Bibelstudium

Das Buch der Psalmen - Bibelstudium

Viele von uns lesen immer wieder gerne in dem Buch der Psalmen, weil uns die Texte oft direkt ansprechen und stärken. Deshalb ist es besonders nützlich, dieses herrliche „Gedichtbuch“ im Gesamtzusammenhang der Bibel und in seiner Zielsetzung näher zu erforschen. Schließlich bilden die Psalmen in ihrer Gesamtheit einen wichtigen Teil der Belehrungen im Wort Gottes. Außerdem ist sicher jeder schon auf Verse gestoßen, die uns als Christen beinahe schockieren, z.B. Verse, in denen nach Rache gerufen wird (sogar in einem messianischen Psalm wie Psalm 69,27!). Dann gibt es auch Stellen, die von Zeitverhältnissen sprechen, die gar nicht im Erfahrungsbereich des Dichters lagen (Wann hat je ein König in Israel „bis an die Enden der Erde“ (Ps 72,8) regiert?). Haben die Psalmen vielleicht einen Horizont, der ganz außerhalb von Trostworten liegt? Diese Frage ist Grund genug, einige Punkte zu untersuchen, um dann mit (mehr) Einsicht die Psalmen zu lesen und zu gebrauchen. Dazu soll diese kleine Einführung eine Hilfe sein.

 

I Allgemeines

1.Entstehung

Der früheste Psalm stammt wohl von Mose (Ps 90), einer der letzten aus der Zeit der Gefangenschaft in Babylon (Ps 137). Insgesamt umspannen die Psalmen also einen Zeitraum von ca. 900 Jahren! Sehr viele (über 70) stammen von David, etliche von einigen seiner Sänger (Asaph, Söhne Korahs).

Sicher hat David auch maßgeblichen Anteil an der Entstehung und dem Gebrauch der Lieder im Gottesdienst (vgl. 1. Chronika 16,4).
Oft waren es persönliche oder gemeinsame Erfahrungen, die den Dichter zum Abfassen der Psalmen veranlasste. Zugleich war es aber auch der „Geist Christi, der in ihnen redete“ (1.Petrus 1,11); David z.B. nennt Gott „im Geist“ in Psalm 110 Herrn (Matthäus 22,43). „Der Geist des Herrn“ hat durch ihn geredet (2. Samuel 23,2). „Das Wie ihrer Entstehung ist von sehr geringer Wichtigkeit verglichen mit dem Wozu ihres ‚Entwurfs‘.“

 

2.Form und Einordnung in den biblischen Kanon

Die Psalmen sind in poetischer (dichterischer) Form geschrieben. Die hebräische Poesie ist ganz anders als die deutsche; nicht Reime und Versmaß, sondern gedankliche Parallelen bilden die Dichtung. Einige Beispiele:

  • synonymer Parallelismus: Zwei Gedanken sind gleich und werden nebeneinander gestellt. Beispiel: „seine Lust hat und ... über sein Gesetz sinnt“ (1,2).
  • Antithetischer Parallelismus: Gegensätze werden aufgestellt. Beispiel: „Der HERR kennt den Weg der Gerechten; aber der Gesetzlosen Weg wird vergehen“ (1,6).

Wenn dies beachtet wird, werden uns viele Stellen schneller klar.

Außerdem besitzen manche Psalmen in den Versanfängen eine alphabetische Ordnung, so z.B. die Psalmen 25, 34, 37, 111, 112 und natürlich 119, aber auch Psalm 9 +10 zusammen. Das erleichterte das Lernen bzw. Singen, hat aber auch inhaltliche Gründe.

Viele Psalmen sind mit Überschriften versehen, die wohl Anweisungen an den Chorleiter waren, aber auch eine innere Verbindung zum Thema des Psalms haben (vgl. z.B. Psalm 6). Andere Psalmen sind durch folgende Zusätze verbunden:

  • „Ein Maskil”(32, 42, 43-45, 52-55, 74, 78, 88-89, 142)
  • „Miktam” (56-60)
  • „Hallelujah”(111-113)
  • „Ein Stufenlied” (120-134).

 

3. Inhalte

150 Psalmen bieten ein nahezu unerschöpfliches Reservoir an Themen. Trotzdem seien hier einige hervorstechende Themen genannt (in Klammern folgt jeweils ein Beispiel):

„Jede Art von Versuchungen findet ihren Platz in den Psalmen.“ (Ps 57)

„Die Psalmen sind ganz überwiegend der Ausdruck der Gefühle, die in Gottes Volk durch die Ereignisse geweckt wurden.“ (Ps 38)

„Die Frömmigkeit, die sie atmen, ist erbauend in jeder Zeit; das Vertrauen in Gott, das sie oft ausdrücken, inmitten von Versuchung, hat das Herz mancher Diener Gottes in ihren eigenen Erprobungen gestärkt.“ (Ps 62)

Der leidende und erhöhte Christus wird in einmaliger Weise in den Psalmen vor die Herzen gestellt. Dieses Thema gehört sicher zu den erhabensten der Psalmen (s.u.).

„Die Psalmen betreffen also Juda und Israel, und die Stellung, in der sich solche, die zu Juda und Israel gehören, befinden. Ihr erster Charakterzug ist der Ausdruck der Wirkung des Geistes Christi in Bezug auf oder in dem Überrest der Juden in den letzten Tagen. Darüber hinaus stellen uns die Psalmen den Platz vor, den Christus selbst unter ihnen einnahm, als er auf der Erde war.“(Ps 42-45)

„Dass die Ratschlüsse Gottes ihren Platz in ihnen haben und die Psalmen weithin prophetisch sind, ist selbstverständlich eine Tatsache.“ (Ps 89)

Ähnlich wie in den Sprüchen bildet der Gegensatz zwischen dem Gerechten und dem Gesetzlosen ein weiteres wichtiges Thema. Dabei ist der Gesetzlose oft ein Hinweis auf den Antichristen, wie z.B. in Psalm 10,2.

Ganz auffällig ist auch das häufige Vorkommen des Wohnens Gottes, Zions, Jerusalems, kurzum, die Gegenwart Gottes als Hoffnung und Freude des Psalmisten. Ein Thema, das auch uns unmittelbar anspricht (s. z.B. Ps 132).

 

4. Zusammenstellung und Einteilung

Der „Komponist“ der Psalmen, also derjenige, der die Psalmen in die jetzige Reihenfolge gebracht hat, ist unbekannt. Hiskia hat sie in jedem Fall wieder neu nutzen lassen (2. Chronika 29,30). „Der Geist Gottes hat die Struktur überwacht.“

Es ist sehr wichtig, die Psalmen in ihrem jeweiligen Zusammenhang zu sehen und nicht (nur) isoliert zu lesen. „Die einzelnen Psalmen sind das, was einzelne Worte in einem Satz sind.“

„Es mag bemerkt werden, dass der folgende Grundsatz durchgängig vorhanden ist: Eine bestimmte große Wahrheit oder ein geschichtliches Ereignis wird in Bezug auf Christus oder den Überrest dargestellt. Und dann folgt eine Serie von Psalmen, in denen die Gefühle und Stimmungen des Überrests in Verbindung mit dieser Wahrheit oder Tatsache ausgedrückt werden.“ (Vgl. z.B. Psalm 9-10 und danach die Psalmen 11-15).

Außerdem sind oft im ersten Vers eines Psalms die Grundzüge des ganzen Psalms zusammengefaßt (z.B. Psalm 91).

Die Einteilung der Psalmen in fünf Bücher hat bereits die Juden veranlasst, die Psalmen als „Pentateuch Davids“ zu bezeichnen, also eine Parallele zu den fünf Büchern Mose zu ziehen. Inhaltlich könnte man deshalb in der Tat folgende Einteilung und Gliederung vornehmen:


1. Buch (Psalm 1–41):

Christus im Ratschluß Gottes als Quelle aller Segnung für sein Volk (Israel). Prophetisch: Der Überrest noch in Jerusalem.

Das 1. Buch Mose:

Das Buch der Anfänge und Ratschlüsse Gottes.

 

2. Buch (Psalm 42–72):

Ihr Ruin, aber Erlösung in den letzten Tagen.
Prophetisch: Der Überrest aus Jerusalem vertrieben (Matth 24, Ps 42).

Das 2. Buch Mose:

Erlösung und Hilfe in der Wüste.

 

3. Buch (Psalm 73–89):

Die Heiligkeit Gottes in seinen Handlungen mit ihnen (Asaph und die Söhne Korahs dienten im Heiligtum!).
Prophetisch: Die Wiederherstellung der Nation.

Das 3. Buch Mose:

Gottesdienst im Heiligtum, Wandel in Heiligkeit.

 

4. Buch (Psalm 90-106):

Der gefallene erste Mensch (90) ersetzt durch den Zweiten (91).
Prophetisch: Die Einführung des Erstgeborenen in die Welt (Hebräer 1,5)

Das 4. Buch Mose:

Die Wüsten- wanderung mit dem Land als Ziel.

 

5. Buch (Psalm 107-150):

Die allgemeinen Ergebnisse der Regierung Gottes.15
Prophetisch: Rückblick und Ausblick auf den vollen Segen im Tausendjährigen Reich.

Das 5. Buch Mose:

Rückblick und Ausblick auf die Zukunft.

 

Im Neuen Testament werden die Psalmen ca. 88 mal direkt zitiert, ganz abgesehen von zahllosen Anspielungen. Sie sind dadurch über jeden Zweifel in Bezug auf ihre Inspiration weit erhaben.

 

II Der richtige Zugang zu den Psalmen

Die z.T. großen Gegensätze zwischen Aussagen des Neuen Testaments und denen in den Psalmen fallen jedem Leser schnell auf und geben Anlass zu Fragen. Deshalb folgen hier kurz einige Aspekte, die helfen sollen, die Psalmen besser einordnen zu können.


1. Der Unterschied zwischen der Stellung der Psalmisten und unserer Stellung vor Gott

Christen kennen Gott als Vater (Johannes 17,6) und sind in Gemeinschaft mit Ihm und dem Sohn (1. Johannes 1,3), also in einmaligen Beziehungen zu göttlichen Personen. Der Heilige Geist wohnt bleibend in uns (Joh 14,17). Dies unterscheidet uns grundsätzlich von Gläubigen aller anderen Zeitepochen. Dieses Verhältnis fehlt daher naturgemäß in den Psalmen. Auch die Haltung der Gnade, von unserem Herrn vorgelebt, ist typisch christlich.

Die Israeliten dagegen kannten nicht die volle Vergebung, wenn sie uns auch in ihrem Vertrauen und ihrer Freude oft sehr in den Schatten stellen. Ihr Wunsch war eine gerechte Regierung Gottes und das Richten ihrer Feinde. So wird es auch in der Zukunft wieder sein (vgl. z.B. Offenbarung 6,10). Aber gerade dieser Zustand der nicht bewussten Vergebung kennzeichnet leider auch noch manche Christen. Sie sind – wie der in Römer 7 beschriebene Mensch – noch unter Gesetz. Da tröstet sie mancher dieser Psalmen. Aber das sollte nicht so bleiben. Wir würden unsere Stellung als befreite Christen aufgeben bzw. nie erreichen, wenn wir in dieser Hinsicht wie die Psalmisten beten würden!
„Unter Gesetz (befindlich) mögen uns die Psalmen in echter Not trösten; unter Gnade genießen wir sie, weil wir Christus lieben und göttliche Einsicht haben.“

 

2. Die „Rachepsalmen“

Manchmal lesen wir ermutigende Verse direkt neben Wünschen nach Rache, z.B. in Psalm 5: „Ebne vor mir deinen Weg ... Lass sie büßen, o Gott“ (V. 8.10). Das verwirrt und macht uns unsicher, ob wir aus einem solchen Psalm überhaupt Nutzen für uns ziehen dürfen. Schließlich möchten wir doch alle in der Gesinnung des Herrn handeln: „Vater, vergib ihnen“ (Lk 23,34).

An sich haben natürlich auch wir den Wunsch, dass Böses gerichtet wird, weil Gott Licht ist und wir Teilhaber dieser Natur geworden sind (2. Petrus 1,4). Aber wir wünschen zugleich die Umkehr des Bösen zum Herrn. Ein Vergleich von Psalm 139,21 mit Offenbarung 2,6 macht deutlich: Wir hassen nicht den Bösen, sondern das Böse. Auch unser Gott ist ein verzehrendes Feuer (Hebräer 12,29) und wird einmal gerechte Vergeltung bringen (2. Thessalonicher 1,6).

Der Unterschied zwischen der jetzigen Zeitepoche und der damaligen wird sehr deutlich an einem Ereignis aus dem Leben Elias und seiner Erwähnung im Neuen Testament. Als der böse König ihn verhaften wollte und einen Obersten mit fünfzig Soldaten zu ihm schickte, bat Elia um Feuer vom Himmel. Und tatsächlich, die Fünfzig wurden vom Feuer verzehrt (2. Könige 1,10 etc.). Die Jünger beriefen sich auf genau diese Begebenheit, um auch Feuer vom Himmel herabkommen zu lassen, damit die Feinde vernichtet würden. Aber der Herr tadelt sie (Lukas 9,54.55)! „Wenn Christus gekommen ist, um zu retten, wie unangebracht ist dann ein Gebet um Gericht!“

Jetzt ist wirklich die wohlangenehme Zeit, in der Gott das Gericht aussetzt, um sein Haus mit erlösten Sündern zu füllen! Es ist gleichzeitig der Zeitraum, in der Gott eine himmlische Berufung schenkt, und nicht eine irdische.
Aber die gleichen Heiligen, die jetzt um Barmherzigkeit bitten, werden in der Zukunft dem Herrn Jesus als seine Kriegsheere folgen und Gericht ausüben (Offb 19,14)! Wir werden einmal sogar Engel richten (1. Kor 6,3).

Die Rufe um Rache sind also ganz kennzeichnend für Gläubige außerhalb der jetzigen Gnadenzeit, weil diese Menschen das unmittelbare Eingreifen Gottes erwarten (wenn es nicht eintraf, bereitete es ihnen Probleme, vgl. z.B. Asaph in Ps 73). Auch die Gläubigen aus den Juden in der Zukunft, der oft zitierte Überrest, erwarten dieses Handeln Gottes zu ihren Gunsten, verbunden mit der Vernichtung der Feinde. Denn Errettung wird für sie gerade durch die Vernichtung ihrer Feinde bewirkt.

Die Haltung des Vertrauens in vielen Psalmen (wie z.B. in Ps 5,9) und manches andere können wir sicher auf uns anwenden, aber ansonsten ist große Zurückhaltung geboten, weil wir sonst auf ganz falsche Gedanken kommen können.

 

3. Die Erfahrungen und Hoffnungen in den Psalmen

„Wir werden andere Elemente finden:

  • Das Unterscheiden des Gerechten von dem Rest des Volkes,
  • Der Geist Christi, der redet (1.Petr. 1,11),
  • Die Sünden des Volkes, aus denen allein Gott die Treuen befreien kann.

Der Gedanke der Barmherzigkeit geht dem der Gerechtigkeit als Grund ihrer Hoffnung überall voraus. Die Psalmen sind, abgesehen von gewissen Lobgesängen am Ende des Buches und am Ende einiger anderer Psalmen, nie der Ausdruck von Freiheit.“

Immer wieder erfüllt auch die Hoffnung auf eine herrliche Zukunft unter der Herrschaft des Messias die Dichter mit Freude. Das gibt den Psalmen einen besonderen, prophetischen Charakter.

Auch wir dürfen die Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus lieben (2. Tim 4,8) und uns auf die herrliche Segenszeit im tausendjährigen Reich freuen. Und doch hat der Herr uns besonders mit himmlischen, geistlichen Segnungen gesegnet (Eph. 1,3-7). So sehr wir den Herrn im Alltag, bei Krankheiten und Sorgen nötig haben – ein Heilen aller Krankheiten, wie z.B. in Psalm 103 beschrieben, entspricht nicht dem Handeln Gottes mit uns als Christen (s. z.B. 2. Tim 4,20). Das wird ein irdischer Segen für Israel in der Zukunft sein.
Wenn wir die Unterschiede ein wenig erkannt haben, wird es uns leichter fallen, dennoch aus schwierigen Psalmen Nutzen für uns zu ziehen (s.u.).

 

4. Der prophetische Charakter der Psalmen

Die Psalmen sind zwar nicht ein prophetisches Buch wie zum Beispiel das Buch Jesaja. Aber die Zusammenstellung der einzelnen Psalmen als Ganzes, der oft in die Zukunft weisende Inhalt, auch die Einteilung in die fünf Bücher und mancheanderen Merkmale zeigen, dass die Psalmen weit über die persönliche Situation des Dichters (oder der Leser) hinausgehen. „Aus der persönlichen Erfahrung heraus wird das Netz der Prophetie in ihnen gewoben. Dieser besondere prophetische Charakter ist mehr oder weniger durchgängig zu finden.“

„Das besondere Interesse konzentriert sich auf zwei Zeitperioden von beherrschender Bedeutung, nämlich das erste und zweite Kommen des Messias zu ihnen (den Juden). Das erste, um für sie und uns die gerechte und einzige Grundlage aller Segnung zu legen, und das zweite, um ihnen die nationale Segnung zu bringen, aber nach einer züchtigenden Erprobung von kurzer Dauer, aber unvorhersehbarer Schwere. Dies sind die prophetischen Ereignisse, denen die Psalmen all ihr Pathos tiefer Emotion geben, die ganze Vielfalt tiefer Ausdrücke.“

Ganz eindrücklich wird der auf die Zukunft hinweisende Charakter der Psalmen in den Stufenliedern (Psalm 120–134) deutlich: Sowohl die innere als auch die äußere Wiederherstellung des jüdischen Volkes wird in dieser Folge „stufenweise“ vorgestellt.

 

5. Christus in den Psalmen

Christus ist das große Thema der ganzen Bibel, aber es gibt wohl kaum ein Buch, das so zu Herzen gehend über den Herrn Jesus redet wie gerade die Psalmen. Schon die Rabbiner anerkannten die Psalmen 22 und 72 als messianisch. Im Neuen Testament werden sechzehn Psalmen als auf Christus bezogen zitiert.

„Nichts kann an seinem Platz fruchtbarer sein, als im Herzen ergriffen zu werden beim Anschauen der Leiden des gepriesenen Erlösers. Es sind, so denke ich, drei verschiedene Arten:

  • Er litt von Seiten des Menschen um der Gerechtigkeit und Liebe willen;
  • Er litt von Seiten Gottes für Sünde;
  • Er trug in seiner Seele, am Ende seines Lebens, all die Not und die Bedrängnis, unter die die Juden durch die Regierung Gottes kommen werden.

Am Ende des Lebens Christi überschnitten sich diese drei Arten und waren vereint in den Leiden seiner letzten Stunden.“

 

6. Unser Nutzen aus den Psalmen

Obwohl wir als Christen also eine ganz andere Stellung vor Gott und damit naturgemäß auch eine ganz andere Haltung zu Menschen um uns her haben dürfen (nämlich wie Christus selbst, als Er auf der Erde war), haben wir dennoch großen Nutzen und Segen beim Studium der Psalmen. „Alle Schrift ... ist nützlich“, sagt Paulus in 2. Tim 3,16. „Die Schreiber der Psalmen sind Heilige, und in allem, was diesbezüglich grundsätzlich ist, ganz gleich in welcher Epoche, sind wir auf gemeinsamem Boden.“28 Wenn wir die Unterschiede und Einschränkungen beachten, wird dieser Segen noch größer sein:

  • Die Betrachtung der Leiden unseres Herrn erfüllt uns immer wieder mit Freude und Anbetung.
  • Auch sein tiefes Mitgefühl in unseren Leiden (vgl. Jes 63,9: „In all ihrer Bedrängnis war Er bedrängt“) redet in den Psalmen immer wieder tröstend zu uns. „Dies ist eine unerschöpfliche Quelle für uns, die wir neben dem Besonderen unseren irdischen Weg der Prüfung und Leiden zu gehen haben – wenn wir dann sein Mitgefühl in dieser intimen Weise kennen.“
  • Das tiefe Vertrauen der Dichter in Gott ermutigt uns, ebenfalls einen Weg des Vertrauens zu gehen.
  • Schließlich sollte es auch uns interessieren, was einmal mit Christus (und seinem irdischen Volk) in der Zukunft geschehen wird. Prophetie ist nämlich christozentrisch: „Der Geist der Weissagung ist das Zeugnis (über) Jesu(s)“ (Offb 19,10).

 

7. Christliche Psalmen?

Calvin, einer der großen Reformatoren, betrachtete die Psalmen als ein christliches Gesangbuch und wollte, dass nur noch Psalmen gesungen wurden! Wenn wir die oben erwähnten Aspekte bedenken, wird schnell klar, dass dies einerseits unseren Glauben verfälschen, aber andererseits auch einengen würde:

Vieles können wir nicht singen, anderes, uns Wertvolles, ist in den Psalmen gar nicht enthalten!

Die im Neuen Testament erwähnten Psalmen (Eph 5,19; Kol 3,16) sind nicht etwa die Psalmen des Alten Testaments, sondern neue, der christlichen Segnung entsprechende Lieder und Gedichte. Diese waren bereits zur Zeit des frühen Christentums vorhanden und wurden in den Zusammenkünften benutzt. Die meisten von ihnen sind durch die Verfolgungen, besonders unter Diokletian, verloren gegangen.

Aber warum gibt es denn dann keine „christlichen Psalmen“ im Neuen Testament, die in inspirierter, für alle Zeiten gültiger Form einen Teil des Neuen Testaments bilden? Das wäre doch herrlich, oder? Vielleicht geben folgende Überlegungen eine Antwort auf diese Fragen: Der Christ soll und darf vom Heiligen Geist geleitet und erfüllt sein (Epheser 5,18) und in der Kraft dieses Geistes den Vater und den Sohn anbeten, allein oder gemeinsam. Dieser Geist, der ja den Herrn Jesus verherrlichen will, wirkt immer wieder neu und frisch. So mag Er zu bestimmten Zeiten viele Gläubige besonders unter den Eindruck des Werkes des Herrn bringen. Dieser Tatsache verdanken wir z.B. viele Lieder in unseren Gesangbüchern. Aber der Vater gibt den Geist nicht nach Maß, es bleibt eine unerschöpfliche Fülle an Themen, um den Herrn zu besingen!

Wenn wir solche NT-Psalmen hätten, könnten wir meinen, wir brauchten uns auch gar nicht mehr geistlich zu engagieren. Dann wären wir innerlich vielleicht nicht mehr richtig dabei. Aber so dürfen wir, auch ohne dichterische Begabung, in Gebeten und Liedern, den Herrn auf tausend Weisen preisen, schon hier und bald in Ewigkeit, in Vollkommenheit, mit dem Neuen Lied (Offb 5,9)!

 

Empfehlenswerte Literatur für weiteres Studium (in Klammern ein kurzer Hinweis auf den Schwerpunkt des jeweiligen Buches):

André, Georges: Christus in den Psalmen (kurz und zu Herzen gehend)

Darby, J.N.: Praktische Betrachtungen über die Psalmen (Glaubenerfahrungen)

Grobety, Paul: Was sagen uns die Psalmen? (Überblick)
Rossier, H.: Betrachtungen über die Psalmen (sehr gründlich)

Alle Bücher sind beim Herausgeber von „Folge mir nach“ erhältlich.