Nachgedacht

Vorbilder und Maßstäbe

Es ist sicher schon manches über dieses Thema geschrieben und gesprochen worden. Da diese Begriffe in unserem Leben aber eine große Rolle spielen, möchte ich gern anhand der Bibel noch einige grundsätzliche Überlegungen vorstellen.

 

Subjektive oder objektive Maßstäbe?

In der Technik ist es ganz wichtig, dass man die „gleiche Sprache“ spricht. So müssen z.B. in der Informationstechnik bei der Übergabe von Daten genaue Übergabebedingungen, so genannte „Schnittstellen“ definiert sein. Da müssen die Daten an der richtigen Stelle und im richtigen Format zur weiteren Verarbeitung übergeben werden. Beachtet man diese Dinge nicht, kommt es zu ganz falschen Ergebnissen. In der Fertigungstechnik müssen ganz bestimmte Abmessungen und Toleranzen eingehalten werden, sonst kann ein technischer Apparat nicht richtig funktionieren. Subjektive Maßstäbe sind in der Technik kein geeignetes Mittel.

Früher wurden die Abmaße verschiedener Körperteile als Längenmaße verwendet. Wir kennen solche Maße wie Elle, Fuß oder Spanne. Aber je nachdem, wo diese Maße festgelegt wurden, repräsentierten sie eine unterschiedliche Länge. Je mehr sich nun Handel und Produktion ausweiteten, je nötiger war ein einheitlicher Maßstab. So wurde in unseren Ländern das metrische Maßsystem mit dem Meter als Grundmaß eingeführt. Damit in allen Ländern, die dieses System anwenden, auch wirklich die gleiche Länge zu Grunde liegt, hat man ein Urtyp, das „Urmeter“, geschaffen, an dem sich alle Maße orientieren müssen. Dieses Normal wird unter ganz bestimmten Umgebungsbedingungen im Louvre in Paris aufbewahrt. Im Zuge der weiteren technischen Entwicklung wurden genauere und feinere Normale unbedingt notwendig. Heute verwendet man deshalb die Wellenlänge eines ganz bestimmten spektralen Anteils des sichtbaren Lichtes als „Normal“ für das Urmeter.

Bezüglich der Zeit orientieren sich die Funkuhren an dem „Zeitnormal“, der Atomuhr, die für Deutschland in Braunschweig installiert ist. Auf diese Weise sucht man zu gewährleisten, dass an den verschiedenen Orten die Zeit sekundengenau übereinstimmt.

Während uns in der Technik diese Gedankengänge ganz plausibel sind, meinen wir in unserem Glaubensleben oft, ganz problemlos subjektive Maßstäbe anlegen zu können. Die Bibel belehrt uns da aber ganz anders und gibt uns autoritativ Wertmaßstäbe für unser Leben.

Der Herr Jesus: das „Urmeter“ der Christen

Die Bibel zeigt uns als „Urmeter“ des christlichen Lebens den Herrn Jesus und im weiteren Sinn auch das Wort Gottes selbst. Diese „Meßlatten“ sind für uns verbindlich, wie uns folgende Beispiele zeigen:

Als der Herr Jesus im Begriff stand, den Weg nach Golgatha zu gehen, versammelte Er die zwölf Apostel noch einmal, um ihnen sein Vermächtnis ans Herz zu legen. Nachdem Er ihnen die Füße gewaschen hatte, sagte Er: „Denn ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit, wie ich euch getan habe, auch ihr tut“(Johannes 13,15). Wenn wir die folgenden Kapitel aufmerksam lesen, finden wir noch
weitere solche Maßstäbe:

  • Wir sollen einander lieben, wie Er uns geliebt hat (Johannes 13,34; 15,12);
  • Wir sollen untereinander eins sein, wie Er mit seinem himmlischen Vater eins war (Johannes 17,11-22).

Zwei Jünger, die diese Gedanken in ihren Herzen bewahrt haben, schreiben später davon. Johannes fordert uns in seinem 1. Brief auf,

  • so zu wandeln, wie es der Herr Jesus getan hat (Kapitel 1,7;2,6);
  • dass jeder, der den Herrn erwartet, sich selbst reinigt, wie Er rein ist (Kapitel 3,3).

Petrus ermuntert uns in seinem 1. Brief, in die Fußstapfen des Herrn Jesus zu treten, seinem Beispiel folgend. Dort sagt uns Petrus, dass der Herr Jesus keine Sünde tat und dass kein Trug, d.h. keine Unwahrheit in seinem Mund gefunden wurde, dass Er „gescholten, nicht wiederschalt, leidend, nicht drohte“. Er verbindet damit die Aufforderung, dass wir, „den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben“ sollen (Kapitel 2, 21ff).

 

Ist der Maßstab zu hoch?

Bei solch einem Maßstab bleiben wir erschrocken stehen. Solche Gradmesser können wir doch nicht an unser Leben anlegen, oder? Johannes spricht doch davon: „Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, so betrügen wir uns selbst“ (1. Johannes 1,8). Dennoch zeigt uns die Bibel an noch vielen anderen Stellen immer wieder diesen Maßstab als die Grundlage für alle anderen Vorbilder oder Beispiele. In Philipper 2 lesen wir: „Diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christus Jesus war.“ Den Galatern hat der Apostel Paulus Jesus Christus mit dem Ziel vor Augen gemalt, dass Christus in ihnen gestaltet werden sollte (Galater 4,19). Leider ließen sie sich durch andere Lehrer von diesem alleinigen Maßstab abbringen.

Wie aber sollen wir dies richtig auf unser Leben anwenden? Aus den oben genannten Stellen entnehme ich für mich Folgendes: Wenn ich das Vorbild auch nicht in seiner ganzen Tiefe erreichen kann, so darf ich doch die Art und Weise, in der es der Herr Jesus mir vorgelebt hat, nachahmen. Die Jünger des Herrn Jesus in Antiochien wurden von den übrigen Menschen zum ersten Mal Christen genannt, weil etwas von diesem Jesus Christus, von dem sie redeten, in ihnen wiederzufinden war.

 

Nachahmer werden zu Vorbildern

Wenn wir dem Herrn Jesus ähnlich sind, können die Menschen etwas von Ihm in uns entdecken. Je ähnlicher wir Ihm sind, umso deutlicher wird das Bild unseres Herrn in uns zu erkennen sein. Der Herr Jesus war mit dem Bild seines Vaters in diesem Sinne deckungsgleich. Er war der Abdruck seines Wesens, wie es der Hebräerbrief in Kapitel 1 ausdrückt. So konnte der Herr Jesus zu Philippus sagen: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (Johannes 14,9). Indem wir den Herrn Jesus Christus als unser Vorbild wählen, sind wir Nachahmer Gottes als geliebte Kinder (Epheser 5,1-2).

Nachahmer des Herrn Jesus werden so zu Vorbildern für andere. Sie haben sich an Christus, ihrem „Maßstab“ orientiert. So konnte der Apostel Paulus den Korinthern schreiben: „Ich bitte euch nun, seid meine Nachahmer“ (1. Korinther 4,16). Was gab ihm die Berechtigung dazu? Das lesen wir in Kapitel 11,1: „Seid meine Nachahmer, wie auch ich Christi“. Gilt diese Tatsache nun nur für den Apostel Paulus oder die Apostel insgesamt? Nein, denn auch die Philipper werden beispielsweise durch den Apostel aufgefordert: „Seid zusammen meine Nachahmer, Brüder, und seht hin auf die, die so wandeln, wie ihr uns zum Vorbild habt“ (Kapitel 3,17). Von den Thessalonichern wird uns berichtet, dass sie bereits Nachahmer der Apostel geworden waren, indem sie das Wort Gottes aufgenommen und sich vom Götzendienst hin zu Gott gewandt hatten, um Ihm in Treue zu dienen (1. Thessalonicher 1,6-8). Sie ließen sich auch nicht durch Verfolgungen und Not davon abhalten. Auf diese Weise waren sie allen Gläubigen in Mazedonien und in Achaja zu Vorbildern geworden. Das gilt nun nicht nur für Gläubige, denen Gott eine besondere Aufgabe gegeben hat. Sicher tragen solche eine besondere Verantwortung. Sie sollen Vorbilder der Herde sein (1. Petrus 5,3), aber auch junge Leute werden aufgefordert, ihr ganzes Leben so zu gestalten, dass sie ein Vorbild für andere sind: „Niemand verachte deine Jugend, sondern sei ein Vorbild der Gläubigen in Wort, in Wandel, in Liebe, in Glauben, in Keuschheit (oder Reinheit)“ (1. Timotheus 4,12). Seien wir mal ehrlich vor uns selbst! Wie oft benutzen wir die Fehler anderer, um unser Versagen zu entschuldigen, als dass wir das positive Vorbild anderer als Ansporn für unsere Nachfolge dem Herrn Jesus nach annehmen.

 

Regelmäßig „eichen“ lassen!

Zwei Unternehmer vereinbaren, miteinander Fahrgestelle für Fahrzeuge herzustellen. Der eine übernimmt die Fertigung der Achsen, der andere die der Räder. Sie verständigen sich genau über die Maße und Toleranzen. Um sicher zu gehen, fertigen sie sich auch Prüfnormale an, mit denen getestet wird, dass Räder und Achsen auch wirklich zueinander passen. Der eine stellt nach diesen Vorgaben eine Prüfbuchse her, der andere einen Prüfzylinder. Mit diesen Prüfnormalen werden alle Teile getestet. Die ersten 1000 Fahrgestelle werden produziert, und alles klappt bestens. Doch bei der weiteren Produktion treten nach und nach immer mehr Probleme bei der Montage der Fahrgestelle auf. Was ist die Ursache? Beide haben doch immer die Normale bei der Kontrolle ihrer Erzeugnisse verwendet. Beim Nachmessen wurde festgestellt, dass die Prüfbuchse durch den ständigen Gebrauch etwas zu weit geworden war. Bei dem Prüfzylinder war das Gegenteil eingetreten. Sein Durchmesser hatte sich durch die Abnutzung verringert. Es mußte deshalb eine Korrektur im Vergleich mit dem „Urmeter“ erfolgen, damit alles wieder problemlos vonstatten gehen konnte. Genauso ist das auch in unserem Glaubensleben. Wir werden mit so viel Dingen konfrontiert, die mit Gottes Wort überhaupt nicht im Einklang sind. Nur gar zu schnell verändern sich da unsere Maßstäbe. Es ist deshalb immer wieder nötig, eine Kontrolle vorzunehmen. Dazu müssen wir die Bibel zur Hand nehmen und unsere Handlungen an diesem Normal abgleichen. Denken wir an solche warnenden Beispiele wie Demas oder noch viel prägnanter an Salomo, die diesen immer wiederkehrenden Abgleich außer Acht gelassen haben. Gottes Wort gibt uns die Sicherheit, dass dieses Prüfnormal keinem Verschleiß unterworfen ist. Von dem Herrn Jesus wird gesagt, dass Er derselbe ist gestern und heute und in Ewigkeit (Hebräer 13,8). Genauso ist es mit dem Wort Gottes. Es steht ewig fest in den Himmeln (Psalm 119,89). Beides „bietet“ uns deshalb zu allen Zeiten den festen, objektiven Maßstab für unser Glaubensleben.

 

Gottes Anordnungen sind die einzig gültige „Prüfvorschrift“.

Das soll uns ein Beispiel aus dem Leben Davids deutlich machen. Er hatte das Anliegen, die Bundeslade, die sich nach der Rückgabe durch die Philister seit ungefähr 20 Jahren in Kirjath-Jearim befand, nach Jerusalem zu holen. Zu diesem Zweck beriet er sich mit den Obersten und Fürsten. Es wurde ein Plan gemacht, wie der Transport der Bundeslade in würdiger Weise nach Jerusalem könnte. Ein neuer Wagen wurde gebaut, auf dem von Ochsen gezogen, die Lade nach Jerusalem gebracht werden sollte. Leviten lenkten das Ochsengespann. David und ganz Israel bildeten mit Instrumenten den Geleitzug. Plötzlich trat ein Zwischenfall ein. Die Rinder hatten sich losgerissen. Ussa, einer der Leviten, in der guten Absicht, die Lade vor dem Herabfallen zu bewahren, wollte sie festhalten. Doch Gott bestrafte ihn mit dem Tod. Er starb auf der Stelle. Warum musste er sterben? Alles geschah doch in bester Absicht. Die Antwort gibt uns 1. Chronika 15. Bei all den vielen Plänen hat man die Anordnungen des Wortes Gottes außer Acht gelassen. „Weil ihr das vorige Mal es nicht tatet, so machte der HERR, unser Gott, einen Bruch unter uns, weil wir ihn nicht suchten nach der Vorschrift.“ Die Lade sollte, wie alle Geräte des Zeltes der Zusammenkunft, nicht auf einem Wagen gefahren, sondern von den Leviten getragen werden, so hatte es Gott am Berg Sinai angeordnet.

Was können wir für uns heute daraus lernen? Es kommt nicht auf die noch so guten Absichten oder Wünsche an, wenn es um den Dienst für Gott geht. Wir müssen danach fragen, was Gott will. Gott verfolgt mit seinen Anordnungen ganz bestimmte Absichten. Am deutlichsten wird das vielleicht an seiner Anordnung gegenüber Mose. Als das Volk Israel in Kades nach Wasser schrie, sollte Mose zu dem Felsen reden und ihn nicht schlagen, wie früher einmal (s. 2. Mose 17). Aber in seinem Zorn über das ungehorsame und murrende Volk schlug Mose doch den Felsen mit seinem Stab (4. Mose 20). Im Ergebnis dieses Ungehorsams durften er und Aaron nicht in das verheißene Land. Aus 1. Korinther 10 wissen wir, dass der Felsen ein Bild auf Christus war. Der Herr Jesus wurde nur einmal unserer Sünde wegen geschlagen. Mit einem Opfer hat er auf immer vollkommen gemacht, die geheiligt werden. Nun hat Mose durch sein Handeln dieses Bild beeinträchtigt, nachdem er bereits den Felsen Horeb im Auftrag Gottes geschlagen hatte, um Wasser hervorzubringen (2. Mose 17). Gottes Antwort darauf ist streng und unbestechlich. Es geht eben nicht um unsere „guten Absichten“, sondern darum, Gottes Maßstab zu beachten, sein Wort.

 

Falsche Wertvorstellungen – der Weg ins Unglück

Leider finden wir heute inmitten der Christenheit viele Handlungsweisen und Ordnungen, die ihren Ursprung keinesfalls in Anordnungen des Wortes Gottes, sondern in irgendwelchen rein menschlichen Gedanken und Meinungen, wenn nicht gar in heidnischen oder götzendienerischen Gebräuchen haben. Das sollte uns Anlass zu ernstem Gebet vor Gott und zum intensiven Erforschen seiner Gedanken sein, um diese dann mit Entschiedenheit und freudig zu praktizieren.

Ein warnendes Beispiel haben wir in dem König Ahas von Juda (2. Könige 16). Er vertraute nicht auf seinen Gott, sondern suchte Hilfe bei dem assyrischen König Tiglath-Pileser. Dieser sollte ihm bei den Angriffen der Könige von Israel und Syrien helfen. Aber dann kommt es noch schlimmer. Während des Kriegszuges erreicht er Damaskus und sieht dort einen Altar, der ihm offensichtlich gefällt. Er lässt ein Modell davon herstellen und schickt es an den Priester Urija, um nach diesem Muster einen Altar für das Haus Gottes zu machen. Der eherne Altar des Tempels wird von seiner Stelle weggerückt und durch ein heidnisches Abbild ersetzt. Dabei war der Auftraggeber ein König des Volkes Gottes!

 

Welche Vorbilder prägen mein Leben ?

Wie viele Gewohnheiten und Vorbilder ungläubiger Menschen bestimmen auch unser Verhalten als Nachfolger des Herrn Jesus! Wie oft ändern wir es, einfach weil unsere Kollegen, Nachbarn und Mitschüler uns nicht verstehen oder verspotten. Ihr Urteil beeinflußt uns nicht selten stärker, als die Wünsche und Anordnungen unseres Herrn Jesus, die uns doch oft ganz deutlich in seinem Wort gezeigt werden. Vielleicht werden uns deswegen in der Bibel auch negative Beispiele vorgestellt, um uns von verkehrten Wegen abzuhalten. Wir können in diesem Zusammenhang an den eigenwilligen Weg des Volkes Israel denken (1. Korinther 10,6; Hebräer 4,11) oder an die Leute von Sodom (2. Petrus 2,6)

Sicher vermitteln uns diese Gedanken manches, was uns traurig stimmen kann, aber ganz bestimmt auch manches, was uns Mut macht. Wir haben so viele positive Vorbilder in der Bibel. Wie lang ist die Liste von Männern und Frauen des Glaubens im 11. Kapitel des Hebräerbriefes, „eine große Wolke von Zeugen“. Im Anschluß daran werden wir aufgefordert, auf den Herrn Jesus, dieses wunderbare und vollkommene Vorbild hinzuschauen und in aller Glaubensenergie den Weg Ihm entgegen zu gehen. Nehmen wir die Bitte „den Ausgang ihres Wandels anschauend, ahmt ihren Glauben nach“ (Hebräer 13,7) doch in unser Leben hinein. Wir dürfen uns dann der Zustimmung unseres Herrn sicher sein.