Leseprobe

Grundzüge des Neuen Testamentes

Wir sollen die ganze Waffen-rüstung Gottes nehmen und sie auch an-legen. Dann werden wir fähig sein, zu widerstehen und zu stehen. Der Konflikt wird hier hauptsächlich als Verteidigungs-kampf gesehen. Durch die Gnade unseres Gottes sind wir in eine hohe und himmlische Stellung versetzt, und da sollen wir feststehen trotz aller Versuche, daß wir gestürzt werden. Dazu paßt, daß die verschiedenen Teile der Rüstung, mit einer Ausnahme, Verteidigungswaffen sind. Gürtel, Brustharnisch (oder: Brustpanzer), Schuhe, Schild und Helm sind keine Angriffswaffen, nur das Schwert.

Der Apostel spricht hier natürlich in Bil-dern, denn wir finden, daß jeder Teil der Rüstung für etwas Moralisches und Geistliches steht, das wir ergreifen sollen. Obwohl uns diese Dinge von Gott gegeben wurden und folglich von uns angenommen werden sollen, muß das doch in einer ganz praktischen und erfahrungsmä-Bigen Weise geschehen. Der erste Teil ist Wahrheit. Sie soll der Gürtel für unsere Lenden sein. Das Umgürten der Lenden bedeutet, Vorbereitungen zum Handeln zu treffen. All unser Tun muß von Wahrheit umgeben sein. Die Wahrheit muß uns beherrschen. Die Wahrheit ist uns von Gott gegeben, aber wir müssen sie anziehen, damit sie uns beherrschen kann. Gottes Wort ist Wahrheit; aber es ist nicht die Wahrheit in der Bibel, die uns verteidigen wird, sondern die Wahrheit, die praktisch auf all unser Tun angewandt wird.

Der Brustpanzer bedeutet Gerechtigkeit. Wir sind Gottes Gerechtigkeit in Christus. Aber nur, wenn wir als Folge davon in praktischer Gerechtigkeit leben, dient sie als Brustpanzer, der alle lebenswichtigen Körperteile bedeckt und uns vor den Schlägen unserer mächtigen Feinde schützt. Wie viele christliche Kämpfer sind schwerverwundet im Kampf gefallen, weil es an der praktischen Gerechtigkeit sehr mangelte. Schlitze im Brustpanzer bieten den Pfeilen des Feindes Einlaß.

Normalerweise denken wir kaum daran, daß Schuhe zur Rüstung gehören. Doch da wir mit unseren Schuhen ständig mit der Erde in Berührung kommen, nehmen sie vom christlichen Standpunkt aus diesen Charakter an. Wenn unsere Berührung mit der Erde nicht in Ordnung ist, sind wir wirklich verwundbar. Was bedeutet „Bereitschaft des Evangeliums des Friedens"? Nicht daß wir im evangelistischen Sinne der guten Botschaft den Weg bereiten (obwohl das natürlich sehr wünschenswert ist), sondern daß wir selbst unter die Bereitschaft kommen, die das Evangelium des Friedens bewirkt. Wenn unsere Füße so beschuht sind, werden wir den Frieden des Evangeliums in unseren ganzen Umgang mit den Menschen dieser Welt hineintragen und dabei selbst geschützt sein.

Außerdem gibt es noch den Glauben, der als Schild dienen soll. Gemeint ist der Glaube als praktisches und lebendiges Vertrauen auf Gott, der Glaube, der unser Auge auf Ihn und Sein Wort richtet und nicht auf die Umstände oder die Feinde.mWenn der Schild uns schützt, abgesehen von der übrigen Rüstung, werden die feurigen Pfeile des Zweifels, die von dem Bösen abgeschossen werden, abgelenkt und ausgelöscht.

Der Helm schützt den Kopf, der neben dem Herzen die verwundbarste Stelle des Menschen ist. Wenn wir das Heil kennen, es begreifen, uns daran erfreuen und es in der Praxis ausleben, ist es für uns dieser Helm. Als Paulus den Philippern schrieb: „Bewirkt euer eigenes Heil mit Furcht und Zittern; denn Gott ist es, der in euch wirkt, sowohl das Wollen als auch das Wirken, zu seinem Wohlgefallen" (Phil 2,12.13), ermahnte er sie eigentlich, den Helm des Heils zu nehmen und zu tragen.

Zum Schluß kommt „das Schwert des Geistes, das Gottes Wort ist". Das kann sowohl zur Verteidigung als auch zum Angriff benutzt werden. Das Wort Gottes wird jeden Stoß, den unser Feind machen könnte, abwehren. Es wird ihn auch mit einem wohlgezielten Schlag in die Flucht schlagen. Es wird Schwert des Geistes genannt, denn der Geist hat es ver-faßt, und Er gibt Geschick und Verständnis in seinem Gebrauch. Unser großes Vorbild im Gebrauch dieses Schwertes ist der Herr selbst, wie wir es in Matthäus 4 und Lukas 4 lesen.

Unser Herr ist auch unser Vorbild, was das Gebet angeht, zu dem wir in Vers 18 angehalten werden. Besonders das Lu-kasevangelium betont dieses Wesensmerkmal Seines Lebens. Als Er Mensch geworden war, nahm Er auch den abhängigen Platz ein, der dem Menschen zu-kommt, und erfüllte ihn in größter Vollkommenheit. So kennzeichnete das Gebet Sein Leben, und das sollte auch bei uns so sein. Das Gebet sollte immer unsere Kraftquelle sein, besonders in Verbindung mit dem Kampf, von dem wir gerade gelesen haben. Das Wort Gottes ist wirklich das Schwert des Geistes. Aber gerade deswegen werden wir es nur wirkungsvoll gebrauchen, wenn wir immer im Geist beten. Ohne stetige und bleibende Abhängigkeit von Gott werden wir keinen einzigen Teil der Rüstung richtig tragen.

Unsere Gebete sollen den Ernst errei-chen, der durch das Wort Flehen angedeutet wird. Sie sollen auch durch Wachen begleitet sein. Auf der einen Seite sollen wir darauf achten, alles zu vermeiden, was mit unseren Bitten nicht in Ubereinstimmung sein könnte, und auf der anderen Seite sollen wir die Erhörung unserer Gebete erwarten. Das zeugt von Innigkeit und Echtheit beim Beten, so da unsere Gebete wirklich Kraft haben und keine leere Form sind.

In unseren Gebeten sollen wir die Grenzen nicht zu eng ziehen. Zweifellos müssen wir mit uns selbst beginnen, aber da bleiben wir nicht stehen. Wir dehnen unsere Bitten auf „alle Heiligen" aus. So wie alle Heiligen zum Erfassen der Wahrheit gebraucht werden (Kap. 3,18), so soll der Bereich unserer Gebete nicht weniger umfassen als alle Heiligen. In 1. Timotheus 2,1 wird der Bereich unserer Gebete auf „alle Menschen" ausgedehnt. Der Epheserbrief ist jedoch hauptsächlich ein Brief, dessen Thema die Versammlung ist, und deshalb werden als Umfang „alle Heiligen" gesehen.

Trotzdem sollen wir nicht so sehr mit allen beschäftigt sein, daß wir ins Unbestimmte abgleiten. Deshalb fügt der Apostel hinzu „und für mich". Er war zwar ein großer Diener Gottes, aber er wünschte sich Gebetsunterstützung von anderen, die nicht so groß waren wie er. Allerdings sollten sie nicht dafür beten, daß er aus dem Gefängnis befreit und sein Los erleichtert würde, sondern daß er trotz seiner Gefangenschaft fähig sein würde, seinen Dienst zu tun. Er war gefangen, aber genauso ein Gesandter, als wäre er frei (vgl. 2. Kor 5,20).

Als er frei war, hielt er sich mehr für einen Botschafter des Evangeliums und beschwor die Menschen, sich versöhnen zu lassen. Jetzt in der Gefangenschaft sieht er sich als Botschafter des Geheimnisses - des Geheimnisses, das er schon kurz im ersten Teil des Briefes entfaltet hatte. Es ist „das Geheimnis des Evangeliums", weil das eine aus dem anderen entspringt und seine logische Folge ist. Wenn wir das Evangelium nicht verstehen, können wir das Geheimnis nicht verstehen. Das Geheimnis muß z. B. für diejenigen ein verschlossenes Buch sein, die glauben, das Evangelium ziele darauf hin, die Erde zu christianisieren und so das Tausendjährige Reich einzuleiten.

Paulus abschließende Wünsche für die Brüder sind zwar einfach, aber sehr in-haltsreich. Wie glücklich müssen die Brüder sein, wenn Friede, Liebe und Glau-ben, alle aus göttlicher Quelle, in ihrer Mitte freie Bahn haben. Dann ruht wirklich Gnade auf ihnen. Allerdings müssen Herz und Beweggründe lauter sein. Die letzten Worte von Vers 24 „in Unverderb-lichkeit" oder „in Unvergänglichkeit" erinnern uns daran, daß schon in dieser frühen Zeit, in der Paulus schrieb, Verderbliches Eingang gefunden hatte bei denen, die bekannten, Christen zu sein. Das Kennzeichen für Echtheit ist, den Herrn Jesus Christus zu lieben in Unverderblichkeit. Das ist die Frucht des echten Wirkens Gottes.

F. B. Hole

(Auszug aus Grundzüge des Neuen Testaments, Band 4, Epheser Kap. 6, S. 104-108)