Frauendienst
Lieber Bruder Steinmeister,
mir kam Ihre Bibelarbeit in „Folge mir nach" 6/99 über das Schweigen der Frauen in der Gemeinde in die Hände. Gut gesprochen!
Was Sie außer acht lassen, ist, daß Petrus nach 1. Korinther 9,5 seine Frau auf der Missionsreise dabei hatte (ebenso die anderen Apostel und die Brüder des Herrn). Wohl nicht nur zum Hemdenwaschen, sondern als Missionarin! Denn wie sollen Männer in Frauenseparaten Kulturen Frauen auf den Glauben ansprechen? Das können die Frauen viel besser.
Dann haben Sie Römer 16 außer acht gelassen, das nachdrücklich von der Beteiligung von Frauen am „Werk des Herrn" spricht.
„Einer Frau gestatte ich nicht, daß sie lehre." - Ja, aber „ich" ist nicht die ganze urchristliche Überlieferung. Wollte man diese Aussage totalisieren, müßten Frauen aus dem Kindergottesdienst und von jeder Verkündigung zu Hause an ihre Kinder ausgeschlossen werden. Ebenso gäbe es keine Lehre für Frauen auf den Missionsfeldern.
Auch wenn Paulus Gründe hatte, in Korinth und in „allen Gemeinden" bei dem überbetonten Geistgeschehen dort die Frauen in den Gemeindeversammlungen zum Schweigen zu bringen (man hörte nur noch Frauen!), hat er doch in Römer 16 gerade Frauen vollen Anteil am „Werk des Herrn" gegeben. Sie sind „Mitarbeiter in Christus Jesus".
Dieser Linie folgten der Pietismus, Zinzendorf und die evangelikalen Missionswerke usw. Wenn man die Schrift auslegt, dann die ganze. In dieser Frage kommen wir mit der Berufung auf die beiden von Ihnen angezogenen Stellen nicht weiter. Und was ist mit den urchristlichen Prophetinnen? Haben die auch geschwiegen?
Alles Gute für Sie, Gnade und Segen und herzliche Grüße
von Ihrem Rolf Walker
Lieber Bruder Walker
herzlichen Dank für Ihren Brief, der einige kritische Gedanken zu meiner Studie über 1. Korinther 14,34 enthält. Ich freue mich darüber, daß Sie sich mit dem Text auseinandergesetzt haben und mir Ihre Gedanken mitteilen, so daß ich darauf konkret antworten kann.
1. Sie schreiben: „Was Sie außer acht lassen, ist, daß Petrus nach 1. Korinther 9,5 seine Frau auf der Missionsreise dabei hatte (ebenso die anderen Apostel und die Brüder des Herrn). Wohl nicht nur zum Hemdenwaschen, sondern als Missionarin! Denn wie sollen Männer in Frauenseparaten Kulturen Frauen auf den Glauben ansprechen? Das können die Frauen viel besser. "
Antwort: Es fällt mir schwer, aus 1. Korinther 9,5 abzuleiten, daß Frauen sich in den Gemeindestunden beteiligen sollen. Es heißt dort einfach, daß die Apostel „das Recht haben, eine Frau umherzuführen". Es steht dort nicht, daß sie predigten, evangelisierten, lehrten, prophezeiten oder vor anderen laut beteten. Das Wort „umherführen" (periagein) wird noch in Matthäus 4,23; 9,35; 23,15; Markus 6,6; Apostelgeschichte 13,11 gebraucht und bedeutet im transitiven Sinn „herumführen, bei sich herumtragen, mit etwas oder jemand in einer Gesellschaft herumziehen" oder im intransitiven Sinn „sich herumtreiben". Wir lesen von keinerlei Aktivitäten der Frauen der Apostel. Daher bleibt es für mich nicht nachvollziehbar, daß Sie meinen, daß diese ohne weiteres evangelistische Dienste getan hätten. Die Schrift sagt es auf jeden Fall nicht, und wo die Schrift klar schweigt, sollten wir nicht grundsätzliche Lehren entwickeln. Eventuell haben die Frauen der Apostel evangelistische Gespräche mit Frauen geführt, aber es wird nirgends berichtet. Eines sollten wir allerdings unter keinen Umständen tun: Es wäre sicherlich undenkbar, aus 1. Korinther 9,5 abzuleiten, daß Schwestern in den Zusammenkünften als örtliche Versammlung öffentliche Dienste tun. Übrigens haben Männer sehr wohl Frauen angesprochen (vgl. z. B. Apg 16,13ff.).
2. Weiter schreiben Sie: „Dann haben Sie Römer 16 außer acht gelassen, das nachdrücklich von der Beteiligung von Frauen am ,Werk des Herrn' spricht."
Antwort:
a) Nun, wir wollen den Text in Römer 16 genau studieren: Phöbe war eine Dienerin (diakonon) der Versammlung in Kenchreä. Von ihr wird gesagt: „... denn auch sie ist vielen ein Beistand gewesen". Der Ausdruck : „Beistand, Beschützerin, Fürsorgerin" sagt nichts darüber aus, daß sie irgendeinen Rede-Dienst in den Versammlungen ausgeübt hätte.
b) Priska und ihr Mann Aquila waren Mitarbeiter des Apostels Paulus in Christus Jesus, die „ihren eigenen Hals preisgegeben haben". Dieses Ehepaar wird in Apostelgeschichte 18,2.18.26; 1. Korinther 16,19 und 2. Timotheus 4,19 erwähnt. Was wir aus diesen Texten lernen, ist z. B., daß Priska und ihr Mann Begleiter und Mitarbeiter des Paulus waren. Außerdem beherbergten sie die örtliche Versammlung. Sodann legte dieses Ehepaar dem Apollos „den Weg genauer aus". Dieser Dienst geschah aber daheim. Es heißt: „Sie nahmen ihn zu sich". Aber auch diese Texte sagen nichts darüber aus, daß Priska sich in den Versammlungszusammenkünften beteiligte.
c) Von Maria wird gesagt, daß sie sehr für die Gläubigen in Rom gearbeitet habe. Um welche Arbeit es sich handelte, wissen wir nicht.
d) Tryphäna und Tryphosa sollten gegrüßt werden, „die im Herrn arbeiten".
e) Persis, die Geliebte, sollte ebenfalls gegrüßt werden. Sie hatte „viel gearbeitet im Herrn"
Das Wort „arbeiten" (kopiao) hat aber durchaus nicht die vorrangige Bedeutung von „predigen, lehren, beten, weissagen" usw. Es bedeutet einfach, etwas „mühevoll zu tun" (vgl. das Wort in Mt 6,28; 11,28; Lk 5,5; 12,27) oder von einer mühevollen Reise ermüdet sein (Joh 4,6). Vgl. weiter in den Schriften des Apostels Paulus 1. Korinther 4,12; 15,10; 16,16; Galater 4,11; Epheser 4,28; Philipper 2,16; Kolosser 1,29; 1. Thessalonicher 5,12; 1. Timotheus 4,10; 5,17; 2. Timotheus 2,6. Die Stellen in 1. Korinther 4,12; Epheser 4,28; 2. Timotheus 2,6 weisen deutlich darauf hin, daß es sich sehr wohl auch um ein Arbeiten mit den Händen handeln kann. Doch selbst wenn es sich um geistliche Arbeit handelt, besagen diese Stellen nichts darüber, daß Schwestern sich in den Versammlungsstunden mit Wortbeiträgen beteiligen sollen. 1. Korinther 14,34; 1. Timotheus 2,8ff. stehen klar dagegen. Inwieweit sie im Herrn arbeiteten, was es für eine Arbeit war, wissen wir nicht. Nur eines dürfen wir wohl klar annehmen, nämlich daß sie nichts tun wollten, was im Widerspruch zu den göttlichen Ordnungen war.
3. Sie betonen: ,,Einer Frau gestatte ich nicht, daß sie lehre' - Ja, aber ,ich' ist nicht die ganze urchristliche Überlieferung. Wollte man diese Aussage totalisieren, müßten Frauen aus dem Kindergottesdienst und von jeder Verkündigung zu Hause an ihre Kinder ausgeschlossen werden. Ebenso gäbe es keine Lehre für Frauen auf den Missionsfeldern."
Antwort: Zunächst lasse ich das „Ich" als apostolisches Ich stehen, denn sonst könnten wir zu gefährlichen Schlußfolgerungen kommen. Für mich ist 1. Timotheus 2,8ff. Gottes Wort und damit apostolisch-normativ. Wie sollte ich sonst mit Texten wie 1. Korinther 11,23ff.; 1. Korinther 15,1ff. und allen übrigen Ich-Texten" umgehen? 1. Timotheus 2 gehört zur urchristlichen Überlieferung, die ich als Gottes Wort absolut ernst nehmen möchte.
Der Umgang mit Kindern ist ohne Frage ein frauenspezifischer Dienst. Ich denke, daß Stellen wie z. B. Titus 2,4; 1. Timotheus 5,10.14; 2. Timotheus 1,5 in Verbindung mit 2. Timotheus 3,15 deutlich zeigen, daß Schwestern sehr wohl Dienste an Kindern tun können. Außerdem lehrt 1. Korinther 11,4ff. klar, daß Frauen mit bedecktem Kopf weissagen und beten können. Außerhalb der Versammlungszusammenkünfte gibt es sehr wohl viele Dienste, die Schwestern tun sollten. Mir sind viele Frauen bekannt, die auf den Missionsfeldern Kinder- und Frauenarbeit im Licht von Titus 2,4 tun. Weiter kenne ich manche Schwestern, die bei missionarischen Straßeneinsätzen mitsingen bzw. Gespräche führen.
Den Text aus 1. Timotheus 2,12 kann man nicht wegdiskutieren. Hier ist ein Lehren mit Autorität vor den Gläubigen gemeint. Das soll eine Frau auf jeden Fall nicht tun.
4. Auf Seite 2 machen Sie dann noch einmal deutlich, daß Paulus wohl deswegen 1. Korinther 14,34 geschrieben habe, weil man nur noch Frauen hörte („man hörte nur noch Frauen"). Aber auch das steht nicht da. Es ist nicht möglich, 1. Korinther 14,34 gegen Römer 16 auszuspielen, wie Sie das darin in der Folge tun. 1. Korinther 14 behandelt das Zusammenkommen als örtliche Versammlung zur Erbauung (V. 5.12.19. 26); Römer 16 tut das gerade nicht. Daher kann ich Sie auch nicht gut begreifen, wenn Sie beide Textabschnitte so miteinander in Verbindung bringen.
5. Zum Schluß weisen Sie noch auf die Geschichte des Pietismus hin und zitieren Zinzendorf, evangelikale Missionswerke und weisen auf die urchristlichen Prophetinnen hin. Über Zinzendorf möchte ich mich an dieser Stelle nicht auslassen. Er wird von dem Herrn seinen Lohn für das vom Herrn Gewirkte bekommen ... Er war auch nur ein fehlbarer Mensch genau wie ich. Manche seiner Auffassungen sind absolut schriftwidrig. Auch evangelikale Missionswerke sind nicht unfehlbar im Blick auf diese Texte.
Im Gegenteil: Wir werden in unserem Zeitalter, wo geistige Strömungen wie der Relativismus, Pragmatismus, Okumenismus und der Feminismus Triumphe feiern, damit rechnen müssen, daß Texte über die Frau mit rasanter Geschwindigkeit ignoriert werden.
Was die „urchristlichen Prophetinnen" betrifft, werden meines Wissens gar keine in der Schrift erwähnt. Im Neuen Testament werden im Plural nur männliche Propheten genannt. Sehr wohl wird gesagt, daß Frauen „weissagten" (prophezeiten), aber das macht sie durchaus noch nicht zu Prophetinnen (vgl. Apg 2,17; 21,9; 1. Kor 11,5), genausowenig wie ein Ältester, der „lehrfähig" sein sollte, ein Lehrer im Sinn von Epheser 4,11 war.
Hoffentlich können Ihnen meine Gedanken ein wenig weiterhelfen oder wenigstens Verständnis dafür wecken, daß es biblische Gründe für die Auffassung mancher Christen gibt, die dem Trend der Zeit nicht erliegen wollen und sich auch nicht auf eine Tradition gründen wollen, die in der Auslegung der betreffenden Texte meiner Überzeugung nach doch recht fragwürdig ist.
Möge der Herr Sie segnen, Ihnen Seine Gnade reichlich geben und Sein Wort immer wieder lebendig machen.
Dem Herrn befohlen
Ihr Andreas Steinmeister
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