Bibel erklärt
Gottes Wort und die Sprachen der Welt
Die Bibel ist das am häufigsten übersetzte Buch aller Zeiten. Vor mehr als 500 Jahren druckte Johannes Gutenberg das erste mit beweglichen Lettern hergestellte Buch – es war eine Bibel. Seitdem wurde die Bibel oder Teile der Heiligen Schrift in 2287 Sprachen übersetzt. Das sind einerseits weniger als die Hälfte der schätzungsweise ungefähr 6500 Sprachen und Dialekte der Welt. Andererseits sind unter den 6500 Sprachen auch die Sprachen kleiner Volksgruppen oder Minderheiten enthalten. Somit steht für 90% der Menschen Gottes Wort in einer für sie verständlichen Sprache zur Verfügung.
Zahlen und Fakten
Folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Verteilung der Bibelübersetzungen auf die einzelnen Kontinente.
Anzahl der Sprachen seit Erfindung des Buchdrucks, in denen bis zum 31. Dezember 2001 mindestens ein Teil der Bibel bereits übersetzt und gedruckt worden ist:
Kontinent | Vollständige Bibeln | Neue Testamente | Bibelteile |
Afrika | 149 | 279 | 213 |
Asien | 119 | 228 | 223 |
Australien/Pazifik | 33 | 204 | 168 |
Europa | 62 | 31 | 110 |
Lateinamerika/Karibik | 21 | 244 | 127 |
Nordamerika | 7 | 26 | 40 |
Kunstsprachen | 1 | 0 | 2 |
Summe | 392 | 1012 | 883 |
Bibelübersetzung und ihre Herausforderung
Vielleicht denkst du im ersten Augenblick: Eine Bibelübersetzung ist doch eigentlich nicht so schwierig. Die „Sprachgelehrten“ nehmen den Grundtext und übersetzen ihn dann in die entsprechende Sprache. Doch in vielen Fällen geht das eben nicht so einfach. Es gibt viele Sprachen, die bisher nur mündlich überliefert wurden. Für eine solche Sprache muss erst ein Alphabet und eine Orthographie geschaffen werden. Dann sind Alphabetisierungskurse nötig, damit die Menschen lernen, ihre eigene Sprache zu lesen. Die Bibel ist in solchen Fällen oft das erste schriftliche Dokument in dieser Sprache. Wie lange ein solches „Unternehmen“ dauert, ist häufig nicht vorhersehbar. Für das im vergangenen Jahr veröffentlichte Neue Testament in der Sprache der Cree-Indianer aus Kanada benötigte man 25 Jahre, während eine Bibelübersetzung auf Malawi in der Rekordzeit von 5 Jahren fertiggestellt wurde.
Der erste Schritt auf dem Weg zu einer Bibelübersetzung ist für den Übersetzer oft das Erlernen der Sprache des entsprechenden Volksstammes. Wo es noch keine Schriftsprache gibt, erfolgt das Erlernen fast so wie bei Kindern, die ihre Muttersprache lernen – durch Zuhören, Nachsprechen und Erfassen der Bedeutung. Welche Probleme dies mit sich bringt, soll das folgende Zitat des Bibelübersetzers Lothar Käser verdeutlichen:
Was bedeutet kinissow?
„Vor einem der mit Palmwedeln gedeckten Häuser spielte sich folgende Szene ab: Ein Mann hatte eine große Schüssel mit gekochten Taroknollen gefüllt und war eben dabei, sie einer Frau zu reichen. Die Frau nahm die Schüssel an sich und sagte laut und vernehmlich: „Kinissow!“ — „Aha!“ dachte ich und war überzeugt, dass ich soeben gelernt hatte, was „Dankeschön“ in der Sprache der Trukinsulaner hieß. Ich sollte mich täuschen.
Einige hundert Meter weiter, schon ganz in der Nähe des Dorfs, begegnete ich einer Gruppe von Frauen und Kindern, die ebenfalls gekocht haben mussten, denn in den Schüsseln, die sie auf dem Kopf trugen, stapelten sich goldgelbe, überaus appetitlich aussehende Brotfruchtschnitzel. ... Weil der Fußpfad für zwei Personen nebeneinander zu schmal war, trat ich seitlich einen Schritt ins Gebüsch, um die Gruppe im Gänsemarsch an mir vorbeizulassen. Im Weitergehen stieß mich eine der Frauen aus Versehen an und rief erschrocken: „Kinissow!“ „Nanu?“ dachte ich. „Hatte das Wort vor einigen Minuten nicht so etwas wie ‚Dankeschön’ bedeutet? Eben hörte ich es aber doch in einem Zusammenhang, in dem ich ‚Entschuldigung’ gesagt hätte.“
Mit diesen beiden Erlebnissen hatte bei mir ein Prozess des Umdenkens begonnen. Mir war klar geworden, dass ich bei meiner ersten Begegnung mit dem Wort kinissow geglaubt hatte, in der Bedeutung „Dankeschön“ voll und ganz erfasst zu haben, was ein Trukinsulaner meint, wenn er es benützt. Von allein wäre ich niemals auf die Idee gekommen, dass ich es auch benützen müsste, wenn ich „etwas ganz anderes“ meine, wenn ich mich beispielsweise für ein Versehen entschuldigen will. In diesem Augenblick hatte ich auch begriffen, wie man als Bibelübersetzer eine fremde Sprache lernen muss: nicht von der eigenen Muttersprache ausgehend nämlich, sondern von der gesprochenen fremden, denn die Bedeutung der Wörter einer Sprache hängt fast ausschließlich von der Situation ab, in der sie gebraucht werden. ...
Wenn ich als Deutscher etwas bekomme, sage ich „danke“. Wenn ich jemand etwas Unangenehmes zugemutet habe, sage ich dagegen „Entschuldigung“. ... Für uns sind das begrifflich offenbar zwei völlig verschiedene Situationen ... Für die Insulaner dagegen scheint es sich um zwei gleichartige Situationen zu handeln. Anders könnten sie wohl nicht einfach mit der gleichen sprachlichen Form darauf reagieren. Wo aber gibt es in diesen beiden Situationen Gemeinsamkeiten?
Ganz einfach. In beiden spielt das Element der Verpflichtung eine nicht unbedeutende Rolle. Wenn ich etwas bekomme, fühle ich mich verpflichtet, zu Dank nämlich, und wenn ich jemand etwas antue, bin ich ebenfalls verpflichtet, entweder zu einer Entschuldigung, oder gar zu Schadenersatz. Diese Verpflichtung drücken die Insulaner aus, wenn sie kinissow sagen.“
Gesucht: das treffende Wort
Der Bibelübersetzer begegnet noch einem weiteren Problem. Die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten der einzelnen Sprachen sind verschieden, und es gilt das treffende Wort für einen biblischen Ausdruck zu finden. Dies ist eine besondere Herausforderung, wenn die Sprache keine wörtliche Übersetzung eines Ausdrucks ermöglicht. So besitzt die Sprache des zentralafrikanischen Karre-Volkes kein Wort für „Tröster“. Die Übersetzer entschieden sich für den Ausdruck „der, der neben dir niederfällt“. Vor dem kulturellen Hintergrund wird diese Übersetzung verständlich. Lastenträger, die zusammenbrechen und erschöpft am Wegesrand liegen bleiben, werden von wilden Tieren getötet, wenn nicht einer aus dem Dorf kommt, der sich zu ihnen herunterbeugt, neben ihnen niederfällt und ihnen hilft.
Die Pflege einer Übersetzung
Zudem muss eine Bibelübersetzung gepflegt werden. Das bedeutet keine Neuübersetzung oder Revision, sondern eine sprachliche Überarbeitung des Textes. Anders als Griechisch oder Latein sind unsere Sprachen lebende Sprachen, die sich verändern. Wenn ein Wort im Laufe der Jahre seine Bedeutung ändert, wird eine Sprachpflege dies berücksichtigen, um Missverständnisse zu vermeiden und die Aussage des Bibeltextes korrekt und verständlich wiedergeben. So haben viele deutsche Bibelübersetzungen das zur Zeit der Übersetzung durchaus korrekte Wort Weib durch den heute gebräuchlichen Ausdruck Frau ersetzt. Ein anderes Beispiel: Die nichtrevidierte Elberfelder Übersetzung hatte in den ersten Ausgaben in 2. Könige 5 für das Mädchen bei Naaman den Ausdruck Dirne verwendet. Damals völlig korrekt. Inzwischen hat dieses Wort einen Bedeutungswandel durchgemacht und bezeichnet heute eine Prostituierte. Dem haben die Herausgeber Rechnung getragen und das Wort durch „ein junges Mädchen“ ersetzt.
Das gleiche gilt auch mitunter für Satzkonstruktionen, die heute schwer verständlich erscheinen. Wer von unseren jungen Lesern versteht ohne weiteres einen solchen Satzteil: „wenn anders Gottes Geist in euch wohnt“(Röm 8,9) oder „wenn anders auch vergeblich“(Gal 3,4)? Nach einer Überarbeitung hört sich das so an: „Wenn nämlich Gottes Geist in euch wohnt“, oder „wenn wirklich auch vergeblich“.
Aus jedem Stamm und Sprache und Volk und Nation
Man mag Menschen absprechen, ein Volk oder eine Nation zu sein; ein Mensch mag aus seinem Stamm ausgestoßen werden. Aber zu irgendeiner Sprachfamilie gehört jeder. Gerade für kleine Volksgruppen ist die Übersetzung der Bibel in ihre eigene Sprache ein Hinweis darauf, dass Gott sie nicht vergessen hat. Als im Jahre 2001 die Bibel in der Sprache der Samen, einer in Norwegen und Schweden beheimateten Volksgruppe herausgegeben wurde, tauchte die Frage auf, ob sich ein so teures Projekt für ein Volk von nur wenigen tausend Menschen lohne. Darauf antwortete Anne Lisbeth Lagset von der Norwegischen Bibelgesellschaft: „Jeder hat das Recht, das Wort Gottes in seiner eigenen Sprache zu hören“. In der Tat ein wichtiges „Menschenrecht“. Wir dürfen Gott danken, dass es immer noch Menschen gibt, die ihre Kenntnisse einsetzen, um diesem Recht in weiteren Teilen dieser Erde Geltung zu verschaffen.
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Nützliche Links
Elberfelder Übersetzung
Die Elberfelder Übersetzung Edition CSV ist eine wortgetreue Übersetzung der Bibel in verständlicher Sprache. Auf dieser Webseite können Sie den Bibeltext vollständig lesen und durchsuchen. Zudem werden Werkzeuge angeboten, die für das Studium des Grundtextes hilfreich sind.
www.csv-bibel.deDer beste Freund
Diese Monatszeitschrift für Kinder hat viel zu bieten: Spannende Kurzgeschichten, interessante Berichte aus anderen Ländern, vieles aus der Bibel, Rätselseiten, Ausmalbilder, Bibelkurs, ansprechende Gestaltung. Da Der beste Freund die gute Nachricht von Jesus Christus immer wieder ins Blickfeld rückt, ist dieses Heft auch sehr gut zum Verteilen geeignet.
www.derbestefreund.deIm Glauben leben
Diese Monatszeitschrift wendet sich an alle, die ihr Glaubensleben auf ein gutes Fundament stützen möchten. Dieses Fundament ist die Bibel, das Wort Gottes. Deshalb sollen alle Artikel dieser Zeitschrift zur Bibel und zu einem Leben mit unserem Retter und Herrn Jesus Christus hinführen.
Viele Artikel zu unterschiedlichen Themen - aber immer mit einem Bezug zur Bibel.
www.imglaubenleben.de