Dwight L. Moody
Dwight L. Moody
(Teil 2)
m Sommer 1872 fuhr Moody nach Großbritannien, wo er bei einer seiner Predigten wieder dem Fleischer Varley begegnete. Dieser sagte beiläufig zu ihm: „Moody, die Welt wartet noch darauf, einmal zu sehen, was Gott mit einem Menschen anfängt, der ihm wirklich ganz und gar ergeben ist." Mit diesen Worten beschäftigte Moody sich wochenlang. Ihm wurde etwas klar, das er noch nie vorher begriffen hatte, daß es nämlich letztendlich nicht der schwache Mensch ist, der die Arbeit tut, sondern Gott. Moody lieferte sich Ihm aus. Er wollte das Instrument in Gottes Hand sein.
Kurze Zeit später predigte er in der Nähe des Gefängnisses von Pentonville. Eine junge Frau erzählte dies zu Hause ihrer Schwester, die oft krank im Bett lag. Diese sagte: „Ich weiß, was das bedeutet! Gott hat meine Gebete erhört!" Dann holte sie einen zerknitterten Zeitungsausschnitt unter dem Kopfkissen hervor, der von Moodys Arbeit in den Slums von Chicago berichtete. Durch diesen Artikel war sie dazu veranlaßt worden, Tag für Tag zu beten, daß Gott Moody zu ihnen schicke.
Im Winter 1873 fuhr Moody mit seiner Familie nach Schottland, wo viele zum Glauben kamen. Moody betonte immer wieder, daß das Christentum nicht bloßes Gefühl sei, sondern die Hingabe des ganzen Menschen an einen persönlichen, lebenden Christus. Auch versuchte er nicht, Erregung und Sensationslust zu wecken. Er und sein Mitarbeiter Ira David Sankey, der Moodys Arbeit seit 1870 durch Singen unterstützte, hatten einen Abscheu vor künstlich erregten Emotionen. Das Ziel war zu lehren, zu konfrontieren und die Hörer zu Gott zu ziehen.
Einem Mitarbeiter erteilte Moody den Rat: „In jedem Falle gründlich und geduldig vorgehen, nicht von einem zum anderen eilen. Warten Sie geduldig, helfen Sie mir mit dem Wort Gottes und bedenken Sie, was es bedeutet, eine Seele für Christus zu gewinnen. Murren Sie nicht darüber, daß Sie soviel Zeit für einen einzigen Menschen aufwenden müssen." Es wird deutlich, daß Moody gegenüber seinem anfänglichen, auf die Menge ausgerichteten Tun in Chicago dazugelernt hatte. Einen gravierenden Mangel stellte er aber immer wieder fest: Es fehlte an kompetenten Männern und Frauen, die den Fragenden klare Antworten geben konnten. An einen Freund schrieb er: „Ich bin überzeugt, daß die Welt Männer und Frauen braucht, die nicht groß sind, aber wirklich ehrliche und aufrichtige Menschen, die Gott verwenden kann."
Im November 1874 berichtete der Dubliner Korrespondent der Times in einem Artikel über Moodys Evangelisation in Irland, sie habe „einen gänzlich anderen Charakter und sei von einer Lebendigkeit, die man bei anderen Veranstaltungen dieser Art" vermißt habe. Ihm fiel dabei besonders auf, daß jede Selbstdarstellung nach Kräften vermieden wurde.
Im Laufe des Jahres 1875 verkündete Moody unter anderem in London das Evangelium. Man kann davon ausgehen, daß ihn dort mindestens anderthalb Millionen Menschen hörten und sahen. Vom November 1875 bis Januar 1876 arbeitete er in Philadelphia, wo er jeden Freitag besondere Versammlungen für Alkoholiker abhielt.
Am Ende von Moodys Arbeit in New York vom 7. Februar bis zum 19. April 1876 schrieb die New York Times: „Die Arbeit, die Mr. Moody in diesem Winter für die private und öffentliche Moral geleistet hat, wird fortwirken. Die Trunkenen sind nüchtern geworden, die Lasterhaften tugendsam, die Weltlichen und Selbstsüchtigen selbstlos, ... die Alten sind aus ihrer Überheblichkeit aufgerüttelt worden. Eine neue Hoffnung hat Hunderte von Menschen erfüllt."
Am 22. April reiste er dann nach Augusta in Georgia. Hier offenbarte er einem Freund, daß er sich ausgebrannt fühle. Jetzt, da er in den Vereinigten Staaten den höchsten Einfluß erlangt hatte, stand er vor der Gefahr der geistlichen Zahlungsunfähigkeit.
Trotz seines enormen Einflusses zur damaligen Zeit sagte Moody zu Reportern: „Ich bin der am meisten überschätzte Mann in Amerika." Seine Predigten wurden von Zeitungen in voller Länge abgedruckt und in Sammelbänden veröffentlicht. So wurde seine Botschaft überall im Land verbreitet. Ein Theologieprofessor schrieb über ihn: „Es ist einfach verblüffend, daß ein so unzulänglich ausgebildeter Mann gelernt hat, die Massen so ausgezeichnet zu verstehen. Er kann das griechische Testament nicht lesen. Tatsächlich bereiten ihm sogar manche Teile der englischen Übersetzung Schwierigkeiten; aber besser als jeder andere, den ich bisher gehört habe, versteht er es, den Menschen den wirklichen Sinn einer Schriftstelle klarzumachen."
Am 28. Januar begann eine Evangelisationsreihe in Boston. Am ersten Abend rief Moody: „Die Christenheit ist lange genug in der Defensive gewesen ... Ich vermute, daß viele gute Christen hier in Neu-England ganz einfach in ihren weich gepolsterten Kirchenbänken eingeschlummert sind. Jetzt ist der Augenblick, aufzuwachen."
Moody war immer besorgt, die Leute vor gefühlsmäßigem Überschwang zu bewahren. Nach einer Versammlung sagte einer der Männer: „Ich hoffe, daß ich aus dieser Konferenz soviel Gewinn ziehen werde, daß es für mein ganzes Leben ausreicht." „Ebensogut könnten Sie versuchen, so reichlich zu frühstücken, daß Sie ihr Leben lang genug haben", entgegnete Moody. Ein anderer meinte: „Ich habe fünf Jahre auf dem Berg der Verklärung gelebt". Moody: „Wie viele Seelen haben Sie denn im vergangenen Jahr zu Christus geführt?" Der Mann reagierte verwirrt. Moody fügte hinzu: „Wir wollen diese Art von Gipfelerlebnissen nicht. Wenn ein Mensch so hoch hinauf gelangt, daß er nicht mehr herunterreicht, um arme Sünder zu retten, dann ist etwas nicht in Ordnung." Ein andermal machte ein Student während einer Veranstaltung eine Bemerkung, auf die Moody fast in beleidigender Weise reagierte. Zum Schluß sagte er dann: „Freunde, ich möchte vor euch allen gestehen, daß ich zu Beginn unserer Versammlung einen großen Fehler begangen habe. Ich habe meinem jungen Bruder dort unten wie ein Narr geantwortet. Ich werde Gott bitten, mir zu vergeben, und ich bitte unseren jungen Bruder, mir zu verzeihen." Darauf ging er zu dem jungen Mann und ergriff seine Hand. Ein Anwesender sagte: „Dieser harte Mann hat bewiesen, daß er auch den schwersten Satz beherrscht, den es in allen menschlichen Sprachen gibt: Es tut mir leid!"
Als Moody einmal in Stepney das Evangelium verkündete, betete ein älterer Mann so lange, daß alle Anwesenden unruhig wurden und ein junger Medizinstudent auf Zehenspitzen wieder hinausschlich. Plötzlich hörte er Moodys Stimme, die sagte: „Wir wollen einen Choral singen, während unser Bruder sein Gebet beendet!" Der junge Mann ging zurück und kam dann an einem der Abende zur Umkehr.
Eines Tages überraschte Richter Williams in Portland bei einer Versammlung dreitausend seiner Mitbürger: „Ich bin jetzt dreiundsiebzig Jahre alt, und seit dreiundvierzig Jahren sitze ich auf dem Richterstuhl. Ich habe viele wichtige Entscheidungen getroffen, aber die größte habe ich heute morgen gefällt, als ich zum erstenmal in meinem Leben im Beisein von Bruder Moody auf den Knien gelegen und Gott um Vergebung meiner Sünden gebeten habe. Da ist Freude in mein Herz gekommen. Immer habe ich den Christen gespielt, habe zur Kirche gehört, aber das alles war nur äußerlich. Freunde, vergebt mir, ich wußte es nicht besser. Aber jetzt weiß ich es. Ich und mein Haus wollen dem Herrn dienen."
Während Moodys Sohn Will sich früher eher loyal verhalten hatte, schrieb er fast achtzehnjährig einen Brief an seine Eltern, in dem er deutlich gegen den Glauben rebellierte. Moody antwortete:
„Ich habe Deinen Brief vor mir, und ich bin froh, daß Du mir das alles erzählt hast, denn mir ist es lieber, wenn Du mit Deinen Schwierigkeiten zu mir kommst, als wenn Du sie vor mir verbirgst. Natürlich tut es mir leid, daß Du zum Rauchen versucht warst. Ich hoffte, das würde für Dich niemals eine Versuchung bedeuten, aber weit mehr schmerzt mich, daß Du nicht den Wunsch empfindest, Christus kennenzulernen. Manchmal ist mein Herz schwer bei dem Gedanken, daß Du soviel Nichtachtung für jemanden zeigst, der so viel für Deine Mutter und Deinen Vater getan hat. Alles, was wir sind und haben, kommt von ihm, und Du bist von einem frühen Tod errettet worden, und ich glaube, das war eine Gebetserhörung. Und jetzt, da Du stark und gesund bist und die Möglichkeit hast, Gutes zu tun, wendest Du Dich gegen den echtesten und aufrichtigsten Freund, den Du jemals haben wirst. Ich kann wirklich nicht erkennen, warum Du Christus so ablehnst.
Manchmal glaube ich, es ist meine Schuld. Hätte ich vorbildlicher gelebt, dann würdest Du jetzt nicht ablehnen, was meinem Herzen so nahe ist. Der vergangene September war der glücklichste Monat meines Lebens, weil ich glaubte, Du wärest wirklich auf dem Wege zum Königreich Gottes, aber als ich heimkam und merkte, daß Du gleichgültiger warst als je zuvor, wurde mir das Herz schwer. Ich habe nicht viel mit Dir gesprochen, weil ich fürchtete, ich würde Dich nur immer mehr und mehr gegen ihn kehren, den ich mehr als alles in der Welt liebe, und wenn ich jemals etwas getan und gesagt haben sollte, was nicht zu einem christlichen Vater paßte, dann bitte ich Dich, mir zu vergeben. Ich möchte lieber sterben als Dir im Wege stehen.
Was mich beschämt, ist, daß ich anderen predige, und mein Sohn glaubt nicht an das Evangelium, das ich predige. Es war schwer, gestern abend zu predigen, nachdem ich Deinen Brief gelesen hatte; mir war, als hörte ich eine Stimme sagen, ich sollte lieber einmal zu Hause nach dem Rechten sehen. Immer habe ich gemeint, wenn ein Vater und eine Mutter Christen waren, die Kinder aber nicht, dann müsse doch etwas mit ihnen nicht stimmen, und ich glaube das immer noch. Und gestern abend habe ich vor Eltern gesprochen. Ich habe versucht, das Glaubensleben in meinem Hause nicht bedrückend werden zu lassen, und wenn ich glauben müßte, ich hätte meine Pflichten gegenüber meinen drei Kindern nicht richtig erfüllt, dann möchte ich lieber sterben als leben. Ich habe versucht, Euer Leben zu Hause so angenehm zu machen, wie ich konnte, und ich habe alles getan, was in meiner Kraft steht, um Euch glücklich zu machen. Als ich die Schulen gründete, habe ich geglaubt, sie würden für meine eigene Familie einen guten Einfluß in unserer Stadt bringen, und Tag und Nacht habe ich gehofft und gebetet, daß wir im Geist vereint seien, doch Du scheinst zu hassen, was ich liebe. Die Kluft scheint von Tag zu Tag dunkler und tiefer zu werden, und ich fürchte, in fünf Jahren werden wir nichts Gemeinsames mehr haben. Wenn Du für Dich die Welt erwählst, dann wirst Du, da bin ich sicher, eines Tages als einsamer und trauriger Mensch sterben. Lieber Willie, die Welt wird Dich enttäuschen, aber sie wird Dich niemals befriedigen. Seit einem Jahr bist Du nicht mehr glücklich, Deine Unzufriedenheit ist gewachsen, und das hat Deinem Vater und Deiner Mutter viel weher getan, als Du jemals begreifen wirst, ehe Du selbst Vater bist.
Ich hoffe, daß keine Sünde Dich von Christus fernhält, aber manchmal fürchte ich, daß etwas in Deinem Leben ist, wovon ich nichts weiß. Aber ich bete zu Gott, daß er es Dir zeigt, wenn da etwas ist, und daß Gott Dir hilft, es zu bekennen und Dich dagegen zu wehren. Niemals habe ich so sehr für Dich gebetet wie jetzt. Ich glaube, es ist eine Krise in Deinem Leben. Und nun, lieber Willie, nimm das in dem Geiste an, in dem es geschrieben wurde, Dein Vater D. L. Moody. "
Im Jahr 1893 trat Will dann in die Jüngerschaft Christi ein, womit er seinem Vater eine große Freude bereitete. Obwohl Moody manchmal fast über seine Kraft arbeitete, wollte er nicht nachlassen. Zwei seiner Lieblingssätze waren: „Wir müssen wachsen oder eingehen" und: „Wir wollen in alle Richtungen zugleich vordringen." Er wollte trotz seines schwachen Herzens bis zum Umfallen arbeiten, ob die Kraft noch ein Jahr, fünf oder sieben Jahre halten würde. Moody sagte: „Alle Kraft, die ich habe, stammt vom Geist Gottes." Er fürchtete sich nicht vor dem Tod: „Zwischen meiner Seele und meinem Erlöser stand keine Wolke. Ich wußte, daß meine Sünde abgetan war und daß ich - sollte ich sterben - im Himmel zu neuem Leben erwachen würde", sagte er einmal, als er aus einer gefährlichen Situation gerettet worden war.
1899 reiste Moody im November nach Kansas zu einer Evangelisationsreihe. Während der Predigten wurde der Schmerz in seiner Brust stärker. Danach predigte er noch sechsmal, wobei er stets schwächer wurde. An einem Abend rief er den Tausenden zu: „Blickt auf die andere Welt!" Sein Arm deutete himmelwärts. „Kein Tod, kein Schmerz, keine Sorgen, kein Alter, kein gebrechlicher Körper, keine trüben Augen, keine Tränen. Nur Freude, Frieden, Liebe, Glück ... Verschließt eure Herzen nicht gegen das ewige Leben. Nehmt das Geschenk an." Am Donnerstag war er mit seiner Kraft am Ende. Am Freitagabend wurde er mit der Eisenbahn nach Hause nach Northfield gebracht.
Im Oktober hatte er noch in New York gesagt: „Eines Tages werdet ihr in den Zeitungen lesen, daß Moody tot ist. Glaubt kein Wort davon! In diesem Augenblick werde ich lebendiger sein als jetzt."
22. Dezember 1899: „Gott ruft mich, und ich muß gehen. Haltet mich nicht zurück." „Kein Schmerz, kein dunkles Tal. Es ist alles Segen." Die Familie versammelt sich. Moody wacht auf. Worte werden gewechselt. Stille. Nichts hält ihn mehr auf. Moody ist in der Ewigkeit.
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