Lebensbeschreibung

Wie ich den Messias fand

Am 14. Mai 1948, als David Ben Gurion die Gründung des souveränen Staates Israel ausrief, gab es nach beinahe 2000 Jahren erstmals wieder eine jüdische Nation. Genau sieben Jahre nach diesem Tag wurde ich als Kind von Avraham und Esther Levytam in der Stadt Jerusalem geboren.

Meine Mutter stammte aus Saloniki in Griechenland und wanderte im Jahr 1931 im Alter von sieben Jahren mit ihrer Familie nach Israel aus. Mein Vater jedoch ist ein „Sabra", ein im Land geborener Jude. Sabra ist die Frucht eines Kaktus, der in Israel wächst und womit man die Israelis beschreibt - außen stachelig, innen aber süß. Die Eltern meines Vaters waren in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts aus dem Jemen nach Israel gekommen. Die Jemeniten führen ihren Ursprung auf einen Auszug aus Israel zurück, der während der Zeit der Zerstörung des ersten Tempels stattgefunden haben soll.


Einfluss eines Großvaters

Einen großen Teil meiner Kindheit verbrachte ich unter dem Einfluss meines Großvaters, eines frommen Juden, der das Haupt der Familie war. Er wachte darüber, dass wir die Gesetze, Vorschriften und Traditionen genau beachteten. Täglich ging er in die Synagoge. Ich kann mich immer noch daran erinnern, wie jemand jeden Morgen um halb fünf an das Fenster klopfte und meinem Großvater zurief: „Joseph, es ist Zeit zum Morgengebet. " Mein Großvater nahm mich oft mit in die Synagoge und bemühte sich, mir die Glaubensschätze beizubringen, die uns von unseren Vätern überliefert worden waren.

Der Sabbat war der Höhepunkt der Woche, und die Vorbereitungen dafür begannen bereits am Mittwoch. Das Haus musste gereinigt und das Essen zubereitet werden. Der Herd wurde geheizt, so dass das Essen warm gehalten werden konnte, da Kochen am Sabbat nicht erlaubt war. Das Anzünden der Kerzen bedeutete den offiziellen Beginn des Sabbats. Nach dem Abendgottesdienst, bevor die Familie sich hinsetzte, um das Freitagabendmahl einzu-nehmen, wurde zum Lob der jüdischen Frau, die „die Vorgänge in ihrem Haus" überwacht und „nicht das Brot der Faulheit" isst, eine Auswahl aus Sprüche 31,10-31 gesungen.

Hymnen zur Ehre Gottes zu singen, während man isst, ist das Kennzeichen des Sabbats. Man hat Zeit, als Familie zusammen zu sein, zu singen, das gute, von Mutter vorbereitete Essen zu genießen und vor allem Gott für diesen Ruhetag zu danken.

Der jüdische Glaube kennt viele Feste. Eins wird „Simchat Thora" oder „Thora-Freuden-fest" (Thora = die fünf Bücher Moses) genannt. Es findet am letzten Abend des Laubhüttenfestes statt und fällt mit dem Abschluss der Lesung der Thora zusammen. Die Schriftrollen werden aus dem Schrein genommen und in der Synagoge in einer Reihe von Prozessionen herumgetragen, begleitet von Gesang und Tanz. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie ich meinem Großvater und den übrigen bärtigen Männern zusah, die voll Freude sangen und um die Thora her-umtanzten, und wie ich sie nachzumachen versuchte, indem ich so laut sang, wie ich konnte.

Diese Erinnerungen lassen mich an Psalm 119,97 denken: „Wie liebe ich dein Ge-setz." Wenn dann die sieben Runden zu Ende waren, wurden alle Thorarollen bis auf eine wieder in den Schrein zurückgebracht. Der letzte Teil des fünften Buches Mose wurde aus der übriggebliebenen Rolle gelesen. Dies war das einzige Mal, dass die Thora bei Nacht in der Synagoge gelesen wurde.


Der Sechstagekrieg

Bedrohung durch Krieg und terroristische Anschläge gehören zum alltäglichen Leben, wenn man in Israel aufwächst. Und genau das trat ein, als am 5. Juni 1967 die Sirenen zu heulen begannen. Meine Schwester und ich ergriffen uns damals bei der Hand und rannten mit wachsender Angst von der Schule nach Hause, während das Geheul der Sirenen und der Krach der Gewehr-salven immer lauter wurde. Wir waren allein und hatten Angst. Unsere Eltern waren noch nicht zu Hause. Wir verklebten verzweifelt unsere Fenster, damit sie nicht von explodierenden Bomben zersplitterten. Wir halfen unseren Nachbarn, Sandsäcke zu füllen und sie im Eingang zu unserem Wohnhaus zu stapeln. Dann rafften wir Essbares und Decken zusammen und gingen zu den anderen Bewohnern in den unteren Teil unseres Gebäudes, unseren Schutzkeller.

Wir lebten nahe an der jordanischen Gren-ze, und die Kampfgeräusche waren erschreckend nah. In dieser Nacht kauerten wir angstvoll zusammen, während überall um uns herum die Bomben explodierten und über unseren Köpfen ständig Flugzeuge herdonnerten. Das Gewehrfeuer klang so nah, als käme es aus unserem Hinterhof.

In seiner Gnade erhörte Gott unsere Gebe-te, und in sechs Tagen war der Krieg zu Ende. Jerusalem war eine vereinte Stadt geworden, nicht länger durch Stacheldraht getrennt. Beide Hälften waren wieder ver-eint, die Altstadt und das israelische Jerusalem waren eins geworden. Mein ganzes Leben lang hatten die Mauern die Stadt umschlossen, aber jetzt nach etwa 1900 Jahren war Jerusalem wieder in jüdischer Hand. Welche Freude!

Nachdem die Barrikaden abgebrochen worden wa-ren, nahm mich mein Vater mit in die Altstadt. Was für eine Spannung war es, sie durch das Loch in der Mauer zu betreten! Wir schlossen uns der Menge an, die sich durch die engen Gassen zwängte, um zur Westmauer zu gelangen, dem einzigen erhaltenen Teil der Mauer, die die alte Tempelanlage umgeben hatte. Alte und junge Menschen ließen ihren Tränen freien Lauf, ihre Gesichter gegen die alten Steine gepresst. Kampfgestählte Soldaten standen da, während ihnen die Tränen nur so die Wangen herunterliefen. Dieser ergreifende Anblick hinterließ unauslöschliche Eindrücke in meinem jungen Gemüt.

 


Meine Bar Mizwa

Mit 13 Jahren feierte ich meine Bar Mizwa. In diesem Alter wird ein jüdischer Junge zu einem Mann und kann dann an der Minjan teilnehmen. Dazu ist nach der jüdischen Religion die Anwesenheit von mindestens zehn Männern erforderlich, damit öffentliches Gebet stattfinden kann. Der Junge steht vor der Versammlung, liest ein Stück aus der Thorarolle und zollt seinen Eltern, seinen Lehrern und allen de-nen, die ihren Anteil daran hatten, dass er sich zum Mann entwickelte, seinen Dank und seine Anerkennung.

Es ist ein feierlicher Augenblick, wenn der Junge die Tefillin oder Phylakterien (Gebetsriemen: an Stirn und Oberarm getragene Kapseln mit Schriftworten) bekommt. Diese werden entsprechend den Anweisungen von 5. Mose 11,18 getragen: „Ihr sollt diese meine Worte auf euer Herz und auf eure Seele legen und sie zum Zeichen auf eure Hand binden, und sie sollen zu Stirnbändern zwischen euren Augen sein.

Die Tefillin sind ein spezielles Zeichen unserer Ehrfurcht vor Gott und werden als Gedenkzeichen zur Erinnerung an den Auszug aus Ägypten getragen. Sie erinnern den Juden an die Befreiung aus der Sklaverei unter dem Pharao, um nun in den Dienst für Gott einzutreten - er hat die Le-derriemen der Peitschen eingetauscht gegen die Lederstreifen der Tefillin.

Nach meiner Bar Mizwa und dem Tod meines Großvaters hatte ich niemand, der darauf bedacht war, mich in geistlichen Dingen zu leiten, und so hatte ich immer weniger Interesse an der Synagoge und den Traditionen unserer Väter. Als Teenager war ich mehr vom Amerikanischen - Kleidung, Musik, freier und sorgloser Lebensstil - beeindruckt. Ich hatte kaum Zeit für Gott. Ich suchte Gott nicht, aber Gott suchte mich.