Lebensbeschreibung

Dr. C. J. Davis, der gute schwarze Doktor

C.J. Davis wurde 1842 auf der Karibikinsel Barbados als eines von zehn Kindern einer christlichen Familie gebo- ren. Seine Eltern besuchten mit den Kindern die Metho- distenkirche und schon in jungen Jahren wurde C.J. Davis mit dem Wort Gottes vertraut gemacht.

Im Jahre 1866 besuchte Dr. Thomas Mackern aus Blackheath (London) die Inseln, um die Literatur von J.N. Darby, W. Kelly, C.H. Mackintosh und anderen Brüdern dort bekannt zu machen. Dabei traf er auf zahlreiche Christen, die einige Zeit vorher begonnen hatten, sich einfach als Christen zu dem Namen des Herrn Jesus hin zu ver- sammeln. Ein Mann, den der Herr besonders unter diesen Christen benutzte, war der 24jährige ehemalige Mehodistenprediger und spätere Lehrer C.J. Davis.

In demselben Jahr reiste C.J. Davis nach London, um Medizin zu studieren. Es war seine Absicht, auf die Westindischen Inseln zurückzukeh- ren, um dort als Arzt zu praktizieren. Während seines Studiums erhielt er mehrere Auszeichnungen.

 

Der Deutsch-Französische Krieg (1870-71)

C.J. Davis hatte sich in dem genannten Krieg entschlossen, den bei Sedan liegenden fieberkranken französischen und deutschen Soldaten zur Verfügung zu
stehen. Kurzerhand ließ er selbst Barakken und Zelte bauen und widmete sich in großer, selbstloser Hingabe der Pflege der Kranken und Verwundeten. Außer Krankenstationen richtete er auch Suppenküchen ein zur Verpflegung der notleidenden Menschen. Als eine Frau, die ihm in dieser Arbeit half, ihm berichtete, es sei nicht genug Suppe für alle Bedürftigen da, verkaufte er auf der Stelle seine Uhr, die er als Preis an der Universität bekommen hatte, um weiteren Menschen in Not helfen zu können. Diesem „Werk der Nächstenliebe“ verdankt C.J. Davis seinen Spitznamen „Der gute, schwarze Doktor."

In der Ausübung dieser Aufgabe nahm er - ähnlich wie der Apostel Paulus - „keine Rücksicht auf sein Leben als teuer für sich selbst“. So berichtet die medizinische Fachzeitschrift „Lancet“: „Sein Enthusiasmus ging über seine körperlichen Kräfte. Als er von einer kurzen Reise nach England, wo er um weitere Unterstützung für sein wohltätiges Werk geworben hatte, zurückkehrte, war er körperlich völlig erschöpft. Kurz nach seiner Ankunft in Sedan erlag er am 28. November 1870 im Alter von erst 28 Jahren den schwarzen Blattern.“

Neben den Hilfsmaßnahmen für die Menschen, die unter dem Krieg litten, lagen C.J. Davis auch die geistlichen Bedürfnisse der Menschen am Herzen. Er benutzte jede Gelegenheit, die sich ihm bot, um das Evangelium von Jesus Chri- stus zu verkün- digen und auch die Christen durch Gottes Wort zu belehren. Sein Buch „Hilfe für Gläubige“ (Aids to Believers) hat mehrere Auflagen erlebt und ist vielen Gläubigen zum Nutzen gewesen.


Auf dem Weg nach Sedan

Nach einer Abwesenheit vom Schlachtfeld war Dr. Davis auf der Rückreise von England, wo er neues Interesse für die Verpflegung der Soldaten wecken wollte. Er fuhr in einem Eilzug, um schnell nach Sedan zu seinen Kranken zurückzukehren. Im gleichen Wagen saßen eine Dame mittleren Alters mit ihrem Mann und noch einige Reisende.

Der Arzt lehnte sich, scheinbar schlafend, in eine Ecke. Nach einigen Minuten hörte man die Dame, die ihm im Wagen gegen- übersaß, in flüsterndem Ton zu ihrem Mann sagen: „Sieh mal, Hans, welch ein schöner Schwarzer, er muss einer der indischen Prinzen sein, die zum Besuch unserer Ausstellung nach England herübergekommen sind. Wie traurig ist es, dass er ein Heide ist und nichts von Gott weiß! Oh, wenn man bedenkt, dass er Götzen anbetet, wie schrecklich! Wenn ich doch seine Sprache könnte, vielleicht wäre es mir möglich, mit ihm von Jesus Christus zu reden."

„Still", sagte der Mann, „er könnte dich hören." Sie schwieg deshalb und beobachtete den Schwarzen weiterhin.

Der Zug fuhr schnell dahin, und die Reisenden unterhielten sich über die „vorbeifliegenden" Sehenswürdigkeiten. Doch bald wechselte der Gesprächsgegenstand zu allgemeineren Themen, wie dem Zustand der britischen Gesellschaft und besonders der Jugend. Hierzu bemerkte die Dame, „Man sieht bei der heutigen Jugend nicht mehr dieselbe Moral und Sittlichkeit wie früher."

Bei diesem Wort richtete sich Dr. Davis aus seiner Ecke auf. Er hatte im Stillen betend auf eine Gelegenheit gewartet, um ein Wort an die Mitreisenden richten zu können. Nun wandte er sich in gutem Englisch an die Dame: „Sittlichkeit, meine Dame" - wenn der Zug entgleist ware, hätte die Bestürzung der Reisenden kaum viel größer sein können als jetzt. Die Dame wurde bleich, als sie erkannte, dass der „arme schwarze Heide", von dem sie geglaubt hatte, er verstünde kein Wort Englisch, ihr ganzes Gespräch mitbekommen hatte. Aller Augen richteten sich jetzt auf den Schwarzen. „Sittlichkeit, meine Dame, die ist sehr gut und wertvoll; aber nur für diese Welt. Gibt es aber nicht etwa noch eine andere Welt?"

„Oh, ja, ja", antwortete stotternd die Dame, „eigentlich noch zwei: Himmel und Hölle.

Der Himmel ist der Ort, wo die Guten hinkommen und die Hölle der Ort, wohin die Bösen und Gottlosen gehen."

„Können Sie mir denn sagen, wie ich in den Himmel kommen kann?" fragte der schwarze Doktor jetzt.

„Nun", entgegnete die Dame verlegen, „Sie müssen Gutes tun, die Bibel lesen, zu Gott beten, dann kommen Sie in den Himmel "

„Aber ist es auch ganz sicher, dass das der richtige Weg ist?" fragte der Arzt weiter.

„Ganz sicher", antwortete die Gefragte, „denn die Bibel sagt es uns «

„Bitte, dann sagen Sie mir doch, wie es genau in Gottes Wort heißt", fuhr der Schwarze fort. „ich möchte meiner Sache gewiss sein."

Die Dame bedauerte, dass sie wohl keine Bibel und kein Neues Testament bei sich habe, suchte aber dennoch in ihrer Handtasche danach. Nach vergeblichem Suchen wandte sie sich an alle Mitreisenden, ob diese etwa eine Bibel oder ein Neues Testament bei sich hätten.

Alle schüttelten verneinend den Kopf. Da griff C.J. Davis in seine Tasche und holte zu aller Verwunderung eine englische Bibel hervor. Er legte sie der Dame in die Hände und bat sie, ihm doch die Stelle zu zeigen, die ihm diesen sicheren Weg zum Himmel zeige. Die Dame blätterte und blätterte, fand aber nicht, was sie brauchte. Hilfe suchend wandte sie sich dann an die Mitreisenden. Diese aber schüttelten wieder alle mit dem Kopf und erklärten ihr Unvermögen, in dieser so wichtigen Sache helfen zu können.

Nun erbat sich Dr. Davis die Bibel zurück und schlug sie bei Johannes 3 auf. Er las die Unterhaltung des Herrn Jesus mit Nikodemus, worin uns gesagt wird, was nötig ist, um in das Reich Gottes einzugehen: „Ihr müsst von neuem geboren werden!“ Er fuhr darauf weiter fort: „Dann aber hören wir dort von einem anderen Müssen, worin unsere Rettung liegt. Der Herr sagt nämlich von sich:

‚Wie Mose in der Wüste die Schlange erhöhte, so muss der Sohn des Menschen erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe.‘

Das erste „Müssen“, wenn es heißt: „Ihr müsst von neuem geboten werden“, sagt uns, dass wir alle verloren sind. Nie können wir aus eigener Kraft oder Sittlichkeit den Himmel erreichen, weil wir ja verderbte Herzen haben. Das zweite „Müssen“, wel- ches von dem Opfer des Erlösers am Kreuz spricht, zeigt uns unser Heil.“

Anhand dieser Bibelstellen zeigte der schwarze Arzt seinen Mitreisenden nun, wie Gottes Wort uns einen anderen Weg zum Himmel zeigt, als die Christenheit es im Großen und Ganzen tut und als es auch seine Mitreisende getan hatte. „Gottes Wort sagt uns“, so führte er aus, „dass wir alle Sünder, verlorene Sünder sind, die von Gott innerlich erneuert, oder wiedergeboren werden müssen, um in das Reich Gottes eingehen zu können. Es kann also gar keine Rede davon sein, dass der Sünder sich selbst retten und den Himmel erwerben kann durch gute Werke und fromme Übungen. Gott aber hat in seiner unergründlichen Liebe zu uns seinen Sohn für uns an das Kreuz gegeben, damit jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. Also nicht durch unser Tun, sondern durch Gottes Tun wird man errettet. Nicht durch das, was wir vollbringen, sondern durch das, was der Sohn Gottes am Kreuz vollbracht hat, erhält man das ewige Leben.“

Alle hörten erstaunt zu. Die Dame, die dem vermeintlichen schwarzen Heiden gern das Evangelium bringen wollte, es aber selbst nicht kannte, tat mehr, sie staunte nicht nur, sie hörte und glaubte. Der Herr tat ihr das Herz auf, dass sie ewiges Leben und Frieden mit Gott fand.

Beim Verlassen des Zuges bekannte sie dem Arzt, sie habe heute die Wahrheit und den Weg des Heils so einfach verkündigen hören, dass sie nun glauben könne. Jetzt wisse sie, dass auch für sie alles getan sein, und dass sie im Glauben an den Herrn Jesus Christus das ewige Leben habe und gerettet sei.

Dies war vielleicht die letzte Seele, die Dr. Davis für Christus gewinnen konnte. Wenige Tage nach der Ankunft in Sedan wurde er - wie oben schon erwähnt - von den Schwarzen Blattern befallen, welchen er erlag. Sein Herr und Erlöser rief ihn aus dem Schlachtfeld dieser Welt, wo er Ihm gedient hatte, zu sich, um dort bei Ihm zu sein. Zivil und Militär wetteiferten bei seiner Beerdigung, um „dem guten schwarzen Doktor“ die letzte Ehre zu erweisen. Der Festungskommandant erlaubte, was selbst bei der Beerdigung eines Offiziers nie geschah, die Tore der Festung zu öffnen. Aber seine größte Ehre war und bleibt, dass er ein treuer und hingebender Diener seines Herrn und Erlösers Jesus Christus gewesen ist.