Bibel praktisch

Überlieferung statt Gottes Wort

Wäre den Schriftgelehrten und AI-testen in Matthäus 15 die Frage vorgelegt worden, ob ihnen ihre Überlieferung mehr wert sei als Gottes Wort, so hätten sie das sicher mit Entrüstung verneint. Aber die Begegnung mit dem Herrn Jesus zeigt uns, dass es dennoch so war.

Wie konnte es geschehen, dass jene vermeintlich klugen und frommen Männer einem solchen Irrtum erlegen waren?

Wir erkennen, dass sie es mit ihrer Uberlie-ferung sehr ernst nahmen. Dass die Jünger sich vor dem Essen die Hände nicht wu-schen, war in ihren Augen ein nicht zu übersehender Verstoß gegen die überkommene Frömmigkeit. Da konnten sie eine Zurechtweisung, die dann auch den Herrn selbst einschloss, nicht zurückhalten.

Mit der Überlieferung scheint das so eine eigenartige Sache zu sein. Man hat sie übernommen, hält sie für eine gute Sache, vermutlich für die beste Auslegung und Anwendung der heiligen Schriften, man lebt darin, und so soll es auch weitergehen. Gute Überlieferung braucht man ja nicht mehr zu überprüfen, meint man. Man sieht das eigene Verständnis des Wortes Gottes in sie hinein. Unbemerkt ist sie zu einem ungeschriebenen Gesetz geworden. Sie zu beachten ist dann ein gutes Werk. Es beruhigt das eigene Gewissen und ist zugleich sichtbar für die Mitmenschen. Umso mehr gewinnt Überlieferung an Wertschätzung. Sie macht eben einen Teil unserer Frömmigkeit aus. Deshalb kommt so leicht auch kein Zweifel auf, dass sie vom echten Leben aus Gott abweichen könnte.

Doch - wie im vorliegenden Fall - hat eine Verlagerung weg von einem durch den Geist bewirkten Beweggrund hin zu Gesetzlichkeit und äußerem Schein stattge-funden. Nicht durchschaubar für ihre An-hänger, die sich mit ihr einsmachen.

Doch die Schriftgelehrten und Pharisäer waren mit ihrer Warum-Frage an die rechte „Adresse" gekommen. Anscheinend gibt es Verirrungen, in die nur der Herr selbst Licht bringen kann. Er deckt ihr Inneres auf. Auch wenn sie fromm daherkommen, sind es doch falsche Gedanken, die diese Männer bewegen. Sie verfälschen Gottes Wort. Vater und Mutter verehren sie nicht, wenn das den Eltern Zustehende ausbleibt und darin noch als Gabe für Gott verbrämt wird. Es ist nichts als Heuchelei, wenn das Eigentliche, die Liebe, die Selbstverleug-nung, nicht gefunden werden, stattdessen aber unwahrhaftiger, täuschender Schein angeboten wird.

Ungewaschene Hände sind noch keine geistliche Beschmutzung, wohl aber Lieb-losigkeit, Mord, Ehebruch, Hurerei, üble Nachrede, Schmähungen, Dinge, die erst einmal in unserem arglistigen Herzen angesiedelt sind, bevor wir sie in die Tat um-setzen. Sie machen unsere Verunreinigung und Sünde aus. Wir brauchen den Herrn, wie jene Schriftgelehrten und Pharisäer, um die Wahrheit wirklich zu erkennen und nicht einer Selbsttäuschung zu erliegen.

Darum: Vorsicht bei Überlieferungen!