Nachgedacht

Rächt nicht euch selbst

Der gesamte 19. Vers dieses Kapitels lautet: „Rächt nicht euch selbst, Geliebte, sondern gebt Raum dem Zorn; denn es steht geschrieben: „Mein ist die Rache; ich will vergelten, spricht der Herr."- Kurze Zeit nach dem Ableben des Apostels brach eine Christenverfolgung in Rom los. Ungerechte Beschuldigungen und Verurteilungen waren an der Tagesordnung. Was war von einer Justiz zu halten, die in dieser Weise mit unschuldigen Menschen verfuhr? Welche Entartung!

Es gibt jemand, der über allem steht: der gerechte Richter der ganzen Erde (vgl. 1. Mo 18,25). Es ist nicht die Sache eines Christen, Böses mit Bösem zu vergelten (Röm 12,17).

Das Wort für „rächen" (ekdikeo) bedeutet auch: sich Recht verschaffen, strafen, ver-teidigen. Wer sich nicht selbst rächt, heißt nicht die Ungerechtigkeit gut, sondern überläßt das endgültige Urteil Gott. Der Herr Jesus hat sich, als Er in höchstem Maß ungerecht behandelt wurde, nicht selbst gerächt, sondern sich dem überge-ben, der gerecht richtet (1. Pet 2,23).

Gläubige sollen dem Zorn Raum geben. Zehnmal kommt in diesem Brief das Wort ,Zorn" vor. Jedesmal geht es um den Zorn Gottes. Das ist auch hier der Fall, wie das angeführte Zitat aus 5. Mose 32, 35 deutlich macht. Rache, Zorn und Vergeltung über die Sünde des Menschen ist ausschließlich Gott vorbehalten. Dem Zorn Raum zu geben bedeutet daher, die Strafe für eine ungerechte Behandlung Gott zu überlassen. Gott kann Menschen schon zu Lebzeiten ihr Tun vergelten, obwohl Er das augenblicklich selten tut; Er wird aber in jedem Fall das ewige Gericht darüber bringen, es sei denn, daß ein Mensch sich von Herzen zu Ihm bekehrt und Vergebung seiner Sünden empfängt.

In diesem Sinn fügt der Apostel das Zitat aus Sprüche 25,21.22 an: „Aber wenn deinen Feind hungert, so speise ihn; wenn ihn dürstet, so gib ihm zu trinken; denn wenn du dieses tust, wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln." Die Liebe sucht sogar das Wohl des ärgsten Feindes und hofft, ihn auf diese Weise für Christus zu gewinnen. Feurige Kohlen symbolisieren das Gericht, dem Feinde entgegengehen. Wenn jemand jetzt schon eine Vorahnung seines falschen Handelns bekommt und die „Hitze des Gerichts" auf seinem Kopf spürt, kann das dazu führen, daß er sich bekehrt.

Gerade solch ein Verhalten von Christen hat in den vergangenen Jahrhunderten schon viele Feinde des Christentums für die Liebe Gottes aufgeschlossen.