Bibel praktisch

Das Hobab - Syndrom

Neujahr 2000. Trotz aller „Hinweise" der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig, dass das zweite Jahrtausend erst am 31.12.2000 endet, hat man den Jahrtausend-Wechsel überschäumend gefeiert. Und während die Masse langsam wieder nüchtern wird, erheben sich die Christen wieder von den Knien. Verunsichert von „Gemeinsamer Erklärung und fortschreitenden Zer- und Verfallser-scheinungen, fragen viele nach Orientie-rung. Man schaut nach Erweckungs- und Gemeindebaubewegungen, man sehnt sich nach starken Führern, ja, mancher hat vielleicht das im Herzen, was ein Lieder-dichter des 19. Jahrhunderts mit folgender Strophe ausgedrückt hat:

„Du drückst Dein gültig Siegel hier unter einen Plan,

dort schiebst Du einen Riegel vor eine falsche Bahn;

heut öffnest Du uns Türen, die wir noch nicht gesehn;

wer wird uns morgen führen?"


Wer wird uns morgen führen?

Wer wird uns morgen führen? Moment mal! Wer hat mich bis heute geführt? Wer hat dich geführt? Ja, ich weiß: Du wirst sehr schnell antworten: natürlich der Herr Jesus. Aber ich möchte dich bitten, diese Frage nicht viel zu schnell und zu früh im Brustton der Überzeugung für dich zu beantworten. Warum? Weil wir Menschen, wir Christen, die beständige Neigung haben, viel eher einem Menschen zu folgen als Gott. Und da ist so ein Jahreswechsel der geeignete Augenblick, sich selbst diese Frage zu stellen und eine ehrliche Antwort zu geben.

In 4. Mose 10 erteilt uns Gott eine Lektion, die den Kern trifft. Man könnte meinen, sie wäre ausdrücklich für das Jahr 2000 ge-schrieben. Kurz zur Geschichte.


Hobab oder der HERR?

Mose hatte von Gott eine gewaltige Aufgabe erhalten. Er sollte das Volk führen - im Auftrag Gottes! Sicher waren es über 2 Millionen Menschen, denen er nach Kanaan vorangehen sollte. Verständlich, dass er Gott mehrfach bat, ihn aus dieser Aufgabe zu entlassen. Doch Gottes Plan sah ihn als Führer vor. In 4. Mose 9 - kurz bevor die eigentliche Wüstenreise begann - gab Gott ihm dann zwei sehr wirksame Hilfsmittel: die Wolken- und Feuersäule - sie sollte den Weg zeigen - und die beiden silbernen Trompeten. So weit, so gut. Eigentlich sehr einfach für Mose, einfacher ging es kaum noch. Blieb die Säule an ihrem Platz, sollte das Volk ruhen; erhob sie sich, sollte das Volk aufbrechen. Leichter konnte es Mose doch nicht haben, oder? Einfach auf die Säule achten! Der Gott. der das Volk aus Agypten befreit hatte, der die Wasser des Schilfmeeres gespalten hatte, den das Volk schon erlebt und besungen hatte, kannte den Weg mit Sicherheit. Und niemand wusste das besser als Mose selbst. Also dann, Mose, frisch ans Werk.

Aber es kam ganz anders. Es geschah et-was, was mir beim ersten und zweiten und dritten Lesen schier unbegreiflich erschien. Bevor Mose auch nur den ersten Schritt tat, bevor er auch nur die ersten Meter in gespannter Erwartung hinter der Wolken-säule herging, ja, bevor er sich der Führung seines Gottes anvertraute, griff er zu einer menschlichen „Krücke" „Gut, dass ich dich treffe, Hobab. Ich muss jetzt mit diesem Riesenvolk durch die Wüste ziehen, und ich habe absolut keine Ahnung, wo es langgeht. Außerdem kenne ich mich mit Wüsten ohnehin nicht aus. Aber du bist ja ein Insider, ein absoluter Experte - wie froh bin ich, dass ich dich treffe." - Wörtlich sagt er: „Du wirst unser Auge sein" (4. Mo 10,31).

„Mose, was ist los? Hat dein Kurzzeitge-dächtnis versagt? Hat Gott dir nicht gerade erst haarklein erklärt, wie die Wüstenreise verlaufen soll und dass Er die Führung übernehmen will. Und einen Augenblick später flehst du Hobab regelrecht an, dein Führer zu sein? Mose, was ist los?"


Für uns aufgeschrieben

Ist es eigentlich noch nötig, diese Situation auf unsere Tage zu übertragen? Man möchte meinen: Nein. Dennoch will ich es tun. Zuerst was Gott betrifft. Er hat sich seit dieser Zeit nicht geändert. Er ändert sich überhaupt nicht. Er will uns auch weiterhin führen. Er kennt den Weg; Er kennt das Ziel und auch unsere Kraft. Bei Ihm liegt das Problem also nicht, und wenn es nach Ihm geht, werden wir auch in diesem Jahr mit dem Geführtwerden keine Unsicherheiten erleben.

Aber auch wir kleinen „Moses" haben uns nicht geändert. Wir Maiks und Haralds und Claudias und Birgits und wie wir alle heißen. Wir sind viel eher, als wir meinen, dabei, einem Menschen zu vertrauen. Es ist so naheliegend, einfach einem Menschen zu folgen, statt sich der Mühe und dem Gebetsaufwand zu unterziehen, den Weg dem Herrn Jesus Christus nach zu gehen.

Wie viel einfacher ist es, als Christ durch sichtbare Dinge zu leben als durch Glau-ben. Wie sehr neigen wir dazu, blindlings einem „Führer" zu vertrauen und den Herrn als Führer, als Haupt, auf die „Ehrentribüne" zu verbannen. Wie vielen Hobabs haben du und ich schon vertraut, haben uns vielleicht von ihnen abhängig gemacht und Gott damit verunehrt? Haben wir damit nicht deutlich gemacht, dass wir Ihm die Führung im Grunde gar nicht zutrauen? Toleriert Gott so etwas? Hat Er in Jeremia 17 nicht sogar über solches Denken und Handeln einen Fluch ausgesprochen? „Verflucht ist der Mann, der auf den Menschen vertraut und Fleisch zu seinem Arme macht und dessen Herz von dem HERRN weicht" (V. 5).

 

Der HERR allein

Was hat Er bei Mose getan? Er hat auf eine unvergessliche Weise „protestiert".

Die Bundeslade zog plötzlich los - drei Tagereisen weit hat sie ihren angestammten Platz vor dem Volk verlassen, „um ihnen einen Ruheort zu erkunden" (V. 33). Von Hobab hören wir kein Wort mehr. Sicher hat das Volk bald gemerkt, dass ihr Gott gar nicht mehr in ihrer Mitte war.

38 Jahre später sagt Mose im Blick auf die Wüstenreise zu dem Volk: „So leitete ihn der HERR allein, und kein fremder Gott war mit ihm" (5. Mo 32,12). „Der HERR allein" das war das Geheimnis der Wüstenreise, bei allem Versagen und Murren und aller Unzufriedenheit.

Diese Geschichte soll uns für dieses Jahr als ernste Warnung dienen. Es ist nur ein Schritt, vielleicht gut ge-meint, und wir setzen einen Menschen an die Stelle Gottes. Das warnende Beispiel einer großen Kirche, an deren Spitze der „Stellvertreter Gottes" steht, braucht kaum erwähnt zu werden. Aber diese Gefahr lauert in jeder Gemeinschaft von Christen, sie lauert in meinem Herzen. Deshalb wollen wir uns anspornen, wirklich dem Herr zu folgen, IHM ALLEIN zu vertrauen. Dieses Vertrauen wird der Herr nicht enttäuschen.

Auch in diesem Jahr gilt: „Folge mir nach". Dass mit „mir" unser Herr Jesus Christus gemeint ist, braucht wohl kaum erwähnt zu werden.