Sünde ( nicht ) zum Tode
Sünde (nicht) zum Tode (1. Johannes 5,16)
„Wenn jemand seinen Bruder sündigen sieht, eine Sünde nicht zum Tode, so wird er bitten, und er wird ihm das Leben geben, denen, die nicht zum Tode sündigen. Es gibt Sünde zum Tode; nicht für diese sage ich, dass er bitten solle“ (1. Joh 5,16). Dieser Vers hat schon manche Schwierigkeit bereitet. Deshalb wollen wir ihn in diesem Artikel einmal genauer unter die Lupe nehmen.
Zunächst müssen wir auf den Zusammenhang eingehen, in dem der Vers steht. Der Apostel Johannes hatte in den Versen 14 und 15 gezeigt, dass wir zuversichtlich bitten dürfen, weil wir wissen, dass Gott unsere Bitten erhört, sofern sie nach seinem Willen sind. Der Geist Gottes gibt dann in Vers 16 Aufschluss, was wir durch unser Gebet bewirken oder auch nicht bewirken können:
– Wir können durch unser Gebet erreichen, dass ein Bruder, der so schwer gesündigt hat, dass er durch die Züchtigung Gottes an den Rand des Todes gebracht wurde, nicht sterben muss, sondern weiter leben darf. Es liegt eine „Sünde nicht zum Tode“ vor.
– Wir können durch unser Gebet nicht erreichen, dass das Leben eines Bruders verlängert wird, wenn Gott in seinen Regierungswegen bestimmt hat, dieses Leben wegen einer Sünde zu beenden. Wir sollten es gar nicht erst versuchen. Es liegt eine „Sünde zum Tode“ vor.
Nachdem wir die Hauptaussage dieses Verses kurz skizziert haben, möchten wir ihn nun in seinen Einzelheiten beleuchten.1
„Wenn jemand seinen Bruder ...“
Der Ausdruck „jemand“ macht deutlich, dass keiner davon ausgeschlossen ist, für andere zu beten. Der Begriff „Bruder“ weist daraufhin, dass es sich um einen Gläubigen handelt, den man sündigen sieht – sei es nicht zum Tode oder zum Tode.
„... sündigen sieht ...“
Obwohl hier von „sehen“ die Rede ist, muss man nicht ausschließlich an Fälle denken, bei denen man die Sünde eines Bruders mit den Augen beobachten konnte. Johannes möchte vielmehr betonen, dass jemand Kenntnis von der Sünde erlangt. So wird das entsprechende Wort im Grundtext an anderen Stellen auch mit „wissen“ und „erkennen“ wiedergegeben.
„... eine Sünde nicht zum Tode ...“
Damit sind alle Sünden gemeint, die nicht zum Tod führen MÜSSEN, was zweifellos auf die allermeisten zutrifft. Doch machen die nachfolgenden Worte klar, dass Johannes hier speziell an Sünden denkt, die eine so schwere Züchtigung Gottes nach sich ziehen, dass der Tod die Folge sein KÖNNTE. Gut vorstellbar wäre, dass Gott eine lebensgefährliche Krankheit2 hervorruft, um den, der gesündigt hat, zur Einsicht und Umkehr zu führen. Die Worte Elihus in Hiob 33,23-28 und 36,8-15 illustrieren das deutlich.
„... so wird er bitten ...“
Gott setzt voraus, dass wir für die Geschwister beten, die sich in so großer Not befinden – „so WIRD er bitten“. Es gibt sehr vieles, was wir für unsere Geschwister von Gott erbitten können. Johannes aber hat an dieser Stelle eine große Bitte vor Augen: Wir beten dafür, dass unser Bruder nicht stirbt.
„... Und er wird ihm das Leben geben ...“
Aufgrund der Fürbitte gibt Gott dem Bruder, der gesündigt hat und dadurch dem Tod nahe kam, das Leben – Gott gewährt, dass er weiter leben darf. Das Gebet des Glaubens hat den Kranken geheilt und eine Seele ist vom Tode gerettet worden (vgl. Jakobus 5,15.20).
Ein sehr eindrückliches – alttestamentliches – Beispiel dafür ist Mirjam. Als Mirjam gegen Mose redete, weil er sich eine kuschitische Frau genommen hatte, schlug Gott sie mit dem Aussatz. Diese Krankheit hätte wohl über kurz oder lang, wenn wir die heute bekannte Krankheit des Aussatzes darunter verstehen können, zum Tod geführt. Doch Gott ließ sich von Mose erbitten und schenkte Genesung (siehe 4. Mo 12,1.10.13.14).
„... denen, die nicht zum Tode sündigen ...“
Das Leben kann aber nur denen gegeben werden, die eine Sünde begangen haben, die NICHT zum Tod führen MUSS. So war bei Mirjam zwar das Leben durch den Aussatz bedroht, aber Gott hatte in ihrem Fall den Tod nicht bestimmt. Deshalb konnte Mose für sie beten und erhört werden.
„... Es gibt Sünde zum Tode ...“
So gibt es auch Sünden, die unweigerlich zum Tod führen MÜSSEN. Einige Beispiele dazu:
- Mose und Aaron wurde der Zugang in das verheißene Land verwehrt, weil sie bei Meriba Gott vor dem Volk nicht die Ehre gaben (4. Mo 20,6-13). Sie mussten sterben, bevor das Volk Israel in Kanaan einzog. Daran konnte auch das Flehen Moses nichts mehr ändern. Gott gestattete ihm nicht einmal, weiter über diese Sache zu reden (5. Mo 3,23-26).
- In 1. Kö 20,35.36 wird von einem Propheten berichtet, den ein Löwe tötete, weil er sich geweigert hatte, einen anderen Propheten zu schlagen, der ihn im Auftrag Gottes darum gebeten hatte.
- Der Mann Gottes aus Juda musste sterben, da er die klare Anweisung Gottes missachtete, mit niemand Tischgemeinschaft in dem götzendienerischen Bethel zu haben (1. Kö 13,21-24).
- Ananias und Sapphira traf der Tod, weil sie heuchelten: Sie verkauften ein Grundstück und spendeten einen Teil des Kaufpreises, taten aber so, als sei es der ganze Erlös gewesen. Der Mann musste sofort sterben, die Frau erst, nachdem sie die Chance zu einem Bekenntnis ausgelassen hatte (Apg 5,1-11).
- In Korinth nahmen manche Gläubige das Mahl des Herrn in unwürdiger Weise zu sich. Deshalb wurden sie von dem Herrn gezüchtigt. Viele wurden schwach und krank, aber ein gut Teil war auch gestorben (1. Kor 11,27-32).3
„... Nicht für diese sage ich, dass er bitten solle“
Wenn Gott in seinen Regierungswegen den leiblichen Tod eines Gläubigen beschlossen hat, dürfen und sollten wir nicht um eine Verlängerung seines Lebens bitten. Das schließt nicht aus, dass wir für den Betreffenden in allgemeinerer Weise beten könnten. Bitten, dass die Person diese Zucht aus der Hand Gottes annehmen kann, in Frieden heimgehen darf, oder dass sie Gott in diesen besonderen Umständen die Ehre gibt usw. sind sicher möglich.
Und heute?
Züchtigt Gott auch heute noch in so ernster Weise, dass Gläubige an den Rand des Todes gebracht werden oder gar sterben müssen? Die Antwort lautet „ja“, da die Heilige Schrift weder an dieser noch anderer Stelle dafür eine zeitliche Einschränkung gibt. Doch haben wir den Eindruck, dass so etwas eher selten der Fall ist. Dies trifft besonders auf die heutige Zeit zu, die zu „den letzten Tagen“ gehört. Dies mag an dem allgemein sehr niedrigen geistlichen Zustand der Gläubigen liegen, so dass eine einzelne Sünde nur selten einen solch extremen Charakter im Vergleich zu anderen hat.
Woran kann ich eine Sünde zum Tode erkennen?
Diese Frage ist berechtigt, denn schließlich muss man ja wissen, in welchem Fall man nicht mehr um eine Lebensverlängerung bitten darf. Jedoch können wir anhand der Schrift nicht eindeutig definieren, welche Sünde zum Tod führen muss. Prinzipiell kann daher jede Sünde eine Sünde zum Tode werden. Es sind die begleitenden Umstände, die einer bestimmten Sünde einen so schrecklichen Charakter verleihen, dass Gott mit dem Tod darauf antwortet. So war bei Ananias und Sapphira zweifellos der Hintergrund – das mächtige und sichtbare Wirken des Geistes Gottes in den Tagen des Anfangs – ausschlaggebend dafür, dass sie dieses Gericht erfahren mussten. Zu beurteilen, wann eine Sünde zum Tode vorliegt, ist sicher schwierig und erfordert sehr viel Weisheit und intensive Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus.
Es ist auch denkbar, dass es dem Betreffenden selbst klar wird, dass er eine Sünde zum Tode begangen hat und es anderen mitteilt. Bei solchen Aussagen ist allerdings große Vorsicht geboten. Denn es kann sein, dass sich jemand aufgrund eines übersensiblen Gewissens lediglich einredet, eine Sünde zum Tode begangen zu haben.
Schlussgedanken
Wir hoffen, dass der Leser diesen Vers jetzt vielleicht nicht nur besser versteht, sondern auch eine Nutzanwendung auf sein Leben machen wird. Es kann uns die Tatsache beeindrucken, dass Gebete sehr viel bewirken, aber niemals den Willen Gottes zu durchbrechen vermögen; und ferner, dass unsere Sünden ernste Folgen haben können – sogar bis zum vorzeitigen Tod. „Was irgend ein Mensch sät, das wird er auch ernten“, sagt die Schrift in Galater 6,7. Dieser Gedanke soll uns aber nicht dahin bringen, in beständiger Angst zu leben, sondern uns zu Ehrfurcht vor einem heiligen Gott und zu einem sorgfältigen Lebenswandel führen!
1 Dieser Vers spricht natürlich von dem physischen Tod und der Verlängerung des irdischen Lebens, NICHT von dem zweiten Tod (den Feuersee, Offenbarung 20,14) und der Gabe des ewigen Lebens. Denn über Gläubige, um die es hier geht, hat der zweite Tod keine Gewalt. Außerdem führt jede Sünde, wenn sie nicht gesühnt wird, in den zweiten Tod und nicht nur einige bestimmte Sünden.
2 Selbstverständlich soll hiermit überhaupt nicht gesagt werden, dass jede Krankheit im Leben eines Gläubigen eine Strafe Gottes ist. Gottes Wort macht deutlich, dass Krankheit bei einem Gläubigen viele Ursachen haben und manchen Absichten Gottes dienen kann.
3 Bei diesem Beispiel mag es sich allerdings auch um Sünden handeln, die nicht zum Tode führen MUSSTEN, aber dann doch den Tod zur Folge hatten, weil auf die (lebensbedrohliche) Züchtigung keine Umkehr erfolgte.
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