Petrus und die Doppeldrachme

Petrus und die Doppeldrachme

Der Jünger und Apostel Petrus ist eine der bekanntesten Personen des Neuen Testaments. Im Vergleich zu den elf anderen Aposteln, die den Herrn Jesus während seines Lebens begleiteten, wird uns von ihm am meisten berichtet. Warum? Zum einen sicherlich, weil die Schreiber vom Heiligen Geist inspiriert waren. Gott wollte besondere Aufmerksamkeit auf Petrus lenken. Zum anderen bemerkt man beim Lesen der Evangelien, dass Petrus in seiner Spontaneität oft selbst in den Vordergrund tritt. Er war immer der Erste – sowohl in seinen Worten als auch in seinen Taten. Aber auch in einem anderen Sinn war Petrus unter den zwölf Jüngern „der Erste“ (vgl. Mt 10,2). Er hatte eine gewisse Führungsposition, die sich in der Apostelgeschichte noch deutlicher herausstellte. Trotzdem musste sein Meister ihn aufgrund seiner übereilten Worte und Handlungen wiederholt korrigieren. Diesen Korrekturen sollten wir unsere besondere Aufmerksamkeit schenken, da der Herr Jesus mit ihnen oft eine weitergehende Belehrung oder Offenbarung verbindet, aus der auch wir einen reichen Segen entnehmen.

Handeln, ohne genau zu wissen

Eine dieser „Korrekturen“ finden wir in Matthäus 17,24-27. Es geht um den Vorfall mit der Doppeldrachme (eine jüdische Kopfsteuer für den Tempel). Die Einnehmer dieser Steuer kommen zu Petrus und fragen ihn: „Zahlt euer Lehrer nicht die Doppeldrachmen?“ Ohne lange zu überlegen, antwortet er ihnen: „Gewiss.“ –

Wusste Petrus wirklich, ob der Herr Jesus die Tempelsteuer bezahlt hatte? Nein, er wusste es nicht. Er hatte sie in der Tat (noch) nicht bezahlt. Das entnehmen wir dem weiteren Verlauf dieser Verse. Es wäre also besser gewesen, wenn er den Herrn zuvor gefragt hätte oder einfach gesagt hätte: „Ich weiß es nicht.“ Lernen wir nicht daraus, dass wir nicht über das hinausgehen sollten, was wir tatsächlich wissen?

War Jesus nur ein guter Jude?

Bleiben wir noch einen Moment bei der Antwort von Petrus stehen. Warum erwidert er die Frage mit „Gewiss“? Wir dürfen annehmen, dass er den Lehrer in Schutz nehmen wollte. Er war darauf bedacht, dass die Mitmenschen seinen Meister für einen guten Juden halten möchten. War das nicht ein guter Beweggrund? Hatte er nicht eine hohe Wertschätzung von „Jesus, dem Nazaräer“? – Gewiss, der Herr Jesus war der einzige Mensch auf dieser Erde, der ohne Sünde war und der das Gesetz in allem erfüllt hat. Doch war Er nicht unendlich viel mehr als ein guter Jude? Einige Zeit vorher hatte Petrus zu Ihm gesagt: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16). Diese Wahrheit über die Person des Herrn Jesus hatte der Vater ihm offenbart: Er ist der ewige Sohn des ewigen Vaters. Mit anderen Worten: „Christus ..., der über allem ist, Gott, gepriesen in Ewigkeit“ (Rö 9,5). Hatte diese Person es denn nötig, Tempelsteuer zu bezahlen? War nicht Er selbst der wahre Tempel Gottes (vgl. Joh 2,21) und der wahre Gott des Tempels?

Nein, Er ist der Sohn Gottes!

Wie muss sich Petrus gewundert haben, dass der Herr Jesus ihn auf diesen Vorfall anspricht. Er hatte mitgehört, obwohl Er nicht anwesend war. In welch einer Weisheit begegnet Er Petrus, wenn Er sich ihm als der allwissende Gott vorstellt. Genau das hatte Petrus vergessen. Zugleich sehen wir die Geduld des Meisters: Er macht Petrus keinen Vorwurf, sondern möchte ihm durch die folgende Frage klar machen, wie wenig er sich seines eigenen Bekenntnisses bewusst war, das er kurz vorher ausgesprochen hatte (vgl. Kap. 16,16; s.o.).

„Was meinst du, Simon? Von wem erheben die Könige der Erde Zoll oder Steuer, von ihren Söhnen oder von den Fremden?“ Das war für den Jünger eindeutig: „Von den Fremden.“ – Der Herr antwortet ihm: „Demnach sind die Söhne frei.“ Der Vergleich ist klar. Wenn es um den Tempel, das „Haus meines Vaters“ (vgl. Joh 2,16) geht, dann kann niemand von dem Sohn die Tempelsteuer fordern. Er selbst war doch der Geber des jüdischen Gottesdienstes – wie konnte man von ihm die Steuer verlangen?

Und wir sind Söhne Gottes!

Es wäre angemessen gewesen, wenn der Herr Jesus gesagt hätte: „Demnach ist der Sohn frei.“ Doch Er sagt es anders: „Demnach sind die Söhne frei.“ Er verbindet sich mit den Seinen und versetzt sie in seine eigene Stellung. Sie waren die Söhne des Reiches. Nun – so könnten wir fragen – warum gibt der Herr Jesus dennoch seinem Jünger den Auftrag, diese Tempelsteuer zu bezahlen? Die Antwort lautet: „Damit wir ihnen aber keinen Anstoß geben ...“ (V. 27). Die Zeit, wo das Reich hier auf der Erde in Herrlichkeit aufgerichtet sein würde, war noch nicht da. Der Herr hatte ihnen gerade noch gesagt, dass er „nach Jerusalem hingehen müsse“ (Kap. 16,21) und dass „der Sohn des Menschen in die Hände der Menschen überliefert werden würde“ (Kap. 17,22-23).

Kennen wir etwas davon, als „Söhne des Reiches“ in dieser Welt zu leben und im selben Augenblick auf unsere Rechte zu verzichten? Der Herr Jesus hat es uns vorgelebt. Er war damals die erhabenste Person auf dieser Erde und zugleich der demütigste Mensch, der „sich selbst zu nichts machte“ (Phil 2,7). In dieser Gesinnung war er bereit, die Tempelsteuer zu bezahlen, die man von ihm forderte. Für uns ist die Zeit des Herrschens auch noch nicht gekommen. Sind wir bereit, nichts zu sein in dieser Welt, ja sogar „wie der Kehricht der Welt ..., ein Abschaum aller“ (vgl. 1. Kor 4,8-13)? Lasst uns von seiner Gesinnung lernen: „Damit wir ihnen aber keinen Anstoß geben.“

„Für mich und dich“

Noch einmal stellt sich der Herr Jesus als der wahrhaftige Gott vor. Dieses Mal nicht als der Allwissende, sondern als der Allmächtige. Für den Schöpfer war es eine Kleinigkeit, einen Fisch mit einem Geldstück zur Angel zu senden. Alles ist unter seine Füße gestellt: „Das Gevögel des Himmels und die Fische des Meeres, was die Pfade der Meere durchwandert“ (Ps 8,8). Auch wenn der Sohn Gottes in Armut hier auf der Erde lebte – Ihm gehört alles, und für Ihn sind alle Dinge geschaffen (vgl. Kol 1,16).

„Und du wirst einen Stater finden; den nimm und gib ihnen für mich und dich“ (V. 27b). Welch eine Herablassung, dass der Herr (des Weltalls) sich mit einem beschämten Jünger verbindet, der es gut gemeint und doch noch viel zu lernen hatte – und dazu für ihn sorgt. „Für mich und für dich“ – nicht: „Für uns“. Wenn Ihm nicht sein Teil, seine Ehre zukäme, bekämen wir nicht unseren Segen.

Wie hell erstrahlt die göttliche Herrlichkeit und Gnade unseres Meisters in diesem kurzen Geschehen! Er ist „der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“. Dieses Bekenntnis sollte unser Bewusstsein prägen – auch dann, wenn wir im Alltag durch die Fragen unserer Mitmenschen überrascht werden.