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Versicherungen - worauf vertrauen wir

Worauf vertrauen wir? Ergänzende Gedanken zum Thema Versicherungen

Fensterscheibe zu Bruch gegangen? Kein Problem - ich bin ja haushaltglasversichert. Urlaubskoffer weg? Kein Problem - ich bin ja reisegepäckuersichert. Von der Leiter gefallen? Kein Problem - ich bin ja unfallversichert. Haus abgebrannt? Kein Problem - ich bin ja wohngebäudeversichert. Vom Nachbarn angezeigt? Kein Problem - ich bin ja rechtsschutzversichert. Firma bankrott? Kein Problem - ich bin ja arbeitslosenversichert. Krank? Kein Problem - ich bin ja krankenversichert. Berufsunfähig? Kein Problem - ich bin ja berufsunfähigkeitsversichert. Pflegebedürftig? Kein Problem - ich bin ja pflegeversichert. Tot? Kein Problem - ich bin ja ... Ich habe ja eine Lebensversicherung ...

Überlegungen wie diese dürften in der heutigen Welt gar nicht so ungewöhnlich sein. Für nahezu alles im Leben gibt es mittlerweile eine passende Versicherung. Niemand muß sich mehr davor fürchten, im Falle eines Falles mittellos dazustehen; jeder kann sich rechtzeitig sein individuelles Versicherungspaket zusammenstellen. Die Versicherung bietet Sicherheit; sie ist „der Fels in der Brandung" (so der Werbeslogan eines Stuttgarter Versicherungsunternehmens). Die Menschen danken es ihr, indem sie ausgiebig von ihren Angeboten Gebrauch machen - so ausgiebig, daß sogar weltliche Kritiker von einer „Vollkaskomentalität" sprechen, die sich in der Gesellschaft breitgemacht habe.

Wie stehen wir als Christen zu dieser Hal-tung? Tun wir es der Welt gleich, oder betrachten wir die Dinge als Gläubige anders? Daß die Welt sich nach allen Seiten hin abzusichern versucht, können wir ihr kaum vorwerfen; sie hat ja keine andere Möglichkeit, als ihre Sicherheit im Diesseitigen zu suchen. Aber wie steht es mit uns?

Für den Botschafter des Heils in Christo war es 1858 keine Frage, daß Versicherungsgesellschaften „Anstalten des Unglaubens" seien; die Versicherung des Christen sei Gott selbst, und wer sich zusätzlich noch bei irdischen Unternehmen versichern wolle, zeige „Mißtrauen gegen Gott" und suche „durch menschliche Mittel den göttlichen Heimsuchungen zu entgehen" (vgl. Folge mir nach 6/1998, S. 13).

Wie wirkt eine solche Stellungnahme heute auf uns? Halten wir sie für die Meinung eines extremen religiösen Eiferers, der sich um jeden Preis von der Welt absondern wollte und dadurch den Anschluß an die Zeit verpaßte? Oder müssen wir uns fragen, ob wir uns nicht umgekehrt dem Denken der Welt schon so weit angepaßt haben, daß wir eine solche Auffassung nur noch als weltfremde Schwärmerei betrachten können? Wie groß ist unser Gottvertrauen eigentlich noch? Würden wir Gott zutrauen, daß Er uns ebenso gut versichern könnte wie eine irdische Versicherung? Oder würden wir uns dann gegenüber den Menschen der Welt im Nachteil fühlen?

Woran liegt es denn, daß wir, wenn es um die Risiken unseres irdischen Lebens geht, den Versicherungen oft mehr vertrauen als Gott? Liegt es nicht an der allgemeinen Säkularisierung der Gesellschaft, die auch vor uns Christen nicht haltgemacht hat? Die Welt braucht Gott nicht mehr; sie hat Ihn beiseitegeschoben, sich von Ihm emanzipiert, Ihn überflüssig gemacht; für ihre Bedürfnisse und Sicherheiten sorgt sie selbst. Der Glaube ist allenfalls noch eine Privatsache, die niemanden etwas angeht; wer sich in seinem alltäglichen Verhalten, seinen Überzeugungen und Entscheidungen von ihm leiten läßt, gilt als hoffnungslos altmodisch. Der Mensch hat sein Schicksal selbst in der Hand, und wenn er Hilfe braucht, sucht er sie bei anderen Menschen: bei Politikern, Arzten, Therapeuten, Rechtsanwälten, Versicherungen.

Hat dieses Denken nicht auch uns alle infiziert? Verhalten wir uns nicht oft so, als ob es Gott gar nicht gäbe? Wir danken Ihm gewohnheitsmäßig vor den Mahlzeiten, aber sind wir uns tatsächlich noch bewußt, daß wir, was unser tägliches Brot betrifft, von Ihm abhängig sind? Wir beten zu Gott, wenn uns eine Krankheit oder ein körperliches Gebrechen plagt, aber vertrauen wir wirklich noch auf Seine Hilfe - oder doch eher auf die Kunst der Ärzte und auf die Medikamente? Wir bitten Gott, daß Er uns vor Arbeitslosigkeit bewahren möge, aber gibt uns die Tatsache, daß wir in diesem Fall Unterstützung vom Staat in Anspruch nehmen könnten, nicht auch eine ganz gute Sicherheit? Theoretisch halten wir wohl noch daran fest, daß Gott uns in allen Dingen des täglichen Lebens seine Hilfe erweisen kann, aber in der Praxis setzen wir unser Vertrauen „sicherheitshalber" doch lieber auf irdische Hilfsquellen.

Nun gut, mag mancher einwenden, aber was sollen wir tun? Sollen wir alle unsere Versicherungsverträge kündigen, für die Abschaffung der gesetzlichen Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung eintreten, keine Medikamente mehr einnehmen, keinen Arzt mehr aufsuchen und statt dessen alles nur noch in die Hände Gottes legen? Ich glaube nicht, daß uns das im jetzigen Stadium der Säkularisierung noch gelingen würde. Ich bewundere die Christen, deren Gottvertrauen so groß ist, daß sie prinzipiell keine Versicherung abschließen; ich bewundere die Christen, deren Gottvertrauen so groß ist, daß sie, wenn sie unschuldig vor Gericht gestellt werden, auf den Beistand eines Rechtsanwalts verzichten - ich selbst habe dieses Gottvertrauen nicht, und ich kann es auch von keinem meiner Mitgläubigen verlangen; dazu ist die Säkularisierung auch unter uns Christen schon zu weit fortgeschritten. Das kindliche Vertrauen, das die Gläubigen vergangener Jahrhunderte zu ihrem himmlischen Vater hatten, dem sie sich in ihrem ganzen Leben und Sein ausgeliefert wuß-ten, könnten wir wohl nur dann wieder lernen, wenn Gott unsere gesamten irdischen Sicherheiten zusammenbrechen lassen würde; aber wer von uns hätte den Mut, Ihn darum zu bitten?

Worum wir Ihn bitten können, ist dies: daß Er uns wieder neu das Bewußtsein schenken möge, daß Er alles in Seiner Hand hat, daß wir von Ihm abhängig sind, daß wir Ihn täglich brauchen, daß wir ohne Ihn nicht einen Schritt gehen könnten; und daß Er uns die Kraft schenken möge, uns wieder ganz auf Ihn zu stützen und den irdischen Hilfsmitteln den untergeordneten Platz zu geben, der ihnen gebührt. Wir dürfen Gott danken, daß wir Arzte, Medikamente und auch Versicherungen haben; aber wir dürfen ihnen niemals mehr vertrauen als Ihm selbst, der über allem steht und der auch die Macht hat, uns diese irdischen Stützen einmal wegzunehmen. Vielleicht kann es uns so gelingen, zumindest ein wenig von dem Bewußtsein der Abhängigkeit von Gott zurückzugewinnen, das die Christen früherer Jahrhunderte kennzeichnete.