Post von Euch

Böses mit Bösem vergelten

Liebe „Folge mir nach"-Redaktion!

Mit Interesse habe ich wie auch sonst die Artikel in dem letzten „Folge mir nach" gelesen.

Es steckt tief in uns, etwas Böses sofort mit Bösem zu vergelten. Wie schnell das geschieht, davon gibt es genug Beispiele, nicht zuletzt auch in der Schrift. Doch unser Herr hat nicht so gehandelt. „Er hat uns nicht nach unseren Ungerechtigkeiten vergolten" (Ps 103,10). In 1. Petrus 2,23 sehen wir seine Gesinnung, daß Er nicht sofort Gericht geübt hat, sondern sich zunächst „dem übergab, der recht richtet."

Auch die Stelle in Lukas 22,51 zeigt sehr schön, daß der Herr Jesus nicht nach dem Grundsatz handelte „Auge um Auge, Zahn um Zahn", sondern nach dem neuen Gebot der Liebe: „Und Er rührte sein [Malchus*] Ohr an und heilte ihn."

Uber diese Dinge habe ich noch ein wenig nachgedacht, besonders über die Art und Weise, wie der Herr Jesus in Seiner Vollkommenheit den Menschen, die offensichtlich Sünder (Zöllner, Ehebrecher) waren, immer wieder in Liebe begegnet ist. Ich denke da auch noch an Judas, der ja auch ein Dieb (Joh 12,6) war; auch ihm hat der Herr Jesus diesen Bissen (Joh 13,26) gegeben.]

Und dabei sind mir auch einige Begebenheiten eingefallen, in denen der Herr Jesus in einer erstaunlichen Strenge und Deutlichkeit den Menschen entgegengetreten ist.

In Matthäus 23,31 spricht der Herr Jesus sehr harte Worte zu den Pharisäern (die sich doch so gut in den Schriften aus-kannten!) und spricht sogar zu ihnen von dem „Gericht der Hölle", und daß das Blut über sie kommen würde (V. 35).

Dann waren da noch die Verkäufer im Tempel; als Er das sah, „machte Er sich eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus ...(Joh 2,15). Der Herr Jesus beginnt hier nicht ein liebevolles Gespräch, um die Verkäufer und Wechsler zur Einsicht zu bringen, sondern begegnet ihnen in Gerechtigkeit.

Und hier liegt meine Schwierigkeit. Wir wollen ja von unserem Herrn, so wie Er auf dieser Erde gelebt hat, lernen und Ihn als Vorbild vor uns haben. Doch wie erkennt man in der Praxis wirklich, wie man dem anderen zu begegnen hat. Auch der Apostel Paulus sagt, daß unser Wort einerseits in Gnade und andererseits mit Salz gewürzt sein sollen (Kol 4,6).

Ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr mir dazu Eure Gedanken kurz schreiben würdest; dadurch würden diese Dinge in das richtige Licht gestellt und mir weiterhelfen.

A.H.

 


Lieber A.,

Vielen Dank für Deinen Brief. Wir können nicht dankbar genug sein, daß der Herr in unsere finstere Welt das helle Licht der Wahrheit und seine Liebe hat scheinen lassen. Nicht nur ist durch Ihn Gnade und Wahrheit geworden, sondern haben wir sie auch im Ubermaß empfangen. Außerdem dürfen wir seinem Vorbild nachfolgen.

Ich habe mich ebenfalls vor einigen Jahren gefragt, wie die von Dir angeführten Begebenheiten in Matthäus 23 und Johannes 2,13-16 in Übereinstimmung zu bringen sind mit dem sonstigen Handeln des Herrn Jesus.

Offensichtlich war dieses Handeln des Herrn Jesus die Aus-nahme. Als Er in Matthäus 23 den Pharisäern ein siebenfaches Wehe zurief, war das für sie eine Gerichtsankündigung. Waren die Pharisäer nicht derartig verhärtet, daß ihre Herzen gänzlich für die Gnade verschlossen waren? Hatten sie nicht die Sünde der Lästerung des Heiligen Geistes begangen? Gab es für sie noch Vergebung? Ich glaube nicht. Die Zeit der Gnade war für sie abgelaufen. Es ist nicht von ungefähr, daß diese Gerichtsankündigung am Ende des Dienstes des Herrn Jesus stattfand. Sie standen hier gleichsam bereits vor Ihm als dem Richter, so wie sie einmal vor Ihm stehen werden, um dann auf ewig verdammt zu werden (Offb 20,11-15). Niemals könnten wir ein solches Verhalten nachahmen. Wir werden einmal mit dem Herrn herrschen und auch das Gericht ausüben. Diese Zeit ist aber noch nicht angebrochen.

So glaube ich auch, daß die zweimalige Reinigung des Tempels durch den Herrn Jesus nicht zuletzt auch prophetischen Charakter hat. Er wird einmal die Ehre Gottes und den heiligen Dienst für Gott wiederherstellen.

Wenn Er auch in Gnade kam, bedeutete das nicht, daß nicht zu bestimmten Gelegenheiten seine Herrlichkeit als der künftige Richter hervorleuchtete. Doch diese Augenblicke waren, wie gesagt, eher die Ausnahme. Das Gericht der Welt ist noch nicht gekommen. Allerdings gibt es einen Bereich, wo Gott schon jetzt das Böse gerichtet haben möchte, nämlich in unserem eigenen Leben und auch in der Versammlung, in der Gott als in seinem Haus wohnt. Hier haben wir sehr wohl das Böse zu richten, wenn auch in der entsprechenden Gesinnung, wie sie uns auf vielfache Weise im Neuen Testament vor Augen gestellt wird.

Zu der Stelle in Kolosser 4,6 habe ich eine schöne Erklärung in der Betrachtung Grundzüge des Neuen Testaments, Band 4, von F. B. Hole gefunden, die ich gern zitiere (der Band ist übrigens seit einigen Tagen lieferbar):

„In Vers 5 werden die Unbekehrten als die bezeichnet, die draußen sind'. Es gibt Menschen innerhalb des Kreises der Christen und solche außerhalb. Es ist sehr wichtig, daß wir zu den Menschen draußen das richtige Verhältnis haben. Unsere Aufgabe ist es, ihnen ein Zeugnis zu sein. Unser allgemeines Verhalten ihnen gegenüber sollte sich durch Weisheit auszeichnen. Wenn das so ist, werden wir sicher Gelegenheiten zum Zeugnis bekommen, die wir nutzen sollen, wenn sie sich ergeben. - Man kann eine Gelegenheit lediglich wahrnehmen, man kann sie aber auch bestmöglich nutzen. Unpassende Worte sind oft schlechter als gar keine. Unsere Worte sollten immer in Gnade sein. Nie sollten wir uns zu strafenden, bitteren oder scharfen Bemerkungen hinreißen lassen. Aber andrerseits sollte es uns nicht darum gehen, bloß den Menschen zu gefallen, auch wenn die Worte ‚in Gnade' sind. Unsere Worte sollen mit dem gewürzt sein, wofür das Salz steht - durchdringende Wahrheit. Gnade und Wahrheit waren vereint in unserem Herrn, und beide sollten die Menschen auszeichnen, die Ihm angehören, und auch ihre Worte.

Dein Werner Mücher