom Himmel gekommene Wort Gottes, Christus Jesus, den Sohn des Vaters, der selbst alles in die Hand nimmt und den Bedürfnissen der Volksmenge auf göttliche Weise begegnet.

Diese Art der Betrachtung könnte man nun in gleicher Weise auf die Sicht der Jünger, der Volksmenge und der Umstände in allen vier Evangelien anwenden.

 

Für eine weitere Beschäftigung mit den Evangelien, besonders zum Erforschen der Unterschiede zwischen den verschiedenen Evangelien, können wir das Buch von C. Bruins, Er wohnte unter uns – Die göttliche Absicht in den Unterschieden der vier Evangelien (Ernst Paulus Verlag, Neustadt/Weinstraße) empfehlen.