Bibelstudium

Das Buch des Propheten Jona - Bibelstudium

Henri Rosier kommt in diesem fünften Teil zu dem Höhepunkt seiner Betrachtung des Propheten Jona. Denn er zeigt uns, welch herrliches Vorbild Jona auf den Herrn Jesus darstellt. Im Gegensatz zu unserem vollkommenen Herrn war die Not, die Jona im Bauch des großen Fisches erleben musste, selbstverschuldet. Aber in seiner Not darf er Empfindungen aussprechen, die unser Herr in Vollkommenheit empfinden musste, als Er am Kreuz gelitten hat. So darf dieser Teil der Betrachtung Jonas für uns ein Ansporn sein, den Herrn Jesus in allen Schriften - gerade im Alten Testament - zu suchen. Er ist der wahre Mittelpunkt - auch im Buch Jona.


Das Buch des Propheten Jona von Henri Rossier (V)

Die Person Jonas stellt uns Christus unter zwei verschiedenen Aspekten dar. Den ersten finden wir in den Evangelien nach Matthäus und Lukas. Dieser betrifft den Tod und die Auferstehung Christi, um das Werk der Erlösung zu vollbringen.


Christus - der Erlöser durch Tod und Auferstehung

In Matthäus 12 finden wir die Schriftgelehrten und die Pharisäer, die den Herrn soeben beschuldigt haben, „die Dämonen nicht anders auszutreiben, als durch den Beelzebub, den Obersten der Dämonen" (Vers 24). Nun verlangen sie von Ihm „ein Zeichen" (Vers 38), ein Wunder, das Ihn in ihren Augen als König rechtfertigen könnte. Man muss sich das einmal vorstellen: Von Jesus zu verlangen, dass Er sich in dieser Hinsicht rechtfertigen solle, wo doch sein ganzes Leben und die Wunder seine Güte, die Er mit jedem Schritt bewirkt hatte, deutlich machten, dass Er Emmanuel ist, Gott mit uns! Konnte dieses böse und ehebrecherische Geschlecht überhaupt durch ein Zeichen überzeugt werden?

Daher antwortet der Herr Jesus ihnen: „Kein Zeichen wird ihm [dem bösen und ehebrecherischen Geschlecht] gegeben werden, als nur das Zeichen Jonas, des Propheten. Denn gleichwie Jona drei Tage und drei Nächte in dem Bauch des großen Fisches war, also wird der Sohn des Menschen drei Tage und drei Nächte in dem Herzen der Erde sein"

(Vers 39-40). Welch ein großartiges Bild von den Leiden Christi, das in der Person Jonas ungefähr 900 Jahre vorher gegeben wurde. In der Tat sind ja Christi Leiden und sein Tod das vorherrschende Thema der Prophetie.

Der Aufenthalt Christi im Grab war jedoch ebenfalls das Zeichen dafür, dass es nun für dieses Volk zu spät war und dass es jetzt keine Gelegenheit mehr hatte, den Propheten, den Gesandten, den Sohn des Menschen, den Sohn Gottes als seinen König anzunehmen. Von diesem Augenblick an waren alle alten Beziehungen Gottes mit seinem Volk unterbro-chen. Wenn sie wieder aufgenommen werden sollten, dann nur auf Grundlage seiner Verwerfung, nicht mehr auf seiner Einführung bei seinem Volk als Messias und König.

Christus ist gekommen, um in Liebe den Platz des Volkes Israels einzunehmen, das wegen seines Ungehorsams verworfen wurde; so wird dieses Volk aufgrund der vollbrachten Sühnung seinen Platz im Reich wieder einnehmen. Wir Christen dürfen wissen, dass Er unseren Platz im Gericht eingenommen hat, die wir Sünder waren, damit uns die Himmel geöffnet werden könnten.


Ninive - Zeuge gegen den Unglauben Israels

An seine Worte an die Pharisäer und Schriftgelehrten schließt der Herr Jesus dann in Vers 41 an: „Männer von Ninive werden aufstehen im Gericht mit diesem Geschlecht und werden es verdammen, denn sie taten Buße auf die Predigt Jonas; und siehe, mehr als Jona ist hier." Die von den Juden so verachteten Nationen waren in der Tat viel weniger schuldig als dieses Volk.

Ninive hatte Buße getan, ohne dass ein besonderes Zeichen geschehen war, einfach durch die Predigt eines Propheten, der Gericht ankündigte. Hatte Jerusalem Buße getan auf die Predigt eines Größeren als Jona, der nicht nur Prophet der Gnade war und den Willen Gottes vollbrachte, sondern der Gottes Sohn ist? Nein. Daher werden diese Menschen aus den Nationen am Tag des Gerichtes die erdrückenden Zeugen der gerechten Verdammung Israels sein, das Gott verworfen hat, indem es den in Gnade gekommenen Christus verwarf.


Israel - schuldig wie Ninive

In Lukas 11,29-32 finden wir eine etwas andere Belehrung. Nachdem der Herr gesagt hat, dass diesem bösen Geschlecht kein Zeichen gegeben werde, als nur das Zeichen Jonas, fügt er hinzu: „Denn gleichwie Jona den Niniviten ein Zeichen war, so wird es auch der Sohn des Menschen diesem Geschlecht sein" (Vers 30). Er setzt somit diese schuldige jüdische Generation mit den Leuten von Ninive, einem heidnischen Volk, gleich.

Der im Bild gestorbene und wiederauferstandene Jona war den Niniviten nicht nur ein Prediger, sondern auch selbst ein Zeichen gewesen, das ihn für sie glaubwürdig machte. In der Tat handelt es sich in der Stelle in Lukas nicht so sehr um die Predigt als um die Person Jona. Ein gestorbener und wiederauferstandener Christus, der nun unter den Nationen als Heiland aufgenommen wird und von dem Jona ein Bild ist, verurteilt von da an Israel. Dieses Volk war schuldig an seinem Tod, und indem Gott Ihn wiederauferweckte, zeigte Er damit seine volle Befriedigung über das vollbrachte Werk seines Vielgeliebten, das Israel nicht annehmen wollte. Das verurteilte sie unwiderruflich.

Der Herr fügt hinzu: „Männer von Ninive werden aufstehen im Gericht mit diesem Geschlecht und werden es verdammen; denn sie taten Buße auf die Predigt Jonas; und siehe, mehr als Jona ist hier" (Vers 32). In der Tat hatten die Niniviten, ohne ein Zeichen zu empfangen, Buße getan, während die Juden ein Zeichen forderten. Die Predigt Jonas hatte sie zur Buße geführt; sein Wort hatte dieses Ergebnis hervorgebracht. Was haben diese Juden dagegen mit der Predigt Christi gemacht? Und welch ein Unterschied bestand doch zwischen diesen beiden Zeugnissen! Jona hatte das Gericht und die Zerstörung Ninives angekündigt, während Christus einem schuldigen Volk die Gnade verkündet hatte. Wie groß muss da die Verhärtung Israels gewesen sein, eine solche Botschaft abzulehnen!

Dieses Gegenbild dürfen wir also von Jona im Neuen Testament sehen: Der verworfene Jona, der drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches zubrachte, ist wiederauferstanden: Das ist Christus, und so wird Er heute zum Heil aller Menschen, die an Ihn glauben, gepredigt.

Das Buch Jonas zeigt uns übrigens auch mehr als jedes andere Buch der Bibel, dass die Prophetie nicht durch das Eintreten von historischen Ereignissen erklärt werden darf. Dies ist einer der vielen Fehler, der von der modernen Theologie begangen wird. Nein, Christus ist letztlich die Erfüllung und die einzige Erklärung für jede Prophetie.

 

Christus - im Gericht Gottes und befreit!

Christus wird uns in diesem Buch jedoch auch noch unter einem zweiten Aspekt vorgestellt. Jona ist ein Bild von Christus, der selbst den Zorn Gottes in seiner Regierung erduldet hat und daraus errettet worden ist, damit die Treuen des Endes, der Überrest Israels, darin Trost und Ermunterung finden können, wenn sie durch die große Drangsal hindurch gehen müssen. Sie werden diese Ermutigung nötig haben, um die Qualen durchstehen zu können. Diese wichtige Wahrheit wird uns auch in einer Stelle im Propheten Jesaja zusammengefasst: „Er wurde ihnen zum Heiland. In all ihrer Bedrängnis war Er bedrängt, und der Engel seines Angesichts hat sie gerettet" (Jesaja 63,8-9).

In dieser Hinsicht muss der Überrest aus Juda, der der Verwerfung des Messias schuldig ist, aufgrund dieser Sünde durch den Schmelzofen und die Bedrängnis hindurchgehen. Er wird selber verworfen sein, wie wir es in Matthäus 16,4 sehen, wenn er in den tiefen Wassern verschlungen ist. Aber er wird dann erkennen, dass ein anderer, sein Heiland und Retter vor ihm und für ihn dort gewesen ist und aus der Bedrängnis errettet worden ist. Welche Sicherheit wird diese Entdeckung der Seele des Überrestes geben!

In der Tat konnte der Herr im Garten Gethsemane sagen: „Verbirg dein Angesicht nicht vor mir am Tag meiner Bedrängnis; neige zu mir dein Ohr"; „Meinen Trank vermische ich mit Tränen, vor deinem Zorn und deinem Grimm; denn du hast mich emporgeworfen und hast mich hingeworfen" (Psalm 102,2; 9-10). Er hat auch gesagt: „Die Wasser sind bis an die Seele gekommen" (Psalm 69,1). Er selbst hat in den Tagen seines Fleisches „sowohl Bitten als Flehen dem, der ihn aus dem Tod zu erretten vermochte, mit starkem Geschrei und Tränen dargebracht" (Hebräer 5,7). Wir sehen in diesen und vielen anderen Stellen Christus in Gethsemane, wie er den Tag seiner Bedrängnis (Psalm 102,2) und die Ängste des Gerichtes erlitt, die sein Volk verdient hat. Daher vermag Er Mitleid mit ihnen zu haben, da Er in seiner Seele erlebte, was es heißt, den Zorn Gottes gegen das schuldige Israel zu erleiden.

Wenn die Treuen des Überrestes am Ende der Tage dies betrachten und überdenken, werden sie in ihrer Gottesfurcht ermutigt werden, in ihrem Vertrauen auf Gott, in der Sicherheit, dass sie am Ende errettet werden. Sie werden sagen können „bis wann?", in der Zuversicht, dass sie eines Tages erhört werden. Sie werden Christus in den Tiefen der Wasser kennen lernen, wie Er an ihrer Not teilnahm. Aber sie werden auch erkennen, dass Er in Auferstehung aus dem großen Abgrund hervorkam, damit auch sie die Segnungen im „Land der Lebendigen" (Ps 27,13; 116,9; u.a.) wiederfinden könnten.

Diese Errettung, die wir gläubigen Christen schon heute kennen und besitzen dürfen, hat uns den Himmel geöffnet. Die Errettung Israels in den letzten Tagen wird dem Überrest die erneuerte Erde unter der Herrschaft des Königs des Friedens öffnen, so dass das Volk mit der gleichen Überzeugung wie wir heute sagen kann: „Beim HERRN ist die Rettung!"