Zum Nachdenken
Vom Dienen
Viele Tage war der Mann unterwegs, mit einer Karawane von zehn Kamelen. Fast tausend Kilometer hatte er zurückge-legt, als er endlich am Ziel ankam. Er hatte einen wichtigen Auftrag zu erfüllen. Für den Sohn seines Herrn sollte er eine Frau holen. Abends kommt er müde an der Dorfquelle an. Die Kamele sind sehr dur-stig. Er selbst ist ebenfalls durstig. Er setzt sich hin. Es ist die Zeit, wo die Mädchen aus dem Dorf kommen, um Wasser zu schöpfen.
Der Mann betet, daß Gott Gelingen zur Erfüllung seines Auftrags geben möge. Er betet ganz konkret, daß ein Mädchen, wenn er es bittet, ihm zu trinken zu ge-ben, von sich aus sagt: Ich will auch deinen Kamelen zu trinken geben. Und siehe, genau das geschieht kurze Zeit später. Da kommt Rebekka, die Tochter Bethuels. Der Knecht Abrahams spricht sie an. Sie gibt ihm zu trinken, als er sie darum bittet. Und was sagt sie unvermittelt zu ihm? „Ich will auch für deine Kamele schöpfen, bis sie genug getrunken haben."
Das Mädchen weiß von nichts. Ihr Verhalten hat eine Anmut, die ihre natürliche Schönheit noch in den Schatten stellt. Ist sie nicht ein fesselndes Mädchen, überaus anziehend? (Rebekka heißt die Fesselnde, Anziehende.) Selbstloses Dienen verleiht eine packende Schönheit.
Dienen in der Bibel
Wörter mit dem Wortstamm „dien" kommen mehr als neunhundertmal in der Bibel vor, und zwar in allen Variationen: dienen, Dienst, Priesterdienst, Dienstkleider, Dienstarbeit, Bedienung, Diener, Dienerin, Krondiener, Aufseherdienst, Heeresdienst und so weiter - es gibt Dienst für Gott, Dienst gegenüber Menschen, leider auch Sklavendienst und sogar Götzendienst.
Es gibt sowohl im Hebräischen als auch im Griechischen unterschiedliche Wörter für „dienen". Wer entsprechende Nachschlagewerke zur Hand hat, sollte die Be-deutungsunterschiede einmal heraussuchen. Uns geht es heute mehr um die praktische Seite des Dienens.
Die Motivation zum Dienen
Auch geht es uns jetzt nicht um erzwungenen Dienst. Es gibt eine grausame Herrschaft durch die Sünde und den Teufel als Fürst der Welt. Unzählige Menschen sind Sklaven der Sünde und können gar nicht anders als der Sünde dienen. Manche dienen regelrecht Satan. Wenn das auch ihre freiwillige Entscheidung war - soweit man das überhaupt sagen kann -, so kommen sie doch später in eine entsetzliche Abhängigkeit. Manche gäben etwas dafür, wenn sie frei würden.
Es geht uns nun um freiwilliges, freudiges Dienen, das aus dem Herzen kommt, ja, aus der Liebe. Die Liebe ist die Kraft jedes echten Dienens. Paulus forderte die Galater auf, von ihrer Freiheit in Christus Gebrauch zu machen und in der Liebe einander zu dienen (Gal 5,13). Dieser Vers ist ein funkelndes Kleinod auf dem sonst dunklen Hintergrund dieses Briefes.
Wenn wir Gott dienen wollen und tun es nicht aus Liebe, hat es für Ihn keinen Wert. Geheuchelte Hingabe ist für Gott abstoßend. Und wenn wir Menschen dienen wollen, seien es nun unsere Mit-geschwister oder solche, die den Herrn noch nicht kennen, hat der Dienst ebenfalls keinen Wert, wenn er nicht aus Liebe geschieht.
Das erinnert mich an eine Schwester, die einen leckeren Kuchen gebacken hatte. „Du, Tante Henni", sagte die Kleine von nebenan, die öfter mal hereinschaute, „warum schmeckt dein Kuchen immer so lecker? Was hast du da drin?" - „Weißt du, Tante Henni hat Liebe hineingetan."
Ist das nicht auch so beim Schenken? Ein Geschenk mag noch so einfach sein, wenn es aber der Ausdruck der Liebe ist, die der Beschenkte empfindet, ist es für ihn wertvoll. Wie viele teure Geschenke werden gemacht, die ihre Wirkung verfehlen, weil die Liebe fehlt.
Dienen ist echte Selbstverwirklichung
Wahres Dienen sucht die Freude, das Glück, das Wohlergehen des anderen. Im Dienen findet ein Mensch seine eigentliche Sinnerfüllung. Noch nie hat Egoismus einen Menschen bleibend glücklich gemacht. Die Scheinfreude des Augenblicks ist ein Strohfeuer.
Vor einiger Zeit sagte mir ein Arzt, daß er die Beobachtung gemacht habe, daß Menschen, die sich um andere kümmern, sich dabei selbst vergessen und nicht andauernd mit ihrem eigenen Befinden beschäftigt sind, gesunder sind als solche, die das nicht tun.
Der Mensch ist für den Herrn Jesus geschaffen
Wenn es in Kolosser 1,16 heißt, daß alle sichtbaren und unsichtbaren Dinge durch den Herrn Jesus geschaffen worden sind, so zählen auch die Menschen dazu. Am Ende dieses Verses heißt es: „Alle Dinge sind durch ihn und für ihn geschaffen." Was heißt für ihn? Bedeutet das nicht, daß es die erste und wichtigste Aufgabe eines Menschen ist, seinem Schöpfer, dem Herrn Jesus, zu dienen?
Eines Tages war ein Schriftgelehrter Zeu-ge, wie die Sadduzäer mit dem Herrn Jesus stritten. Er trat herzu und fragte den Herrn, welches das erste, das moralisch größte, wichtigste Gebot Gottes sei. Was war die Antwort des Herrn? „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen und aus deiner ganzen Seele und aus deinem ganzen Verstand und aus deiner ganzen Kraft." Dann fügte der Herr hinzu: „Das zweite ist dieses: 'Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.' Größer als diese ist kein anderes Gebot* (Mk 12,30.31). Ist selbstlose Liebe - Liebe aus ganzem Herzen - nicht unmöglich aufzubringen? Ja! Dazu bedarf es einer übernatürlichen Energie. Doch diese Energie gibt dem wiedergeborenen Christen der Heilige Geist. Er befreit vom Egoismus unseres gefallenen, sündigen Wesens. Der Egoismus ist eine Quelle der Sünde. Selbstlose Liebe ist eine Quelle der Freude.
Nochmal: Wir sind geschaffen, um Gott zu lieben und Ihm zu dienen. So verwirklichen wir uns selbst.
Verschiedene Bereiche des Dienens
Die wichtigsten Bereiche, in denen wir uns als Christen bewegen, sind (a) die Ehe bzw. Familie, (b) die Arbeitswelt oder Schule, (c) die Nachbarschaft oder weitere soziale Kontakte und nicht zuletzt (d) der Kreis der Mitgläubigen, die örtliche Gemeinde. In jedem Bereich gibt es viele Möglichkeiten, Gott und Menschen zu dienen.
Geh einmal die unterschiedlichsten Beziehungen in diesen Bereichen durch und frage dich, wo und wie du anderen dienen kannst.
Ich warne vor einer Aufteilung in zwei Bereiche, nämlich einerseits den Dienst für Gott und andererseits den Dienst am Menschen. Natürlich gibt es einen überdeutlichen Unterschied zwischen der Liebe zu Gott und der Liebe zum Nächsten. Doch von der Wertigkeit her sind beide Bereiche gleichrangig. Das eine ist ohne das andere überhaupt nicht möglich. Die Aussage des Herrn Jesus in Markus 12 ist der Todesstoß für den Pharisäismus.
Wie kann jemand sagen, daß er Gott liebe, und bleibt der Not des Nächsten gegenüber kalt? Wie kann jemand meinen, er diene wirklich dem Nächsten, und zwar aus selbstloser Liebe, wenn er Gott nicht kennt und Ihm dient?
Es gibt ein; „soziales Christentum", das sich horizontal betätigt, aber Gott ausschließt. Dienst am Nächsten ist eben nicht Dienst für Gott in dem Sinn, daß Gott in dem anderen ist und ich Gott in ihm begegne. Wenn dem Christentum die vertikale Komponente fehlt, die echte Beziehung zu Gott, kann man dem Nächsten nicht wirklich dienen. Die eigentliche Not des Menschen ist nicht die äußere Not, sondern seine zerstörte Beziehung zu Gott. Durch echte Liebe kann ich ihm zeigen, wie Gott handelt und ihn liebt.
Gott hat uns Christen unbegrenzte Möglichkeiten gegeben, Ihm auf alle Weise zu dienen. Wer dem Herrn Jesus sein Leben radikal übergibt und dem Dienst für Ihn die erste Priorität einräumt, wird zu einem unschätzbaren Segen für andere Menschen. Der Herr wird ihm eine Aufgabe nach der anderen anvertrauen und die Kraft zur Ausführung geben, ja, die nötige Liebe ins Herz schenken.
Ein einmaliges Beispiel
.Denn ich habe euch ein Beispiel gege-ben, damit, wie ich euch getan habe, auch ihr tut" (Joh 13,15). Betrachte Ihn genau, der das gesagt hat. Am Abend vor seinem Sterben beugte Er sich nieder, um seinen zwölf Jüngern die Füße zu waschen. Kniete Er sich vor den Jüngern nieder? Wieder bestätigte Er die Echtheit seiner Worte, die Er bei anderer Gelegenheit ausgesprochen hatte: „Denn ... der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele" (Mk 10,45). Sein Leben war ein einziger Dienst für Gott, weil Gott Ihm den Auftrag gegeben hatte, sein Werk zu vollbringen (das war sein gesamter Dienst und sein Sterben am Kreuz). Und dieser Dienst galt zugleich uns Menschen! Die Erfüllung seines Dienstes, seiner Hingabe am Kreuz war es, Sünder freizukaufen.
Danke, Herr Jesus, daß Du für mich auf dem Kreuz gestorben bist! Danke, daß ich durch Dich jetzt Gott dienen darf!
Die Zukunft des Dieners
Der vollkommene Diener ist bereits seit fast zweitausend Jahren in der Herrlichkeit seines Vaters. Er hat nicht aufgehört, seinen Erlösten zu dienen. Er wäscht ihnen auch heute noch jeden Tag die Füße, sofern sie sich nicht weigern. - Bald wird Er kommen, um alle, die Ihm hier gedient. haben, zu sich in seine Herrlichkeit zu holen.
Dann erfüllen sich seine Worte aus Lukas 12,37: „Glückselig jene Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend finden wird! Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich umgürten und sie sich zu Tisch legen lassen und wird hinzutreten und sie bedienen." Er wird uns ewig dienen! (vgl. 2. Mo 21,2-6).
„Wenn mir jemand dient,
so folge er mir nach;
und wo ich bin,
da wird auch mein Diener sein."
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