Vierzehn Facetten der Liebe

14 Facetten der Liebe

Das Wort „Liebe“ begegnet uns fast täglich – flotte Graffiti-Sprüche an Straßenbrücken, ins Auge springende Überschriften in den Medien. Obwohl sich jeder Mensch nach Liebe sehnt, haben viele leider nur flüchtige, letztlich oft enttäuschende Erfahrungen gesammelt. Christen dagegen haben erfahren, dass Gott ihnen in Liebe begegnet ist. Aber sind wir nicht in Gefahr, Liebe zu einem „schwammigen“, diffusen Begriff ohne konkreten Inhalt werden zu lassen? Oder als Ausrede für Tatenlosigkeit, wenn es gilt, Falsches richtig zu stellen? Wir wollen deshalb nachdenken, was Liebe bedeutet, wie sie sich in unserem Miteinander als Christen zeigt, und wer darin unser großes Vorbild ist ...

„Die Liebe ist ...

eine Wesensart Gottes selbst. „Gott ist Liebe“ (1. Joh 4,8). Und diese ewige Liebe Gottes zu uns ist darin offenbart worden, dass „Gott seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat“ „als eine Sühnung für unsere Sünden“ (1. Joh 4,9.10). Jetzt haben wir den Heiligen Geist empfangen, der diese Liebe in unsere Herzen ausgegossen, „mitgebracht“ hat (Röm 5,5). Und sie soll jetzt unser Leben kennzeichnen.

14 Kennzeichen dieser Liebe werden in 1. Korinther 13 beschrieben, Merkmale, die Christus selbst gekennzeichnet haben, als Er hier auf der Erde war – aktiv und leidend in Liebe. Wir wollen uns dieses herrliche Bild des Herrn als Spiegel vorhalten und zugleich auch aus den Defiziten der Korinther lernen.

(1) langmütig,

Wie lange hat der Herr Jesus seine Jünger ertragen (Lk 9,41)? Seine Geduld im Umgang mit kleingläubigen, unverständigen Menschen ist bewunderungswürdig.

Erträgt der Herr nicht auch uns mit großer Langmut, obwohl wir Ihm immer wieder weglaufen? In ihrer vermeintlichen Glaubensstärke konnten die Korinther keine Geduld aufbringen, um das Wachstum des geistlich Schwachen abzuwarten und solange auf das Essen von Götzenopfer- Fleisch zu verzichten (1. Kor 8,10-11). Wir haben es daher auch genauso nötig, den Herrn um Langmut im Umgang miteinander als Geschwister zu bitten! Langmut ist auch ein Teil der Frucht des Geistes (Gal 5,22).

(2) ist gütig;

Der Herr sagte zu den murrenden Arbeitern im Gleichnis, dass Er gütig sei (Mt 20,15), und Er war es auch tatsächlich. Dieses Sich-hin-wenden zum anderen hätten die Korinther auch mehr praktizieren sollen, dann wäre es besser um ihr Miteinander bestellt gewesen. Und wir sollten uns auch anspornen lassen, freundlich (so wird das Wort in Galater 5,22 wiedergegeben) zu sein. Wie viel Gutes können wir allein dadurch bewirken! Und unsere ungläubigen Kollegen oder Nachbarn werden wir mit diesem Verhalten viel eher für die frohe Botschaft erreichen können.

(3) die Liebe neidet nicht,

Johannes berichtete dem Herrn einmal, dass sie jemanden Dämonen austreiben sahen, der dem Herrn nicht mit ihnen nachfolgte. Doch der Herr macht in seiner Antwort deutlich, dass wir nicht neidisch auf den Erfolg anderer sein sollten: „Wehrt nicht, denn wer nicht gegen euch ist, ist für euch.“ (Lk 9,49.50). Wie eifersüchtig waren die Korinther um ihre Gnadengaben und um ihre eigene Ehre besorgt (1. Kor 3,3), statt Nutzen auch aus der Gabe der anderen zu ziehen und um die geistlichen Wirkungen zu „eifern“ (1. Kor 14,1, das gleiche Wort im Grundtext). Und wir? Der Herr will uns bewahren vor Eifersucht auf das, was Er im anderen gewirkt hat, und uns dankbar in dem uns Anvertrauten treu sein lassen.

(4) die Liebe tut nicht groß,

Als die Jünger dem Herrn sagten: „Alle suchen dich“, antwortete Er ganz im Bewusstsein seines Diener-Seins: „Lasst uns woanders hingehen“ (Mk 1,37.38) und verzichtete so auf bloße Popularität. Und auch als seine Brüder Ihn öffentlich in Jerusalem „präsentieren“ wollten, „blieb er in Galiläa“ (Joh 7,4.9). Wie brüsteten sich die Korinther mit ihren Gaben und den von ihnen zu „Parteivorsitzenden“ erhobenen Dienern! Liebe sucht nicht die Anerkennung nach außen, sondern die Zustimmung des Herrn. Ohne viel Aufhebens für Ihn leben und Ihm dienen – das ist zu seiner und zu unserer Freude!

(5) sie bläht sich nicht auf,

Wusste der Herr nicht mehr als alle in seiner Umgebung? Doch die Art und Weise seines Auftretens als Zwölfjähriger im Tempel (Lk 2,46.47) und auch später in Synagogen zeigte keine Spur von Aufblähen – obwohl er „geehrt von allen“ dort lehrte (Lk 4,15). Die Korinther mussten erfahren, dass Erkenntnis ohne Liebe dem Gläubigen nicht gut bekommt (1. Kor 8,1), und auch in ihrer stolzen Haltung gegenüber dem Apostel Paulus war keine Liebe zu erkennen (1. Kor 4,6.18). Wir dürfen dem Herrn für jede Erkenntnis seiner Gedanken dankbar sein, aber richtig angewandt wird sie immer erbauen und uns selbst zurücktreten lassen. Sieht man das in meinem Reden und Auftreten?

(6) sie gebärdet sich nicht unanständig,

Obwohl der Herr Kontakt hatte mit sündigen Menschen wie mit der Frau am Brunnen bei Sichar (Joh 4) oder der Sünderin (Lk 7,39), hat Er stets eine göttliche Würde bewahrt – und ließ sich von falschem menschlich-traditionellen Anstand (die Samariter in Johannes 4 und der Pharisäer in Lukas 7 mieden den Kontakt zu „solchen“ Leuten) nicht abhalten, mit ihnen zu kommunizieren. Wie verhielten sich die Korinther in Bezug auf das Mahl des Herrn? „Der eine ist hungrig, der andere ist trunken“ (1. Kor 11,21). Grobes Auftreten widerspricht echter Liebe (übrigens auch in Ehe und Familie!). „Lasst uns anständig wandeln wie am Tag; ... zieht den Herrn Jesus Christus an“ (Röm 13,14). Wenn wir „ehrbar“ (das ist das Gegenteil zu „unan- ständig“) wandeln vor denen, die draußen sind (1. Thes 4,12), wird uns sicher auch mit mehr Respekt eine Einladung zu einem evangelistischem Abend abgenommen werden ...

(7) sie sucht nicht das Ihre,

Der Herr war nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen (Mt 20,28). Er suchte nicht seine eigene Ehre (Joh 7,18; 8,50) Und die Korinther? Sie konnten es kaum abwarten, mit ihrer Gabe in den Zusammenkünften zu glänzen – und so sprachen manchmal gleiche mehrere auf einmal (1. Kor 14,27). Was für ein schönes Zeugnis konnte Paulus hingegen Timotheus ausstellen (Phil 2,20.21)! Geht es uns bei unserem Verhalten und dem Dienst unter den Christen wirklich um das Wohl der Mitgeschwister und die Ehre des Herrn Jesus? Das wird uns vor jeglicher Selbstsucht bewahren.

(8) sie lässt sich nicht erbittern,

Der Herr kam in das Seine, aber die Seinen nahmen Ihn nicht an (Joh 1,11). Er erntete Hass für seine Liebe (Ps 109,5). Doch das ließ Ihn nicht bitter oder hart werden gegen die Menschen um Ihn her. Die Korinther jedoch schreckten weder vor Parteienstreit (3,4) noch vor gerichtlichen Auseinandersetzungen zurück (6,6). Paulus dagegen ließ sich nicht erbittern, im Gegenteil, trotz abnehmender Liebe der Korinther liebte er sie überreichlicher (2. Kor 12,15). Lasst uns den Herrn bitten, uns frei zu machen von Bitterkeit gegen Mitgeschwister, auch wenn sie uns verletzt haben mögen.

(9) sie rechnet das Böse nicht zu,

Hat der Herr Jesus Petrus die Verleugnung nachgetragen? Oder allen Jüngern ihr Weglaufen bei seiner Verhaftung? Er hat alles vergeben – ohne irgendeine Einschränkung für ihren späteren Dienst. Alle verließen den Apostel Paulus bei seiner Verhandlung. Und seine Reaktion? „Es werde ihnen nicht zugerechnet“ (2. Tim 4,16)! Wie lange kämpfen wir gegen falsche Gefühle in uns an, die wir gegen einen Bruder haben, der seine Schuld längst bekannt hat! Wenn wir einander vergeben, „wie auch Gott in Christus uns vergeben hat“ (Eph 4,32), wird der Herr uns bestimmt auch die Bitterkeit gegen den Bruder oder die Schwester nehmen.

(10) sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sondern sie freut sich mit der Wahrheit,

Der Herr Jesus liebte den reichen jungen Mann (Mk 10,21), aber Er deckte dennoch seine „wunde Stelle“ auf. Wie schnell sind wir geneigt, Böses bei unseren besten Freunden oder Verwandten (oder bei uns selbst!) zu übersehen und verteidigen dann sogar ihr Tun! Die ungeheuchelte, echte Liebe verabscheut das Böse und hält am Guten fest (Röm 12,9). Haben wir Freude an der Wahrheit des Wortes Gottes, an Wahrhaftigkeit, Echtheit im Glaubensleben anderer?

(11) sie erträgt alles,

Unser Herr hat wirklich alles ertragen, selbst das Gericht Gottes über unsere Sünden. Seine Liebe konnte dadurch nicht ausgelöscht werden (Hld 8,7). Und auch das Verhalten der Menschen um Ihn her – Unglaube des Volkes und der Jünger, Hass und Misshandlung durch Juden und Römer – hat der Herr in bewundernswerter Weise ertragen1. Paulus war bereit, alles zu ertragen, „um dem Evangelium des Christus kein Hindernis zu bereiten“ (1. Kor 9,12). Wenn Gottes Liebe in uns wirkt, wird Er uns die Kraft geben, vieles unter den Geschwistern zu ertragen, was zwischen ungläubigen Menschen auf keinen Fall hingenommen würde. Wie schnell sind wir „auf Hundert“ und wollen Dinge – auch persönliche Verhältnisse – verändern! Gerade das Praktizieren solcher Tugenden wird auch die Menschen um uns her nachdenklich machen und uns die Möglichkeit geben, mit ihnen ins Gespräch zu kommen.

(12) sie glaubt alles,

Die Jünger wollten manchmal nicht recht glauben, dass Menschen den Herrn Jesus wirklich suchten. Aber der Herr vertraute dem Wunsch Zachäus’, der Mütter und des blinden Bartimäus und ging auf sie zu (Lk 19,3.5; Mk 10,13.14; Mk 10,48.49). Wie schnell trauen wir den Aussagen unserer Mitgeschwister nicht so recht? Bis zum Beweis des Gegenteils (s. 1. Kor 11,18) dürfen wir das Gute bei den Geschwistern glauben, das „Risiko der Liebe“ auf uns nehmen. Sollten wir nicht mehr Barnabas nachahmen, der den Aussagen des frischbekehrten Saulus glaubte und ihn in die Reihen der Gläubigen in Jerusalem einführte (Apg 9,27)?

(13) sie hofft alles,

Der Herr Jesus hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, dass seine Jünger Ihm treu nachfolgen würden, selbst Petrus. Er hatte wenig Grund dazu, aber Er wusste doch, dass die Jünger Ihn liebten. Paulus war in guter Zuversicht, dass Gott sein gutes Werk in den Philippern auch vollenden würde (Phil 1,6). Wenn wir von Menschen den festen Eindruck haben, dass sie sich wirklich bekehrt haben, aber die Nähe zum Herrn aufgegeben haben, sollten wir nie aufhören, auf ihre innere Rückkehr zu hoffen (und für diese Personen zu beten). Und auch in schwierigen Verhältnissen dürfen wir auf den Gott, der Wunder tut, hoffen.

(14) sie erduldet alles.“

Der Herr Jesus hat ausgeharrt2, als Ihn die schlimmen Behandlungen von Seiten der Menschen trafen, und auch noch – Ihm sei Dank dafür! – als die Last unserer Sünden auf Ihm lag. Paulus war bereit, „alles um der Auserwählten willen“ zu erdulden (2. Tim 2,10). Schwierige Umstände und vielleicht ungerechtes Verhalten unter Gläubigen zu erdulden fällt niemandem von uns leicht. Aber wenn wir auf unser großes Vorbild schauen, wird der Herr uns auch hierzu täglich die nötige Kraft schenken. „Herr Jesus, lass uns mehr in Dein Bild verwandelt werden, damit wir in Liebe wandeln und im Kreis der Gläubigen, aber auch unter den Menschen um uns her Dich, das Wort des Lebens, darstellen.“

 

1 Das Wort wird auch mit „zudecken“ übersetzt. So sah der Herr über das viele Versagen der Jünger hinweg und bezeugte ihnen, dass sie mit Ihm ausgeharrt hatten in seinen Versuchungen (Lk 22,28).

2 Das gr. Wort hypoméno wird vielfach mit „ausharren“ übersetzt und hat auch die Bedeutung von „standhalten“, „aushalten“.