Der Nikolaus - eine Legende

Der Nikolaus – eine Legende

Der Nikolaus steht wieder „vor der Tür“. Und so lange die Kinder lieb gewesen sind, werden sie am 6. Dezember wieder gefüllte Stiefel vorfinden, die sie am Vorabend leer vor ihre Tür gestellt haben. Und das wohl schon seit fast 1.000 Jahren. Ein netter Brauch, oder? Er steht ja auf einer langen und offenbar guten Traditionssäule! Und wer würde sich nicht, auch wenn er schon ein paar Jahre älter geworden ist, mit Freude an diese Zeit der „Stiefel“ zurückerinnern? Aber wer oder was ist „Nikolaus“ eigentlich?

Der Nikolaus ist weder eine mythologische Gestalt (also der Götterlehre entstammend) noch der Märchenonkel, der mit dem Schlitten und seinen Rentieren über die Wolken hinwegsaust. Der „Nikolaus“ geht auf eine wirkliche Person zurück. Und dennoch sind Legende („Heiligenerzählung“) und Fakten bei diesem so genannten Freund der Kinder und der Armen nicht zu trennen. Es wird vermutet, Simeon Metapharstes habe die Biographien des Bischofs von Myra und des Bischofs von Pinara (Nikolaus von Sion – daher der Name Nikolaus) vermischt1. Daraus entstand der „Heilige2 Nikolaus“, der die ganzen guten Charaktereigenschaften auf sich vereinen soll.

Die Geschichte des „Nikolaus“

Wahrscheinlich wurde Nikolaus zwischen 280 und 286 in Patara (in der Nähe von Antalya) geboren. Angeblich unterschied er sich schon früh von anderen Kindern und trennte sich von den Freuden der anderen jungen Menschen, um in Kirchen Andachten zu halten. Später soll er einem Nachbarn, der seine drei Töchter der Prostitution hingeben wollte, um in seiner Armut leben zu können, einen Klumpen Gold durchs Fenster geworfen haben, so dass die drei Töchter „normal“ heiraten konnten. Nach der Priesterweihe soll Nikolaus sein ererbtes Vermögen an die Armen verteilt haben. Auch soll er unter einem Kaiser eingekerkert und schwer misshandelt worden sein. Der offenbar beliebte Bischof soll am 6. Dezember 345 gestorben sein und wurde sehr bald zu einer Kultfigur, so dass er den „Heiligen- Status“ erhalten konnte.

Wie so oft – wenn man bei einer so genannten „heiligen“ Person nicht viel zu berichten weiß, ranken sich sehr schnell Legenden empor. Angeblich waren zum Beispiel in Konstantinopel drei Offiziere unschuldig des Hochverrats angeklagt. Als sie im Kerker auf ihren Henker warteten, riefen sie zu Gott, Er möge ihnen den Heiligen Nikolaus zu Hilfe senden. Dieser erschien dann dem Kaiser sofort im Traum und drohte mit dem Gericht Gottes, falls dieser das Urteil an den drei Offizieren vollstrecken lasse. Daraufhin ließ der Kaiser angeblich die drei Unschuldigen frei. Seither gilt der Heilige Nikolaus als Helfer gegen irrige Urteile.

Der Brauch zum Nikolaustag

Aus dieser Legende – und mancher Abwandlung davon – entwickelte sich in den kirchlichen Schulen schon im 13. Jahrhundert der heutige „Nikolaus“- Brauch. Ein bärtiger Nikolaus kehrt am Vorabend des 6. Dezembers bei den Kindern ein und hält mit ihnen eine Gewissenserforschung. Zunächst war der Nikolaus im für viele „christlichen“ Sinn wohltätig und in Sorge um die Kinder, später verbanden sich mit dem Brauch germanische Mythen: Der kettenrasselnde Krampus (eine Teufelsgestalt) kam dazu, der so genannte Knecht Ruprecht. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde dann in Norddeutschland eine neue Gestalt in die Nikolausgeschichte eingeführt: der Weihnachtsmann – so, wie wir ihn heute „kennen“. Mit der eigentlichen geschichtlichen Gestalt hat er so ziemlich gar nichts mehr zu tun!

Der Christ und der Nikolaus

Nun stellt sich die schlichte Frage, ob ein Christ nicht diesem romantischen Brauch nachgehen darf und auch „seinen Stiefel füllen“ lassen kann. Zunächst muss sicher zwischen der „Stiefel-Aktion“ und dem dahinter liegenden Brauch unterschieden werden! An sich ist es sicher zur Freude der Kinder, dass sie ein paar Nüsse und Süßigkeiten erhalten – keine Frage. Eine andere Frage stellt sich aber sehr wohl: Wie erklären wir kleinen Kindern diesen Brauch? Oder warum folgen wir selbst mit Kindern, Freunden oder Eltern dieser „Legende“? Denn Süßigkeiten kann man auch ohne eine solche „Form“ essen und verschenken.

Tatsächlich ist es ja so, dass nicht wenigen Kindern – wenn auch vielleicht im Spaß – in irgendeiner Weise eingeredet wird, dass hier ein Nikolaus vorbeigekommen ist, der nach dem Rechten geschaut hat. Und nur die lieben Kinder würden solche Süßigkeiten bekommen. An dieser Stelle geht es mir nicht um die Genusssucht und -gesellschaft, mit der wir es zu tun haben. Denn heute belassen es viele nicht mehr nur bei ein paar Süßigkeiten. Das ist für sich schon ein Problem.

Mir geht es darum, dass wir – wenn auch nur im Spaß – von einer Person erzählen, die heute nicht mehr lebt, aber angeblich bestimmte Dinge tut. Damit wird Kindern etwas vorgegaukelt, was in ihrer Vorstellung wie Zauberei erscheint.

Vielleicht mag diese Aussage manchen Leser verwundern und ihm extrem vorkommen. Aber – selbst unter Christen – scheint es nicht unüblich zu sein, sogar Nikolaus- und Weihnachtsmann- Verkleidungen mit ins Spiel zu bringen. Diese Vorspiegelung falscher Tatsachen stellt einen (zusätzlichen) Missbrauch kindlichen Glaubens dar.