Charles T. und Priscilla Studd
Charles T. und Priscilla Studd (1)
Was ist eigentlich all der Kricketruhm wert? Was ist der Reichtum wert, wenn das Leben so am seidenen Faden hängt? Was ist das alles wert? Nichts auf dieser Welt hat irgendwelchen Wert, irgendwelche Bedeutung, wenn man dem Tod ins Angesicht schauen muss. Das einzig Wichtige ist Leben, wahres Leben. Alles andere ist Nichtigkeit, Hohlheit und Leere." Dies dachte Charles Thomas Studd, als er 1884 in dem kleinen Schlafzimmer seines Bruders George stand.
Charles war am 2. Dezember 1860 auf dem Landschloss Tedworth House in der südenglischen Grafschaft Wiltshire geboren worden. 1877 hatte er sich - wie seine beiden Brüder - bekehrt. Seither studierten sie gemeinsam die Bibel. Da Charles sich aber auch intensiv dem Kricketspiel widmete, blieb ihm für das Bibelstudium wenig Zeit.
1880 war er auf das Trinity College in Cambridge gekommen. Dort wurde er sofort in die Universitätskricketmannschaft aufgenommen, spielte darin sechs Jahre lang und wurde Mannschaftskapitän. Als überragender Schlagmann der englischen Nationalmannschaft wurde er später zum Nationalhelden.
Als Charles 1884 im Zimmer seines Bruders George stand, der eine lebensgefährliche Lungenentzündung hatte, war er ernüchtert. Er hatte begriffen, wie vergänglich Gewinn, Ruhm und hohe Stellung sein können. Nach einem Vortrag Moodys beschloss er dann: „Herr, alles, was ich bin und habe, ist Dein. Ich will nur noch für Dich leben!" Fortan galt sein ganzes Interesse der Mission. Bald darauf beendete er seine Sportkarriere und fragte: „Was willst Du, Herr, dass ich tun soll?" - „Ich will nur noch Dir dienen."
Es vergingen sechs Monate. Obwohl Charles versuchte, Christus mit ganzem Herzen nachzufolgen, fühlte er sich - trotz mancher Aktivitäten - frustriert und ohne wahren Frieden. Seine gläubigen Freunde rieten ihm Unterschiedliches, und sein verzweifeltes Bemühen, den Willen des Herrn zu ergründen, schien wenig erfolgreich zu sein, sodass er sich Ende Juni 1884 niedergedrückt und verzagt fühlte. In dieser schwierigen Lebensphase fiel ihm der Traktat eines Atheisten in die Hände. Darin stand:
„Wenn ich so fest glaubte, wie Millionen es von sich behaupten, dass sich die Ausübung der Religion in diesem Leben auf ein anderes Leben auswirkt, sollte die Religion mir alles bedeuten. Ich würde irdische Vergnügen für Dreck, irdische Sorgen für Torheit und irdische Gefühle für nichts achten. Religion wäre mein erster Gedanke, wenn ich erwachte, und beschäftigte mich als Letztes, bevor der Schlaf mir das Bewusstsein nähme. Ich würde nur auf dieses Ziel hinarbeiten. Meine Gedanken wären nur auf den Morgen der Ewigkeit gerichtet. Nur eine Seele für den Himmel zu gewinnen wäre mir ein ganzes Leben voll Leiden wert. Irdische Konsequenzen würden nie meine Hände fesseln oder meine Lippen versiegeln. Die Welt mit ihren Freuden und Kümmernissen wäre mir nicht einen Gedanken wert. Ich wäre einzig bestrebt, nach der Ewigkeit auszuschauen und nach den unsterblichen Seelen um mich herum, die in Kürze ewig selig oder ewig unglücklich wären. Ich ginge in die Welt und predigte, ob es passte oder nicht, und mein Text würde lauten: "Was wird es einem Menschen nützen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber seine Seele einbüßt?""
Dies traf Charles Studd sehr, und er versuchte erneut, den Willen Gottes herauszufinden. Gott zeigte ihm daraufhin seinen Mangel an Kraft und ließ ihn erkennen, wie wichtig völlige Hingabe und absoluter Glaube sind. Er wusste zwar, dass er ein Eigentum des Herrn war, aber trotzdem „hielt ich mich selbst von Ihm fern. Ich hatte mich nicht völlig übergeben. Als ich aber begriffen hatte, dass Jesus für mich gestorben war, schien es mir gar nicht mehr schwer, alles für Ihn aufzugeben."
Nachdem er sein Leben ganz dem Herrn ausgeliefert hatte, erfüllten Friede und Freude sein Herz. Bald zeigte der Herr ihm seinen Willen, sodass Charles' Lebensaufgabe beginnen konnte: „Ich lieferte mich völlig Gott aus ... Von der Zeit an, wo ich Ihm auf diese Weise von ganzem Herzen vertraute, war mein Leben verändert. Er hat mir einen Frieden, der allen Verstand übersteigt, und unaussprechliche Freude gegeben. Ich kannte viele Freuden, bevor ich mich völlig Gott übergab; aber seitdem genieße ich den glücklichsten Teil meines bisherigen Lebens. "
Charles wurde deutlich, dass der Herr ihn nach China führen wollte. Als er seine Pläne seinem Bruder Kynaston eröffnete, erschütterte dieser sie mit eiskalten Argumenten. Seine Mutter war völlig aufgelöst und untröstlich. Die ganze Familie geriet in Aufruhr. Freunde und Bekannte wurden gerufen, um Charles umzustimmen. Der Widerstand stellte ihn auf eine harte Probe. Zwei Verse halfen ihm in dieser Situation: „Wer Vater oder Mutter mehr liebhat als mich, ist meiner nicht würdig" (Mt 10,37); und: „Des Menschen Feinde werden seine Hausgenossen sein" (Mt 10,36).
Jetzt wusste Charles, wo seine Zukunft lag. Sein Leben hatte Sinn und Ziel gefunden. Zunächst verkündete er bei verschiedenen Missionseinsätzen kraftvoll das Evangelium. Am 28. November - 28 Tage nach seinem Entschluss - saß er in völligem Vertrauen auf seinen Gott ohne Gepäck im Nachtzug nach Glasgow, um auch dort Menschen für Christus zu gewinnen. Über eine seiner Predigten in Schottland schrieb ein Veranstaltungsleiter: „Er hatte überhaupt keine Redegabe. Es war wohl seine völlige Hingabe an Christus, die einen solchen Eindruck machte ... Die Tatsache, dass ein Mensch mit seinen Voraussetzungen sich selbst und seine Zukunft ganz und gar Christus weihte, erweckte das Interesse aller."
Charles schrieb an seine Mutter: „Ich kann dir gar nicht sagen, wie uns der Herr gesegnet hat. Wir wachsen täglich in der Erkenntnis Jesu und seiner wunderbaren Liebe. Wie hat sich mein Leben verändert! Ach, Kricket und Tennis und Schießen ist nichts gegen diese überwältigende Freude ... Ich kann jetzt auch die Armen in den Städten viel besser verstehen. Und mein Abscheu vor dem Luxusleben, das ich bisher geführt habe, ist gewachsen. Ich habe so viele Anzüge und Bekleidung jeglicher Art, während Tausende verhungern und vor Kälte zugrunde gehen. Wenn ich nach Hause komme, muss alles verkauft werden, wenn es bis dahin noch nicht geschehen ist."
Bei der Abschiedsveranstaltung für Charles und einige weitere junge Männer, die nach China aufbrechen wollten, klangen dann folgende Worte durch den Saal: „Wofür lebst du in Wirklichkeit? Lebst du für das Heute oder für die Ewigkeit? Willst du auf die Meinung der Menschen sehen oder den Willen Gottes tun? Die Meinungen der Menschen werden vor dem Richterstuhl bedeutungslos sein, aber nicht der Wille Gottes. Sollen wir dann nicht lieber das Wort Gottes nehmen und ihm in allem gehorchen?"
In China angekommen, verkündete Studd eines Abends in Schanghai das Evangelium. Es bekehrte sich Reverend Smith, der englische Hauptpfarrer an der dortigen Kathedrale. Er sagte, dass er, wenn er am Abend zuvor hätte sterben müssen, verloren gewesen wäre. Er war von frommen Eltern erzogen und in der Bibel unterwiesen worden. Dann war er konfirmiert und als Diener der Kirche Englands ordiniert worden.
Am 22. August 1885 schrieb Charles: „Ich bin durch manche Prüfung gegangen, und der Herr hat mich vieles gelehrt, besonders über meine eigene Schwachheit. Ich sah, dass meine größten Kräfte und Bemühungen Ihn hindern können ... Ja, ich muss sterben, dann kann Er mich zu seiner Ehre gebrauchen."
1886 schrieb Charles an seine gläubigen Freunde in Edinburgh: „Unmöglichkeiten gibt es in Wirklichkeit für einen wahren Christen nicht. Wir wissen nur, dass alle Dinge möglich sind. Manche von uns haben nur einen Eselskinnbacken; aber welch eine mächtige Waffe ist das, wenn man sie dem Herrn Jesus ausgeliefert hat! Man besiegt damit eine ganze Batterie wissenschaftlicher Artillerie, die nur in menschlichen Händen liegt ... Seit ich in China bin, weiß ich sicherer denn je, warum viele Christen so tot und kalt sind. Sie weigern sich, dem Befehl des Apostels Paulus zu gehorchen, sich allezeit im Herrn zu freuen. Ich bin sicher, dass uns der Teufel stets von dieser Freude an Jesus abhalten will, ganz besonders hier in China. Ich begreife jetzt - mehr denn je -, dass die Freude am Herrn unsere Stärke ist. "
In China zog dann eine Dame, die erst kurze Zeit im Land war, Charles' Aufmerksamkeit auf sich. Herzbeschwerden hinderten sie, ins Landesinnere zu reisen. Charles meinte, solche Leute sollten nicht nach China kommen, da sie wenig Aussichten hätten, die Mühen im Inland zu bestehen. Doch bald darauf war Priscilla Livingston Stewart ,,sehr agil und nimmt immer zwei Stufen auf einmal" , wie Charles in einem Brief an seine Mutter schrieb. Gott hatte sie geheilt und hatte ihr die Kraft und die Freude gegeben, ein Zeugnis für Ihn zu sein.
Priscilla war am 28. August 1864 in Lisburn bei Belfast in Nordirland geboren. Sie stammte aus einer reichen protestantischen Familie. Lange Zeit hatte sich ihr Leben nur um Partys, Bälle und gesellschaftliche Ereignisse gedreht. Mit achtzehn war sie - wie sie selbst schreibt - noch „voller Spott und Hohn". Nachdem sie sich 1885 bekehrt hatte, sagten ihre Verwandten: „Sie war das schwärzeste aller Schafe. Wenn die sich bekehrt, ist für jeden noch Hoffnung." Priscillas Bitte an Gott wegen Chinas war dann: „Lass mich unter diesen Leuten wie eine leben, die an die Ewigkeit glaubt, und lass mich ihnen zeigen, dass ich alles wagen will - wenn es sein muss, auch das Leben -, um sie vor der Hölle zu retten!"
Im ersten Jahr in China machte sie sich mit dem Leben dort vertraut, lernte die Sprache und hatte eine rege Korrespondenz mit Charles Studd. Dann wurde Charles sehr krank. Er hatte fiebrigen Typhus, Rippenfell- und Lungenentzündung. Während seiner Genesungszeit konnte er sich der Korrespondenz mit Priscilla widmen. In diesem Zusammenhang schrieb er einen 68 und einen 69 Seiten langen Brief. Als er ihr dann einen Heiratsantrag machte, lehnte sie zunächst ab. Acht Tage verbrachte Charles mit Gebet und Fasten. Danach war er in Bezug auf Priscilla überzeugt. Dennoch dauerte es noch mehrere Monate, bis sie schließlich einwilligte. Am Tag der Hochzeit trug sie eine lange weiße Schärpe, auf die sie die Worte geschrieben hatte: „Vereint, um für Jesus zu kämpfen."
(Teil 2 im nächsten Heft)
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