Die Evangelien und die Opfer - Bibelstudium

Bibelstudium Die Evangelien und die Opfer (Teil 2)

In dem ersten Teil der Betrachtung über die Evangelien und die Opfer haben wir gesehen, wie die Herrlichkeit des Herrn Jesus in den beiden Evangelien nach Matthäus und Markus vorgestellt wird. Er ist der König und Messias bzw. der Diener und Prophet. Zugleich kann man die Beschreibung des Todes des Herrn mit den einzelnen Opfern vergleichen, die in 3. Mose 1-5 eingeführt werden. Im Matthäusevangelium können wir Christus besonders als die Erfüllung des Schuldopfers bewundern, der die ganze Schuld des Volkes Israel – aber auch die Schuld all derer, die an Ihn glauben – auf sich genommen hat. Im Markusevangelium finden wir den Herrn Jesus besonders als das Sündopfer. Er wurde für uns zur Sünde gemacht (2. Korinther 5,21). In dem nun folgenden zweiten Teil beschäftigt sich F. W. Grant mit dem Herrn Jesus im Lukas- und Johannesevangelium und zwei weiteren Opfern, dem Brand- und dem Friedensopfer.

Die Evangelien und die Opfer

Beim Friedensopfer isst der Mensch mit Gott von demselben Opfer, denn er ist in seiner Gegenwart zur Ruhe gekommen. Das ist das eine große Thema dieses kostbaren Evangeliums nach Lukas: Nicht das Werk, sondern das Geschenk der Errettung. Das lässt die Menschen in Jubel ausbrechen: Maria, Elisabeth, Zacharias, Simeon – alle sind von dem erfüllt, was wir in der Botschaft des Engels hören: Ein Erretter und eine Errettung.

Jesus – die Erfüllung des Friedensopfers im Lukasevangelium

In den ersten Kapiteln des Lukas-Evangeliums, in denen der Beginn des Dienstes unseres Herrn in Nazareth geschildert wird, ist dieser Gedanke so offensichtlich, dass sich viele Erklärungen erübrigen. Nur Lukas zitiert die folgenden Worte, durch die dieses Evangelium im vierten Kapitel in so auffälliger Weise charakterisiert wird: „Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, Armen gute Botschaft zu verkündigen; er hat mich gesandt, Gefangenen Befreiung auszurufen und Blinden das Augenlicht, Zerschlagene in Freiheit hinzusenden, auszurufen das angenehme Jahr des Herrn“ (Verse 18 und 19). Diesen Platz nimmt der Herr in dem ganzen Buch ein. Sein Handeln entspricht immer dem obigen Vers. Überall finden wir „Gott in Christus, die Welt mit sich selbst versöhnend, ihnen ihre Übertretungen nicht zurechnend“ (2.Kor 5,19). Der Mensch wird zu Gott gebracht und preist Ihn in dankbarer Anbetung dafür, dass die „Übertretungen nicht zugerechnet“ werden.

Daher hat auch am Ende von Kapitel 7 die Sünderin, die von der Gnade gehört hat, keine Angst, Ihn sogar im Haus eines Pharisäers aufzusuchen. Denn sie liebt viel, weil ihr viel vergeben worden ist. Doch hat sie, wenn wir es so nennen dürfen, eher ein Empfinden dafür als die Gewissheit. Der Herr enttäuscht jedoch niemals die größten Erwartungen, die der Glaube an Ihn stellt, und schenkt ihr deshalb diese Gewissheit mit den Worten: „Deine Sünden sind vergeben.“ „Er sprach aber zu der Frau: Dein Glaube hat dich gerettet; geh hin in Frieden.“ (Lk 7,48.50)

Wie lieblich ist es wiederum, Ihn in Kapitel 10 in der Person des „barmherzigen Samariters“ zu erkennen, der (ohne sich darum zu kümmern, wie die Menschen es Ihm als Schande anrechnen) „ohne Gesetz Gottes Gerechtigkeit“ (Röm 3,21) übt. Da Er um den hohen Wert seines vergossenen Blutes weiß, kann Er die blutenden Wunden des Mannes heilen in der Kraft seines eigenen noch zukünftigen Werkes.

Im 15. Kapitel ist alles Sinnen und Trachten im Himmel nur auf eines gerichtet: die Errettung verlorener Sünder. Das verlorene Schaf wird zurückgebracht, das verlorene Geldstück gefunden und ein zurückgekehrter verlorener Sohn wird willkommen geheißen: Das alles wird erwähnt, um jene „Zöllner und Sünder“ zu rechtfertigen, die sich Ihm nahten. Ihnen wird versichert, dass vor den Engeln Gottes Freude ist über einen Sünder, der Buße tut.

Gemeinschaft zwischen Jesus Christus und seinem Vater

Wir könnten noch weitere Beispiele hinzufügen, z. B. den Pharisäer und den Zöllner in Kapitel 18 und die Geschichte des Zachäus in Kapitel 19. Es soll jedoch genügen, nur noch eine andere Begebenheit zu zitieren. Wie vielleicht zu erwarten, trägt vor allem die Schilderung der Ereignisse am Kreuz diesen Charakter des Friedensopfers. Der Ausruf: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ ist nicht zu finden. Stattdessen sagt der Herr zweimal „Vater“. Obwohl über dem Kreuz ein Schatten liegen mag, ist der Herr mit Gott im Licht.

Er ist nicht mit sich selbst beschäftigt, wie es notwendigerweise der Fall sein musste, als Er den Kelch des Zorns und des Gerichtes bis zur Neige trank, sondern Er kann für andere Fürbitte tun. „Vater, vergib ihnen!“ (Lk 23,34), ist sein Gebet für seine Mörder. Doch noch herrlicher ist es, dass sich kurz darauf der Himmel für einen armen Sünder öffnet, der an seiner Seite hängt. Ein sterbender Übeltäter, der Ihn noch kurze Zeit vorher mit den übrigen Menschen verspottet hatte, wird in das Paradies aufgenommen.

Wie wichtig sind alle diese Einzelheiten! Wie sehr gewinnt dadurch das Lied der Engel in den ersten Kapiteln an Bedeutung! Während all diese Begebenheiten sicherlich zur Ehre Gottes in der Höhe sind, reden sie doch in lieblicher Weise auch von „Friede auf Erden, an den Menschen ein Wohlgefallen!“

Einige Ausführungen, die mit Hilfe einer Konkordanz leicht überprüft werden können, sind vielleicht zur Bestätigung des eben Gesagten nützlich.

Lukas spricht viel vom Frieden

Das Wort „Frieden“ kommt nur an zwei Stellen im Matthäus-Evangelium vor. „Und wenn nun das Haus würdig ist, so komme euer Friede darauf; wenn es aber nicht würdig ist, so wende sich euer Friede zu euch zurück“ (Mt 10,13). In demselben Kapitel heißt es auch: „Denkt nicht, dass ich gekommen sei, Frieden auf die Erde zu bringen; ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert“ ( Mt 10,34). Das Wort „Friedensstifter“ kommt einmal vor: „Glückselig die Friedensstifter“ (Mt 5,9).

Im Markus-Evangelium finden wir das Wort „Frieden“ nur einmal. Im fünften Kapitel sagt der Herr zu der Frau, die mit einem Blutfluss behaftet war: „Geh hin in Frieden, und sei gesund von deiner Plage“ (Mk 5,34).

Der Charakter dieser Abschnitte wird sofort deutlich. Vergleichen wir sie jetzt mit den folgenden Versen aus dem Lukas- Evangelium:

„...um unsere Füße auf den Weg des Friedens zu richten.“ (Lk 1,79)

„...und Friede auf Erden, an den Menschen ein Wohlgefallen.“ (Lk 2,14)

„Nun, Herr, entlässt du deinen Knecht, nach deinem Wort, in Frieden; denn meine Augen haben dein Heil gesehen.“ (Lk 2,29.30)

„Dein Glaube hat dich gerettet; geh hin in Frieden.“ (Lk 7,50)

„Während sie aber dies redeten, trat er selbst in ihre Mitte und spricht zu ihnen: Friede euch!“ (Lk 24,36)

Lukas beschäftigt sich viel mit Vergebung

Das Wort „Vergebung“ (aphesis) finden wir im Matthäus-Evangelium einmal. Es bezeichnet das Ergebnis des Opfers Christi. Im Markus-Evangelium kommt es einmal in Verbindung mit der Taufe Johannes‘ vor, die durch Gottes Gnade zur Vergebung führte. Ein weiteres Mal wird „Vergebung“ auch im negativen Sinn verwendet: „Wer aber irgend gegen den Heiligen Geist lästert, hat keine Vergebung in Ewigkeit“ (Mk 3,29).

Das Verb „vergeben“ (aphiemi) wird im Matthäus-Evangelium nur einmal bei einer konkreten Begebenheit benutzt. In Kapitel 9, Vers 2, sagt der Herr Jesus zu dem Gelähmten: „Kind, deine Sünden werden vergeben.“ Anscheinend wird dies vor allem gesagt, um den Charakter und die Würde des Herrn inmitten Seines Volkes zu zeigen. Im Markus-Evangelium finden wir genau das Gleiche. Aber im Lukas-Evangelium kommen beide Worte vergleichsweise häufig vor und zwar im Sinn von Vergebung, die jetzt direkt ausgesprochen wird.

„...um seinem Volk Erkenntnis des Heils zu geben in Vergebung ihrer Sünden“ (Lk 1,77).

„...Gefangenen Befreiung (dasselbe Wort) auszurufen“ (Lk 4,18).

„...Zerschlagene in Freiheit (dasselbe Wort) hinzusenden“ (Lk 4,18).

Der Herr war da, um beides zu tun: „Heute ist diese Schrift vor euren Ohren erfüllt“ (Lk 4,21).

„... und in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden gepredigt werden sollten allen Nationen“ (Lk 24,47).

Wie in den vorherigen Evangelien sagt Er auch hier zu dem Gelähmten: „Deine Sünden sind dir vergeben“ (Lk 5,20). Zu der großen Sünderin spricht Er dasselbe.

Am Kreuz hören wir Ihn sagen: „Vater, vergib ihnen“ (Lk 23,34).

Johannes nimmt einen besonderen Platz unter den Evangelisten ein

Wenn wir jetzt zum Johannes-Evangelium übergehen, so können wir feststellen, dass in keinem der vier Evangelien so klar und eindeutig die charakteristischen Eigenschaften zutage treten wie hier. Johannes wiederholt nicht das, was die anderen drei Evangelisten gesagt haben, sondern mit Hilfe dessen, was sie gezeigt und bewiesen haben, entwickelt er besonders erhabene Wahrheiten, für die die drei ersten Schreiber den Weg bereitet haben.

Die vorhergehenden Evangelien haben uns in Verbindung mit anderen Dingen gezeigt, wie die Menschen versucht und geprüft wurden durch die Gegenwart des Herrn, der in der Fülle der Liebe und Gnade und in unbefleckter Heiligkeit unter ihnen wandelte. Christus war zu seinem eigenen geliebten Volk gekommen als die Erfüllung lang ersehnter Verheißungen. Jesus war als der Freund der Menschen in der Welt und wollte ihnen entsprechend ihren Bedürfnissen dienen. Er zeugte in Vollkommenheit von Dem, dessen Erbarmungen bis in eine Welt der Schuld und des Elends hineinreichten und der dem Ausgestoßenen und Sünder mit Zusagen der Barmherzigkeit und Güte nachgeht.

Was aber war das Ergebnis? Ach, welche Seite des Herrn uns auch vorgestellt werden mag, eins bezeugen alle inspirierten Schreiber: Seine Verwerfung. Wie unterschiedlich die Schilderungen auch in mancher Hinsicht sein mögen, so stimmen sie doch überein, wenn es um das Kreuz geht. „Er war in der Welt, und die Welt wurde durch ihn, und die Welt kannte ihn nicht. Er kam in das Seine, und die Seinen nahmen ihn nicht an“ (Joh 1,10.11). Mit dieser gewichtigen Aussage beginnt das Johannes-Evangelium.

Daher berichtet Johannes hier nicht von einer erneuten Erprobung des Menschen – er ist bereits zur Genüge geprüft worden. Sein tatsächlicher Zustand offenbart sich durch das Licht, das in die Welt kommt. Die ganze Wahrheit über ihn kommt nun ans Licht. „Was aus dem Fleisch geboren ist, ist Fleisch“ (Joh 3,6), lautet das Urteil Gottes über alles, was aus dem natürlichen Menschen kommt. Wenn jemand Christus annimmt, ist das nur ein Zeichen dafür, dass bei ihm göttliche Macht am Werk war. Er ist „nicht aus Geblüt, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren.“ (Joh 1,13)

Johannes – das Evangelium der Herrlichkeit des Sohnes des Vaters

Johannes hat immer den zerrissenen Vorhang vor Augen, der den Weg in das Allerheiligste öffnet. Er sieht das herausstrahlende Licht, den Herrn Jesus, der nicht nur das Licht Israels, sondern das Licht der Welt ist. Sein Blut bedeckt die durch das Licht enthüllte Sünde. Das erste Kapitel stellt uns praktisch folgende Dinge vor: Die „Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit“ (Joh 1,14), die Herrlichkeit, die offenbart (d.h. die die Wahrheit ans Licht bringt), und die rettende Gnade, durch die wir in seiner Gegenwart bleiben können trotz all der Sünde, die aufgedeckt wird. Schließlich offenbart sich uns der Vater selbst, denn es heißt: „Der eingeborene Sohn, der im Schoß des Vaters ist, der hat ihn kundgemacht“ (Joh 1,18).

Die Wahrheiten, von denen wir in den anderen Evangelien nur einen flüchtigen, wenn auch herrlichen Schein sehen, leuchten auf diese Weise durch das ganze Johannes-Evangelium hindurch. So wie wir das Lukas-Evangelium mit Recht als das Evangelium des Friedens bezeichnen können, so dürfen wir das Johannes- Evangelium das „Evangelium der Herrlichkeit“ nennen.

Sogar am Kreuz erstrahlt die göttliche Herrlichkeit, dort, wo wir sie am wenigsten erwartet hätten. Wir lesen nichts von dem Schrecken einer großen Finsternis, die drei Stunden lang über die Erde kam. Der Schrei des Verlassenseins wird ebenso wenig erwähnt wie die Qualen des Herrn. Wenn der Herr Jesus spricht: „Mich dürstet,“ so sagt Er es, „damit die Schrift erfüllt würde“ (Joh 19,28). Durch seine vollkommene Übereinstimmung mit dem Wort Gottes handelt Er in allen Umständen gemäß dem Willen des Vaters und ist so der Gegenstand seines Wohlgefallens. Genauso ist beim Brandopfer alles für das Auge und das Herz Gottes bestimmt und steigt als ein lieblicher Geruch zu Ihm empor. So opfert der Herr Jesus sich hier selbst in dem ruhigen und vollkommenen Bewusstsein, dass sein Opfer vor Gott angenehm ist: „Als nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht! Und er neigte das Haupt und übergab den Geist“ (Joh 19,30).

Jesus Christus im Johannesevangelium: das Brandopfer

In welch lieblicher Weise gibt dieses Geschehen nicht nur von der Kraft unserer Erlösung Zeugnis, sondern auch von der Tatsache, dass wir vollkommen angenehm gemacht worden sind in dem Geliebten. Wie gut passt es auch zu dem besonderen Aspekt der Wahrheit, den wir hier vor uns haben: Die Gemeinschaft mit Gott im Licht in der Kraft eines neuen Lebens, das Er selbst geschenkt hat. Wir stehen vor Gott in Christus, bei welchem das Feuer nur den lieblichen Geruch vollkommener Hingabe hervorbringen konnte. Der Vater fand fortwährend sein Wohlgefallen an Ihm. Dieses Wohlgefallen wird auch auf uns übertragen, prägt unsere Gemeinschaft mit Gott und gibt ihr Bestand. Angenehm gemacht in dem Geliebten weilen wir in der Gegenwart des Vaters, und unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater und dem Sohn.

Die Vollkommenheit des Werkes wird noch auf andere, überaus kostbare Weise bezeugt. Aus der Seite eines toten Heilands fließt durch den Speerstoß eines Soldaten Blut und Wasser hervor. Gott antwortet mit Liebe auf die sinnlose Feindschaft des Menschen und trifft göttliche Vorsorge für seine Bedürfnisse. Dadurch ist bewiesen, dass tatsächlich alles vollbracht ist. Der Geist, das Wasser und das Blut bezeugen dieselbe unaussprechlich glückselige Wahrheit: Gott hat uns ewiges Leben gegeben, und dieses Leben ist in seinem Sohn.

Wir sollten noch eine weitere Seite des Brandopfers betrachten, die ebenfalls im Johannes-Evangelium zu finden ist. Wir sehen dort überall die vollkommene Freiwilligkeit des Opfers Christi. Im zehnten Kapitel heißt es: „Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse, damit ich es wiedernehme. Niemand nimmt es von mir, sondern ich lasse es von mir selbst. Ich habe Gewalt, es zu lassen, und habe Gewalt, es wiederzunehmen“ (Joh 10,17.18).

Auch im Garten Gethsemane gibt Er sich vollkommen freiwillig in die Hände derer, die kurz vorher noch vor Ihm zu Boden gefallen waren. „Der Kelch, den mir der Vater gegeben hat, soll ich den nicht trinken?“ (Joh 18,11), ist seine Antwort auf den Übereifer eines Jüngers.

Viel mehr braucht dem nicht hinzugefügt zu werden. Wir stellen hier eindeutig Übereinstimmungen voll lieblicher und heiliger Bedeutung fest. Mögen sie unsere Seelen stärken.

Die völlige Offenbarung des Vaters finden wir nur bei Johannes. Dieser Gedanke ist so offensichtlich, dass er kaum der Erwähnung bedarf. In den anderen Evangelien steht der Mensch und seine Erprobung im Vordergrund, aber diese Erprobung hat nun im Johannes-Evangelium endgültig ihr Ende gefunden. Juden und Heiden sind hier im Licht der Gegenwart Gottes ohne Unterschied, sind beide gleichermaßen tot in Sünden und haben eine Erneuerung nötig. Daher sieht Johannes Judentum und Heidentum als eins. Das Licht kam in die Welt. Die Sabbate der alten Schöpfung, das Gesetz und alle menschlichen Vorschriften sind mit dem Judentum vergangen. Der Mensch ist von der Bildfläche verschwunden, daher kann Gott die Geheimnisse seines eigenen Herzens enthüllen.

In Christus finden wir „Gnade um Gnade“

Danach sehen wir nur „Gnade um Gnade“ (Joh 1,16). In Ihm ist alles zu finden: Leben für die Toten, Licht für die Menschen in der Finsternis, Reinigung von Sünden, so dass wir im Licht mit Gott wandeln können. Wir sind in seiner Gegenwart, ohne dass uns ein Vorhang1 von Ihm trennt. So empfangen wir vollkommenen Segen.

Auf diese Weise offenbart Gott sich selbst als der, der uns seine Liebe anvertraut – denn Gott ist Liebe. Da es der eingeborene Sohn ist, der Ihn kundgemacht hat, werden auch wir in die Stellung von Söhnen gesetzt, damit wir diese Offenbarung verstehen und genießen können.

Das ist der Charakter des Johannes- Evangeliums. Es ist bezeichnend, dass es von dem Jünger geschrieben wurde, den Jesus liebte. Johannes spricht immer so, als läge er an der Brust des Herrn, der selbst wiederum in dem Schoß des Vaters ist: Es sind Worte voller Gnade und Liebe, die wir begierig aufnehmen, aber vor denen wir auch demütig und klein werden.

Zum Abschluss dieser kurzen Betrachtung sei noch ein weiterer Gedanke erwähnt. Im Markus- und im Lukas- Evangelium, in denen die Erniedrigung des Herrn besonders betont wird, wird sein Sterben mit dem gleichen Wort beschrieben wie das Sterben irgendeines Menschen: Exepneusen, „Er verschied“2. Im Matthäus-Evangelium, wo Er der König, der König des Himmels ist, heißt es: aphëken tò pneuma, „Er aber gab den Geist auf.“ Hier ist Er sogar im Tod Herr seiner selbst, so dass niemand sein Leben von Ihm nehmen kann. Im Johannes-Evangelium wird Er als der Sohn in Beziehung zum Vater gesehen, daher passt hier der Ausdruck parédoken tò pneuma, „Er übergab den Geist“, denn die Worte bedeuten, dass Er seinen Geist aktiv jemand anders übergab.

Die Vollkommenheit des Heiligen Wortes Gottes geht weit über unser Fassungsvermögen.

 

1 Im Johannes-Evangelium wird bei der Kreuzigung nicht erwähnt, dass der Vorhang des Tempels zerriss, weil er im gesamten Evangelium als schon zerrissen betrachtet wird. Denn uns wird der Herr Jesus hier als das Fleisch gewordene Wort (Johannes 1,14) gezeigt. Und aus Hebräer 10,19-21 wissen wir, dass der Vorhang der Stiftshütte und auch des Tempels ein Symbol für den Körper des Herrn Jesus ist: „Da wir nun, Brüder, Freimütigkeit haben zum Eintritt in das Heiligtum durch das Blut Jesu, auf dem neuen und lebendigen Weg, den er uns eingeweiht hat durch den Vorhang hin, das ist sein Fleisch“. Wenn wir also auf den Herrn Jesus sehen, dann offenbart Er uns Gott, und der im Allerheiligsten hinter dem Vorhang verborgene Ewige ist nicht mehr verborgen, sondern kann in gewissem Sinn gesehen werden.

2 Im Lukas-Evangelium sagt der Herr „Vater, in deine Hände übergebe ich den Geist“. Das griech. Wort für übergeben hat hier den Sinn von „anbefehlen“, während das Wort in Joh. 19,30 mehr eine aktive Selbstübergabe bedeutet.