Nachgelesen

Aus der Schatztruhe - wir blättern in der Literatur unserer Väter

In dieser Rubrik wollen wir in unregelmäßigen Abständen Auszüge aus Werken geschätzter Diener Gottes vergangener Zeiten wiedergeben, denen der Herr ein tiefes Verständnis seines Wortes geschenkt hat. Die aktuelle Botschaft dieser Artikel ist auch im 21. Jahrhundert eine echte Herausforderung. Die hier abgedruckten Texte sind aus Werken, die zum größten Teil inzwischen vergriffen sind oder nicht in deutscher Sprache vorliegen.

 

Wie man den Willen des Vaters erkennt

Unser geistlicher Zustand

Verachtet ein Kind gewohnheitsmäßig seinen Vater, und macht es sich nicht die Mühe, seine Ansichten und seinen Willen kennen zu lernen, ist leicht vorauszusehen, dass dieses Kind nicht in der Lage ist zu verstehen, was seinem Vater Freude macht, wenn sich ihm eine Schwierigkeit in den Weg stellt. Es gibt gewisse Dinge in unserem Leben, über die Gott uns nur allgemeine Grundsätze gegeben hat, damit der Seelenzustand des Einzelnen geprüft werde. Nehmen wir als weiteres Beispiel das Verhältnis einer Ehefrau zu ihrem Mann. Wenn sie die Gefühle und
den Geist einer Gattin hat, ist es wahrscheinlich, dass sie,nicht einen Augenblick darüber im Unklaren ist, was ihm angenehm ist; und das auch in einer Angelegenheit, in der ihr Mann keinen ausdrücklichen Wunsch geäußert hat.

Gern hätten die Menschen ein leicht zu handhabendes, bequemes Mittel, etwa eine Art Rezeptbuch, um den Willen Gottes zu erkennen. Es gibt jedoch kein Mittel, ihn festzustellen, ohne Bezug auf den Zustand unserer eigenen Seele.

Manchmal suchen wir auch den Willen Gottes zu erkennen in Umständen, in denen Gottes einziger Wille für uns ist, überhaupt nicht darin gefunden zu werden, sondern durch ein tätiges Gewissen veranlasst zu werden, sie sofort zu verlassen. Wir befinden uns auf einem selbstgewählten Weg, und trotzdem möchten wir
gern die Genugtuung genießen, von Gott geleitet zu werden. Diese Einstellung ist leider weit verbreitet.

Sei sicher, du wirst nicht im Unklaren bleiben, Gottes Willen zu erkennen, wenn du nahe genug bei Ihm bist. Dabei kann es vorkommen, dass uns Gott in seiner Liebe seinen Willen nicht immer sofort offenbart, damit wir unsere Abhängigkeit fühlen, besonders dort, wo der Einzelne dazu neigt, nach seinem eigenen Willen zu handeln. Du kannst dich nicht von diesem moralischen Gesetz des Christentums freimachen. „Deshalb hören auch wir nicht auf, von dem Tag an, da wir es gehört haben, für euch zu beten und zu bitten, damit ihr erfüllt sein möget mit der Erkenntnis seines Willens in aller Weisheit und geistlicher Einsicht, um würdig des Herrn zu wandeln zu allem Wohlgefallen, in jedem guten Werk fruchtbringend und wachsend durch die Erkenntnis Gottes“ (Kolosser 1,9.10). Die wechselseitige Verbindung dieser Dinge ist für die Seele von ungeheurer Wichtigkeit. Man muss den Herrn sehr gut kennen, wenn man würdig des Herrn wandeln möchte. So werden wir auch in der Erkenntnis seines Willens wachsen. „Und um dieses bete ich, dass eure Liebe noch mehr und mehr überströme in Erkenntnis und aller Einsicht, damit ihr prüfen mögt, was das Vorzüglichere ist, damit ihr lauter und ohne Anstoß seid auf den Tag Christi“ (Philipper 1,9.10).

Somit ist es der Wille Gottes, dass wir nur entsprechend unseres eigenen geistlichen Zustands in der Lage sind, seinen Willen zu erkennen. Unsere Aufgabe ist es, uns nahe bei Ihm aufzuhalten. Gott wäre nicht gut zu uns, wenn Er uns erlaubte, ohne diese Voraussetzung seinen Willen zu erkennen. Es mag bequem sein, einfach einen Leitfaden für das Gewissen zu haben. Denn auf diesem Weg bliebe uns die Erkenntnis unseres moralischen Zustandes erspart. Ein Christ ist über eine Entscheidung in Zweifel und Unsicherheit. Ein anderer, geistlicher als er, sieht in dieser Frage vollkommen klar. Er ist über die Unsicherheit des anderen überrascht, weil er keine Schwierigkeit sieht, doch schließlich versteht er, dass die Zweifel des anderen nur in dem Zustand seiner Seele ihren Ursprung haben. „Denn bei welchem diese Dinge nicht sind, der ist blind, kurzsichtig“ (2. Petrus 1,9).

 

Leitung durch Umstände

Was Umstände angeht, so glaube ich, dass man durchaus durch sie geleitet werden kann. Die Schrift sagt das deutlich z.B. in Psalm 32,9: „Mit Zaum und Zügel ... musst du sie bändigen“ (oder zurückhalten). Im Gegensatz dazu steht jedoch die Verheißung und das Vorrecht dessen, der Glauben hat. „Ich will dich unterweisen und dich lehren den Weg, den du wandeln sollst, mein Auge auf dich richtend, will ich dir raten“ (V. 8). Gott, der treu ist, hat uns das Versprechen gegeben, uns direkt den Weg zu zeigen. Sind wir nahe genug bei Gott, verstehen wir Ihn durch einen einzigen Wink. Er warnt uns davor, wie ein Ross oder Maultier zu sein, das kein Verständnis über Willen und Gedanken und Wünsche seines Herrn hat, sondern mit Zaum und Zügel zurückgehalten werden muss. Zweifellos ist diese Bändigung noch besser, als zu fallen und gegen Den aufzubegehren, der uns im Zaum hält. Aber es ist ein trauriger Zustand, wenn wir von Umständen geleitet werden. Von Gottes Seite aus gesehen ist es zweifellos gnädig, so zu handeln, jedoch sehr bedauerlich für uns.

 

Entscheidungen in Lebenssituationen

Hier muss ein Unterschied gemacht werden zwischen der Entscheidung, was einer in bestimmten Umständen zu tun hat, und der Leitung durch Umstände. Wer sich von Umständen führen lässt, ist im Dunkeln, was das Erkennen des Willens Gottes betrifft. In solchem Handeln liegt absolut keine moralische Stärke, denn es sind äußere Kräfte, die ein bestimmtes Handeln erforderlich machen.

Nun kann es gut möglich sein, dass ich im Voraus nicht weiß, was ich tun soll. Ich weiß nicht, welche Umstände mir begegnen werden, und folglich kann ich keine Entscheidungen treffen. In dem Moment jedoch, in dem die Umstände eintreten, erkenne ich mit voller Überzeugung den Weg nach Gottes Gedanken und nach der Absicht des Geistes. Das heißt nicht, durch Umstände geleitet zu sein, sondern in ihnen von Gott geführt zu werden. Sind wir nahe genug bei Gott, werden wir in der Lage sein, unverzüglich zu entscheiden, was wir tun sollen, sobald die Umstände eingetreten sind.

 

Leitung durch Eindrücke und Empfindungen

Was persönliche Eindrücke oder Empfindungen betrifft, bin ich sicher, dass Gott sie in unserem Geist hervorruft und bewirkt. In einem solchen Fall wird uns die Richtigkeit und der moralische Charakter der Sache jedoch sonnenklar sein. Auf diese Weise lässt Gott uns die Wichtigkeit einer Aufgabe fühlen, die vorher vielleicht vollkommen durch die Voreingenommenheit von einem bestimmten Wunsch verdeckt war. Empfindungen, die von Gott kommen, bleiben nicht unbestimmte Gefühle. Wenn Gott sie hervorgerufen hat, sind sie normalerweise deutlich. Ich zweifle daher nicht daran, dass Gott oft in unserem Geist bestimmte Ein- drücke bewirkt, wenn wir mit Ihm wandeln und seiner Stimme Gehör schenken.


Hindernisse auf unserem Weg

Wenn man davon spricht, dass Satan uns Hindernisse entgegenstellt, heißt das nicht, dass Gott diese Hindernisse nicht zugelassen hätte, um uns zum Nutzen zu sein.

Wenn ich in der vollen Gewissheit des Willens Gottes handle, ist es klar, dass Hindernisse, die sich mir in den Weg stellen, nur eine Prüfung für den Glauben sind, die mich nicht aufhalten sollten. Denn wenn wir uns auf unserem Weg nicht nahe genug bei Gott aufhalten, wird uns der Glaube fehlen, das auszuführen, wofür wir genug Glauben hatten, es zu erkennen. Sicherlich kann Gott uns, wenn wir eigenwillig und im Wandel lässig sind, in seiner Barmherzigkeit durch ein Hindernis, das uns aufhält, warnen, sofern wir darauf achten. Gott mag erlauben, dass Satan da, wo viel Arbeit und Geschäftigkeit ist, Hindernisse in den Weg stellt, damit wir in der Abhängigkeit vom Herrn bleiben. Wenn wir nicht wachsam sind und uns von Gott entfernen, fügt Satan uns Schaden zu. Im anderen Fall ist ein Einwirken Satans nur eine Glaubensprobe, um uns vor einer Schlinge oder der Gefahr der Überheblichkeit zu warnen. Es ist ein Instrument in der Hand Gottes zu unserer Korrektur.

 

Grundsätze, die uns recht leiten

Lasst uns nun untersuchen, ob die Schrift uns nicht einige Grundsätze mitteilt, die geeignet sind, uns richtig zu leiten. Voraussetzung dazu ist einzig und allein eine klare, geistliche Gesinnung. Die Regel, dass wir tun sollten, was der Herr Jesus in diesem oder jenem Umstand getan hätte, ist vortrefflich, wo und wann sie angewendet werden kann. Die Frage ist aber, ob wir oft in den Umständen sind, in denen der Herr gefunden wurde.

Als Nächstes ist es oft nützlich, sich selbst zu fragen, woher bei mir diese oder jene Neigung oder ein solcher Gedanke kommt, das eine oder andere zu tun. Wir haben oft festgestellt, dass allein diese Frage mehr als die Hälfte aller Schwierigkeiten, mit denen Christen zu tun haben, entscheidet. Denn „er leitet die Sanftmütigen im Recht und lehrt die Sanftmütigen seinen Weg“ (Ps 25,9).

Denke stets daran, dass die Weisheit Gottes uns in dem Weg seines Willens leitet, wenn aber unser eigener Wille tätig ist, kann Gott nicht mit uns sein. Das ist das Wesentlichste. Es ist das Geheimnis des Lebens Christi. Wir können sicher sein, dass Gott mehr in uns tut als wir für Ihn. Wir tun nur insofern etwas für Ihn, als Er selbst es in uns bewirkt hat.