Das Buch des Propheten Jona - Bibelstudium

Bibelstudium Jona (VI)

In diesem letzten Teil der Gedanken zum Propheten Jona beschäftigt uns noch die Größe des Handelns Gottes mit diesem Propheten und mit all denen, mit denen dieser bei seinem Auftrag zu tun hat. Wenn Gott sich offenbart, dann zeigt sich immer Herrlichkeit – in den verschiedensten Aspekten: seine Gerechtigkeit und Heiligkeit auf der einen Seite; seine Liebe, Gnade und Lang- mut auf der anderen Seite. In diesem Abschlusskapitel werden diese seine Charakterzüge noch einmal besonders vor unsere Blicke gestellt. Und auch nach der Beschäftigung mit diesem Buch der Bibel wird deutlich: „O Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! Wie unausforschlich sind seine Gerichte und unergründlich seine Wege! Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt, oder wer ist sein Mitberater gewesen? ... Denn von ihm und durch ihn und für ihn sind alle Dinge; ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen.“ (Röm 11,33.34.36)

Das Buch des Propheten Jona von Henri Rossier (VI)

Gott – 

Gott ist ein Heiland-Gott

Gott offenbart sich im Buch Jona unter zwei Charakterzügen. Wenn Er den Sturm als ein Gericht für seinen untreuen Propheten und für die Nationen sendet, dann hat Er für Letztere ein Ziel der Gnade. Sie waren bis zu diesem Zeitpunkt gleichgültig und unwissend über den wahren Gott, aber Gott bringt diese Schiffsleute an den Rand des Todes, damit sie zum HERRN rufen. (Jona 1,14; Psalm 107,23-32). So offenbart Er sich ihnen als der Heiland-Gott, der zu ihren Gunsten den Propheten opfert. Es ist nötig, daß der Diener Gottes in den Tod hingegeben wird, damit Seelen, die Fremdlinge in Bezug auf Gott sind, Ihn kennen lernen und dahin geführt werden, Ihm zu dienen. Aber Gott ist auch ein Heiland-Gott für sein Volk. Er kann zwar Ungehorsam nicht ertragen und es ist notwendig, daß Er die Übertretungen bestraft, da Er seine Gerechtigkeit und seine Heiligkeit nicht verleugnen kann. Aber der Bauch des Fisches, der Jona verschlingt, birgt gleichsam einen anderen Jona. Dieser ist gehorsam und treu, leidet ohne Grund und ist auferstanden, damit für Israel „bei dem HERRN die Rettung ist“.

Gott ist der Schöpfer-Gott

Den zweiten Charakterzug Gottes, den wir in diesem Buch erkennen dürfen, finden wir in Eph 4,6: „Ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in uns allen.“ Er ist der Schöpfer-Gott und Erhalter aller Menschen und auch aller tierischen Schöpfung. Er lenkt nach seinem Wohlgefallen die Elemente, die Winde und das Meer. Er kann einen großen Fisch bestellen, einen Wunderbaum, einen Wurm, einen Ostwind, um seine Ratschlüsse zu erfüllen. Seine Vorsehung wacht über alles. Seine allumfassende Barmherzigkeit ist durch nichts beschränkt. Diesen „Gott des Himmels, der das Meer und das Trockene gemacht hat“ (1,9), werden die Nationen am Ende anbeten, wenn sie den „Vater aller“ in Gott erkennen, der „ohne Ansehen der Person richtet nach eines jeden Werk“ (1. Pet 1,17). Die Liebe Gottes zu allen Seinen Geschöpfen ist unumschränkt. Das wollten die Menschen heute gerne anerkennen, wenn sie dadurch nicht genötigt würden, Buße zu tun. Bei Ninive war es anders: Als diese Menschen aus den Nationen verstanden, daß der Gott der Langmut und Sanftmut sie richten würde, weil sie gegen Ihn gesündigt hatten, wurden sie zur Buße getrieben. Gott offenbarte sich in Ninive nicht als der HERR [Jahweh], der Gott Israels, sondern als Gott, Elohim, der Schöpfer (3,5. 8. 9. 10). Diese Stadt, deren Bosheit vor Gott heraufgestiegen war (1,2) und die sich vor den Götzen niederwarf, tat Buße. Ein Fasten wurde ausgerufen, und es war nicht der Heiland-Gott, sondern der Schöpfer-Gott, der dieser Buße Rechnung trug und Ninive für eine Zeit vor dem Gericht verschonte.

Die Bekehrung der Nationen in den letzten Tagen durch das „ewige Evangelium“ wird keinen anderen Charakter tragen. Der Engel wird es mit lauter Stimme verkünden: „Fürchtet Gott und gebt Ihm Ehre, denn die Stunde seines Gerichtes ist gekommen; und betet den an, der den Himmel und die Erde gemacht hat und das Meer und die Wasserquellen“ (Offb 14,7). Die Nationen werden Buße tun und während der 1.000 Jahre ver- schont werden, so wie Ninive für zwei Jahrhunderte diese Errettung erleben durfte.

Gott lehrt Jona sein Herz erkennen

Diese Grundwahrheit der unumschränkten Liebe Gottes und der Vorsehung des „Vaters aller“ mußte Jona noch lernen. Er kannte den HERRN, den Gott Israels, als einen Gott, der unter dem Gesetz barmherzig regierte. Er kannte Ihn auch als einen Heiland-Gott, der ihn selbst aus der Bedrängnis errettet hatte. Doch sein Stolz als Jude konnte und wollte nicht zulassen, dass das Herz Gottes ebenso für alle seine Geschöpfe geöffnet sein sollte. Sein Egoismus brachte ihn dazu zu glauben, die Bemühungen Gottes müssten ausschließlich seine eigene Person betreffen. Dass er, Jona, verschont blieb, war schon recht; dass aber die große Stadt zerstört würde, das war doch notwendig, um die Ehre des Propheten zu retten! Ist es nicht so, dass wir in unserer Eigenliebe oft selbst die elementarsten Wahrheiten über die Eigenschaften Gottes vergessen und außer Acht lassen? Daher richtet sich die letzte Lektion dieses Buches gerade an den Propheten selbst. Die Vorsehung Gottes läßt einen Wunderbaum hervorkommen, um Schatten für Jonas Haupt zu spenden und ihn von seinem Mißmut zu befreien (4,6). Sofort sieht Jona voll Freude nur die Pflanze, die ihm Schutz bietet, und doch nur eines der geringsten Geschöpfe Gottes ist, anstatt den anzuschauen, der diese Pflanze hervorgebracht hatte. Gott gibt die Pflanze dann einem Wurm als Nahrung, den Er in gleicher Weise gemacht hat. Auf diese Weise ist alles in den Wegen der göttlichen Vorsehung miteinander verknüpft.

Das Herz Gottes, des „Vaters aller“

Der Schöpfer denkt an alles, an eine Pflanze, an einen Wurm, an einen Jona (welche Demütigung für den Propheten!), an eine große Stadt mit ihrer ganzen Bevölkerung und ihrem König, an die kleinen Kinder, die nicht in der Lage sind, zwischen ihrer rechten und linken Hand zu unterscheiden, an eine Menge Vieh, das die Ställe füllt. Wo ist nun dein Herz in Vergleich mit meinem, sagt der Vater aller zu Jona? Dein Egoismus macht dich blind in Bezug auf das, was ich bin, und du zürnst? Ist es recht, daß du zürnst? Bin ich denn deinetwegen erzürnt? Das Herz Jonas wird gerichtet, zumindest wird es von seiner Selbstsucht und seinem Stolz überführt.

Der gerechte Hiob musste eine ähnliche Erfahrung machen, aber das Wort Gottes zeigt uns bei ihm deutliche Ergebnisse. Nachdem er den Schöpfer-Gott, den Vater aller, von Angesicht zu Angesicht kennen gelernt hat, ruft er aus: „Ich verabscheue mich und bereue in Staub und Asche“ (Hi 42,6). Jona dagegen begegnet Gott und wagt zu sagen: „Mit Recht zürne ich bis zum Tode!“ (4,9). Das ist in diesem Buch das letzte Wort dieses Propheten Israels.

Die Seeleute fahren glücklich und voller Freude über das beruhigte Meer; Ninive hat Buße getan und freut sich seiner Errettung; die Blicke des „Vaters aller“ suchen die Unwissendsten seiner Geschöpfe, um sie zu segnen; ein Einziger bleibt abseits, er, der Träger der Geheimnisse Gottes, düster und zornig, da er so sehr mit sich selbst beschäftigt war, dass er das Herz seines Gottes nicht kennt!

Gott ist Richter – und doch langmütig

Wie wir jedoch schon mehrfach gesagt haben, steht diese unumschränkte Güte des Vaters aller dem Bösen niemals gleichgültig gegenüber. Dieser gleiche Vater richtet alle „nach eines jeden Werk“ (1. Pet 1,17). Er richtet diejenigen, die sich auf das Meer hinauswagen und dem Schutz ihrer falschen Götter vertrauen; Er richtet seine Zeugen, die sich in einem Geist des Ungehorsams von Ihm entfernen; Er richtet eine Nation voll böser Wege und Gewalttat; Er verschont niemanden, damit Er alle diese Menschen retten kann. Selbst wenn der Wille des Menschen – der bei Gläubigen häufig hartnäckiger und eigensinniger als bei den schlimmsten Sündern ist – dabei bleibt, Ihm zu widerstehen und zu widersprechen, dann zürnt Er, der „Vater aller“, nicht, sondern übt Geduld, eine Geduld, von der wir hier in dieser Geschichte weder Ergebnis noch Ende sehen.

Wir haben nun dieses Buch überflogen, das einen besonderen Platz unter den prophetischen Schriften findet. Es stellt die gesamte Geschichte des Menschen von Anfang bis zum Ende dar: die Geschichte eines gefallenen Geschöpfes, das aber neues Leben empfangen hat; die Geschichte der Verwerfung Israels, die Geschichte der Gnade für die Nationen, die eines Über- restes Israels, der aus der Bedrängnis befreit wird; die der Nationen am Ende der Tage, die das Evangelium des Reiches annehmen werden. Und dann werden – als eine Krönung des Ganzen – vorgestellt: Christus, der sich selbst hingegeben hat und aus den Toten auferstanden ist; der Schöpfer-Gott, auf den die Nationen hoffen; und der Heiland-Gott, von dem uns gesagt wird: „Es ist zu gering, daß du mein Knecht seiest, ...um die Bewahrten von Israel zurückzubringen; ich habe dich auch zum Licht der Nationen gesetzt, um mein Heil zu sein bis an das Ende der Erde“ (Jesaja 49,6).

 

Ich, ich bin der HERR, und außer mir ist kein Heiland. (Jesaja 43,11)