Bibelstudium
Die Evangelien und die Opfer - Bibelstudium
Für die restlichen Ausgaben dieses Jahres haben wir einen Aufsatz von Frederick W. Grant als Grundlage der Bibelarbeit gewählt, der für jeden Bibel- leser eine schöne Herausforderung darstellt. Er beschäftigt sich mit dem erha- bensten Thema der Bibel: der Person und dem Werk unseres Herrn Jesus Christus. Wir haben den von Grant verfassten Text stark gekürzt, u.a. um die Grundaussagen des Autors stärker hervortreten zu lassen. Dennoch ist diese Bibelbetrachtung anspruchsvoll und interessant geblieben. Zur besseren Lesbarkeit haben wir Zwischenüberschriften eingefügt. Jedem, der durch diese Gedanken von Grant „auf den Geschmack“ gekommen ist, empfehlen wir, den vollständigen Text zu lesen, den wir gerne zur Verfügung stellen.
Wir wünschen Euch viel Freude bei der Beschäftigung mit unserem Retter.
Die Evangelien und die Opfer
Die charakteristischen Eigenschaften der einzelnen Evangelien erschließen sich uns durch die Betrachtung der Darstellung des Herrn Jesus. Den vier Evangelien entsprechen jeweils vier unterschiedliche Betrachtungsweisen.
So wird Er im Matthäus-Evangelium als „Sohn Davids, des Sohnes Abrahams“ gesehen, also in seiner Stellung hin- sichtlich des Thrones Davids und des Samens Abrahams, welcher der Erbe der Verheißung ist.
Im Markus-Evangelium dagegen begegnet Er uns „in Knechtsgestalt“. Er war nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen. Das bedeutete für Ihn eine tiefe Erniedrigung, so tief, wie es für den Menschen nötig war, indem Er letztlich sein Leben gab als Lösegeld für viele.
Im Lukas-Evangelium wird Er „in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden“ (Phil 2,7). Er lebt inmitten der Menschen und begegnet ihnen so als Sohn des Menschen in Gnade.
Das Johannes-Evangelium wiederum stellt Ihn uns vor in seiner „Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater“ (Joh 1,14). Als ausgezeichneter Sohn Gottes ist Er im Schoß des Vaters und macht den Vater kund. Er ist das Leben spendende Wort Gottes und gibt denen, die Er lebendig macht, die Vorrechte von Kindern und bringt sie in göttliche Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn.
Die Opfer und ihre Bedeutungen
Mit diesen Gedanken sind wir mehr oder weniger vertraut. Es wird jedoch nicht so klar gesehen - obwohl es nicht weniger klar ist - dass nicht nur die Person, sondern auch das Werk Christi ebenso viele verschiedene Seiten hat, die vollkommen mit jeder Betrachtungsweise seiner Person übereinstimmen. Die Opfer im dritten Buch Mose weisen ganz klar auf einen solchen Gedanken hin. Von den fünf Opfern in 3. Mose, Kapitel 1-5, zeigen uns vier die verschiedenen Vollkommenheiten Seines Sühnungswerkes. Das ist klar erkennbar durch die unterschiedliche Anwendung des vergossenen Blutes, so dass sofort vier verschiedene Perspektiven entstehen. Das fünfte Opfer dagegen, das Speisopfer, zeigt uns zweifellos den Charakter des Lebens des Herrn Jesus. Sobald wir die Einzelheiten der übrigen vier Opfer betrachten, wird wunderbar sichtbar, wie auf diesen Blättern des Alten und des Neuen Testamentes jeweils die einander genau entsprechenden Gegenstücke zu finden sind: Die Opfer in 3. Mose sind nur ein Bild von dem, was in den Evangelien lebendige Wirklichkeit ist.
Die vier Opfer, um die es sich handelt, sind das Brandopfer und das Friedensopfer, beides Opfer lieblichen Geruchs, dann das Sündopfer und das Schuldopfer, die nicht eigentlich Opfer lieblichen Geruchs sind. In den ersten beiden kommt Gottes Wohlgefallen an der Vollkommenheit und an dem Ergebnis des Opfers Christi zum Ausdruck, wobei der Mensch auch an der Freude teilhat. Die letzten beiden Opfer stellen uns dagegen eher den Gedanken der Sünde vor, an welcher Gott kein Wohlgefallen haben kann. Sünde erfordert Sühnung und Gericht, was ein für Gott zwar „fremdes“, jedoch notwendiges Werk ist.
Das Brand- und das Friedensopfer
Bei der Betrachtung der Einzelheiten des Brandopfers wird die Vollkommenheit des Opfers Christi sichtbar und die freiwillige Hingabe Seiner selbst, um Gottes Willen zu tun. Gott hat vollkommenes Wohlgefallen an diesem Opfer und nimmt es daher an.
Gott hat ebenfalls am Friedensopfer seine Freude. Hier darf der Mensch an dieser Freude teilhaben, indem er in Frieden mit Gott von diesem Opfer isst.
Das Sünd- und das Schuldopfer
Der Gedanke des Sündopfers ist jedoch völlig anders. In dem außerhalb des Lagers verbrannten Opfer sehen wir den Lohn der Sünde, die von Gott trennt und das Gericht nach sich zieht. Andererseits aber werden die heiligen Geräte gerade durch das Blut des Sündopfers geheiligt, und der Gnadenstuhl, d.h. der Sühndeckel der Bundeslade, wird mit diesem Blut besprengt. Genauso ist auch Christus, der für uns zur Sünde gemacht wurde, die Grundlage für alles. Dadurch ist uns nicht nur einfach vergeben worden, sondern wir sind sogar „Gottes Gerechtigkeit in ihm“ (2.Kor 5,21). Und Er ist auch als unser Stellvertreter „ein für alle Mal in das Heiligtum eingegangen, als er eine ewige Erlösung erfunden hatte“ (Heb 9,12).
In dem Schuldopfer schließlich wird nicht nur Sühnung für bestimmte Sünden getan, sondern auch für die Sünde. „Was er an dem Heiligen gesündigt hat, soll er erstatten“ (3.Mo 5,16), ist eins der auffälligsten Merkmale. Deshalb sehen wir darin Christus, wie Er alles wieder gut macht, ja, mehr als wieder gut macht, denn es heißt: „er soll ... dessen Fünftel darüber hinzufügen“. Gott und Menschen sind durch die Sünde verletzt worden, aber Christus bringt alles wieder in Ordnung.
4 Schlachtopfer – 4 Evangelien
Wenn wir über diesen Gegenstand weiter nachdenken, werden wir erkennen, in welch wunderbarer Weise sich die eben erwähnten Gedanken in den Evangelien wiederfinden: Alle inspirierten Schreiber des Wortes Gottes wurden durch einen Geist geleitet, so dass die Heilige Schrift vom ersten bis zum letzten Blatt eine göttliche Einheit bildet.
Wir sehen also, dass die vier Seiten des Kreuzes, dargestellt in den vier Evangelien, in den verschiedenen Opfern zu sehen sind, wie sie in den ersten Kapiteln im dritten Buch Mose beschrieben werden. Es gibt dort nur vier blutige Opfer (das Speisopfer, das kein blutiges Opfer ist, lassen wir, wie bereits geschehen, aus). Zwei davon, das Brand- und das Friedensopfer, sind Opfer „lieblichen Geruchs“: Das Friedensopfer spricht von Frieden und Gemeinschaft mit Gott, das Brandopfer von der Vollkommenheit des Werkes an sich für Gott. Zweifellos zeigen uns Lukas und Johannes in ihren Evangelien jeweils das Friedens- und das Brandopfer. Doch beim Sünd- und Schuldopfer wird die Seite des Gerichts über die Sünde hervorgehoben. Dieses Gericht ist das notwendige Ergebnis göttlicher Heiligkeit, aber nicht zum liebli- chen Geruch für Gott. Im Schuldopfer sehen wir Sünde eher als Unrecht, sei es gegenüber Gott oder gegenüber Menschen, im Sündopfer sehen wir Sünde als Sünde. Das erste muss in Ordnung gebracht, das zweite muss gesühnt werden.
Matthäus: Schuld und Regierung
Welches Opfer stellt dann Matthäus dar und welches Markus? Es scheint so zu sein, dass in Matthäus das Schuldopfer und in Markus das Sündopfer zu sehen ist.
Nur im Sündopfer wird das volle Gericht über die Sünde an einem Ort außerhalb des Lagers gezeigt. Denn dort wurde das Opfer auf der Erde verbrannt. Nun zeigen aber beide Evangelien unseren gepriesenen Herrn an diesem Ort außerhalb des Lagers: Der Schrei des schmerzlichen Verlassenseins wird sowohl im Matthäus- wie im Markus-Evangelium erwähnt. Vielleicht gibt es in der Schrift keine einfache Wiederholung desselben Gedankens. Obwohl dies auch ein Teil der Vollkommenheit des Wortes Gottes ist, stellt es bei der Auslegung eine Schwierigkeit dar. Letztlich drängte sich der Gedanke auf, dass das Schuldopfer eine Frage der göttlichen Regierung ist, das Sündopfer eine Frage der göttlichen Natur. Nun ist es bekanntlich das Matthäus- Evangelium, das von Regierung spricht. Es wird auch deutlich, weshalb beim Schuldopfer ebenfalls der Aspekt des Sündopfers zu finden ist: Der Anspruch einer göttlichen Regierung erfordert es, dass die Heiligkeit der göttlichen Natur gezeigt wird.
Im Matthäus-Evangelium gibt Gott eine zweifache Antwort auf das Werk Christi. Nachdem der Herr für uns in die äußere Finsternis gegangen ist, wird sie vertrieben: Der Vorhang des Tempels zerreißt in zwei Stücke von oben bis unten, so dass die Herrlichkeit Gottes nach außen strahlen kann und der Weg hinein zu Gott für den Menschen geöffnet ist.
Aber der Herr gibt auch seinen Geist auf, bevor Er sein Leben lässt. Das doppelte Teil des Menschen ist Tod und Gericht. Zuerst nimmt der Herr das Gericht auf sich und stirbt, nachdem Er es getragen hat: Die Antwort darauf wird in der Auferstehung vieler Entschlafener gesehen, die nach seiner eigenen Auferstehung in die heilige Stadt gehen und vielen erscheinen. Der Tod ist der Stempel unter dem Urteilsspruch der göttlichen Regierung für das gefallene Geschöpf, so wie der Kelch des Zorns der notwendige Ausdruck seiner Heiligkeit gegenüber der Sünde ist. Matthäus und Markus erwähnen beide das Zerreißen des Vorhangs, aber nur bei Matthäus finden wir die Auferstehung der Heiligen. Dies verdeutlicht wieder, dass das Matthäus-Evangelium das Kreuz im Hinblick auf eine göttliche Regierung zeigt, was eben im Schuldopfer vorgeschattet wird.
Markus: Sühnung und Gnade
Ein weiterer Hinweis liegt in der Tatsache, dass im Markus-Evangelium die Gnade als ein Ergebnis des Kreuzes nicht nur uneingeschränkter ist, sondern es handelt sich um reine Gnade ohne Vorbehalte (denn es heißt, dass „das Evangelium der ganzen Schöpfung“ (Mk 16,15) gepredigt werden soll, wobei die Verkündigung von Zeichen und Wundern begleitet wurde; diese zeigen, dass die Werke des Feindes überwunden sind und die Menschen nicht mehr unter den Auswirkungen des Gerichtes von Babel leiden). Auf ähnliche Weise kann Psalm 22 mit Psalm 69 verglichen werden. Daher wird im Markus- Evangelium weder ein prophetischer Blutacker (vgl. Mt. 27,8) noch der Ausruf „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“ noch das Gericht des Verräters erwähnt. Es hat mit Recht einmal jemand gefragt: „Wer muss dafür gerichtet werden, dass Gott unsere Sünde auf seinen geliebten Sohn legte?“ In dem Evange- lium, das von Regierung spricht, sind diese Dinge notwendig und am richtigen Platz. Würde Matthäus sie nicht erwähnen, fehlte etwas - dass wir sie im Markus- Evangelium nicht finden, zeigt die Vollkommenheit der Schrift.
Sogar das dreifache Zeugnis, das dem Herrn gegeben wird, scheint eher mit den Aspekten des Schuldopfers als mit denen des Sündopfers überein zu stimmen. Dieses Zeugnis wird durch den Verräter gegeben, der Ihn überlieferte, durch den Richter, der Ihn losgab, und vom Himmel durch den Traum der Frau des Pilatus. Markus erwähnt diese Einzelheiten überhaupt nicht. Durch das, was er weglässt, und durch das, was er erwähnt, lenkt er unsere Aufmerksamkeit auf den Aspekt des Verlassenseins von Gott, was der wesentliche Charakterzug des Sündopfers ist.
Lukas und Johannes: einleitende Gedanken
Im Lukas-Evangelium wird die Mensch- heit, im Johannes-Evangelium die Gottheit des Herrn betont. Da Er so als Mensch einen Platz unter Menschen einnimmt, ist es nicht verwunderlich, dass die Engel von Gottes „Wohlgefallen an den Menschen“ (Lk 2,14) reden. Dementsprechend zeigt das Lukas-Evangelium die Seite des Werkes Christi, die durch das Friedens- opfer veranschaulicht wird.
Am Anfang des Lukasevangeliums finden wir zwei charakteristische Verse: „Siehe, ich verkündige euch große Freude, die für das ganze Volk sein wird, denn euch ist heute in der Stadt Davids ein Erretter geboren, welcher ist Christus, der Herr“ (Lk 2, 10.11). „Und plötzlich war bei dem Engel eine Menge des himmlischen Heeres, das Gott lobte und sprach: Herrlichkeit Gott in der Höhe und Friede auf Erden, an den Menschen ein Wohl- gefallen!“ (Lk 2, 13.14).
Diese Verse verleihen dem vor uns liegen- den Evangelium sofort einen besonderen Charakter. Weder im Matthäus- noch im Markus-Evangelium lesen wir solche Worte. Dort sehen wir das schreckliche Gericht über die Sünde und erfahren, wie es durch göttliche Gnade für immer abgewendet wird. Wir lernen die Liebe unseres Herrn kennen, der sich selbst für uns gegeben hat. Aber im Lukas- Evangelium ist der Himmel geöffnet, und in seinem Licht wandeln wir. Gott und Mensch sind wieder eins. Der Himmel gleicht einem geöffneten Haus, in dem der Größte der Sünder freudig empfangen wird. Dadurch wird Gott in der Höhe verherrlicht und den Menschen Frieden gegeben.
Genau das ist die Bedeutung des Frie- densopfers, bei dem der Mensch mit Gott von demselben Opfer isst und in seiner Gegenwart zur Ruhe gekommen ist. Das ist das eine große Thema dieses kostbaren Evangeliums: nicht das Werk, sondern das Geschenk der Errettung. Das lässt die Menschen in Jubel ausbrechen: Maria, Elisabeth, Zacharias, Simeon - alle sind von dem erfüllt, was wir in der Botschaft des Engels hören: ein Erretter und eine Errettung.
Die Vollkommenheit des Heiligen Wortes Gottes geht weit über unser Fassungsvermögen.
wird fortgesetzt
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