Der Aussatz in der Bibel
Vielleicht erinnert Ihr Euch, daß wir vor zwei Jahren das Thema „Aussatz" behandelt haben. Inzwischen haben wir noch eine Ausarbeitung zu diesem Thema erhalten, die wir Euch nicht vorenthalten möchten.
Der "Aussatz" der Bibel
Einige Gedanken zur Identifizierung des Aussatzes in der Heiligen Schrift (3. Mo 13)
Vorliegender Artikel soll keine erschöpfende Darlegung der im Titel genannten Problematik darstellen. Infolgedessen ist auch kein Literaturverzeichnis angeführt. Ich will nur einige Gedanken äußern, die ich mir als Biologe und Mediziner zu diesem Thema gemacht habe. Zunächst gilt es festzuhalten, daß die Bibel keine wissenschaftlichen oder medizinischen Angaben nach unserer heutigen Vorstellung macht. Ihre Angaben sind zwar immer richtig, aber sie benutzt keineswegs die Sprache und die Definitionen, die heute üblich sind. Und das ist keineswegs verwunderlich. Die heutige medizinische Wissenschaft ist längstens 200 Jahre alt. Sie hat durch systematische und genaue Beschreibung der Krankheiten und ihrer Ursachen sowie ihrer kausalen Behandlungsverfahren zu ungeahnten Erfolgen geführt, wie es sie in der Menschheitsgeschichte nie gegeben hat. Aber wer hätte vor 300 Jahren ein modernes medizinisches Buch verstehen können? Ja, welcher unausgebildete normale Mensch unseres Jahrhunderts kann ein solches Spezialwerk verstehen? Da die Bibel aber für Menschen aller Jahrhunderte und aller Bevölkerungsschichten geschrieben wurde, benutzt sie auch eine Sprache, die von allen verstanden wird und nicht nur von einigen Spezialisten des 20. Jahrhunderts.
Zum zweiten ist festzuhalten, daß das Alte Testament nicht in deutscher, sondern in hebräischer Sprache geschrieben ist. So finden wir im inspirierten Urtext nicht das deutsche Wort Aussatz, sondern das hebräische Wort „sara'at". Das Wort Aussatz erscheint erst in den deutschen Übersetzungen des Mittelalters. Das Problem, das uns nun beschäftigt, ist die Frage, ob das hebräische „sara'at" die gleiche Krankheit beschreibt wie unser deutsches Wort „Aussatz". Für dieses deutsche Wort wird heute in der Medizin das international gültige, aus der griechischen Sprache entnommene Wort „Lepra" verwendet.
Eine Krankheit ist heutzutage definiert durch Kriterien (Kennzeichen) wie typische Symptome (Erscheinungsformen), Ursachen, Erreger und anderes. So gilt heute eine bestimmte Haut- und Nervenerkrankung, die durch das Bakterium Mycobacterium leprae, das übrigens nahe mit dem Tuberkulosebakterium Mycobacterium tu-berculosis verwandt ist, als Aussatz (Le-pra). Wird also bei einem Kranken mit bestimmten Hautveränderungen das Leprabakterium gefunden, dann liegt Lepra vor. Wird das Bakterium nicht gefunden, hat der Patient keine Lepra. Auch der biblische Aussatz (sara'at) ist durch die Beschreibung der Symptome klar definiert. Wir finden sie in 3. Mose 13. Jeder Mensch, der eines dieser Symptome zeigte, hatte „sara'at" und mußte als unrein aus dem Lager entfernt werden.
Der Erreger der Lepra zeichnet sich dadurch aus, daß er, abgesehen von zwei oder drei Tierarten, nur im Menschen leben kann. In der Bibel findet man aber, daß der sara'at auch Häuser, Kleider, Felle usw. befallen kann. Diese Erscheinungen können also unmöglich von Mycobacterium leprae hervorgerufen sein; es handelt sich also nicht um Lepra nach unserer heutigen Vorstellung. Es gibt ohnehin keinen einzelnen Erreger, der alle die in 3. Mose beschriebenen Symptome am Menschen und den Gegenständen hervorrufen könnte. Es müssen verschiedene Mikroorganismen sein, die die verschiedenen Gegenstände befallen. Bei dem Aussatz am Haus oder Kleidungsstück handelt es sich sowieso eher um Folgen einer Besiedlung durch Pilze oder Flechten als durch Bakterien. Halten wir fest: Der alttestamentliche „sara'at" und der heutige Aussatz (Lepra) sind also nicht gleichzusetzen. Schaut man sich einen Atlas der Dermatosen (Hautkrankheiten) an, dann findet man, daß mehrere Krankheiten Hautveränderungen zeigen, die nach der Definition des 3. Buches Mose als „sara'at" bezeichnet werden müssen. Dazu zählen unter anderem die Schuppenflechte (Psoriasis), einige Formen des Hautkrebses, aber auch gewisse Hautveränderungen bei Lepra.
Dafür, daß der alttestamentliche Aussatz die heutige Lepra und nicht die Schuppenflechte darstellt, wird häufig angeführt, daß Lepra ansteckend sei und Schuppenflechte als Erbkrankheit nicht. Dabei wird aber nicht berücksichtigt, daß die Lepra nur sehr wenig und nur für eine kurze Zeit während des lebenslänglichen Leidens infektiös ist. Außerdem zeigt die Lepra nur bei bestimmten Patienten die in 3. Mose beschriebenen Symptome. Alle Kranken, die Lepra hatten, aber nicht die beschriebenen Hautsympto-me, galten als rein. Bei vorgenannter Anführung setzt man voraus, daß Gott aus Quarantänegründen das Hinaustun aus dem Lager angeordnet habe. Dafür gibt es aber keinen Hinweis in der Schrift. Wie schon erwähnt, ist die Lepra nur wenig infektiös. Zudem sollte jemand, der von Kopf bis Fuß mit Aussatz bedeckt war, also keineswegs gesund, für rein erklärt werden, so daß er wieder im Lager bei den Gesunden wohnen durfte (3. Mo 13,12.13). Man kannte aber auch damals schon sehr ansteckende Krankheiten, die in unserer Ubersetzung als Pest oder Plage bezeichnet werden. Im Zusammenhang mit diesen Krankheiten wird aber nichts von einem Hinaustun, was im Sinne der heutigen Quarantäne sinnvoll wäre, gesagt.
Daß es sich bei dem biblischen Aussatz nicht um eine Krankheit nach normalen Vorstellungen handelt, sehen wir auch aus anderen Umständen. Der Aussätzige wurde im allgemeinen nicht als krank bezeichnet, sondern als unrein. Die Heilung eines Aussätzigen wird meist als Reinigung und nicht als Heilung bezeichnet. In der Schrift sehen wir, daß nur wenige Aussätzige geheilt worden sind und dann immer nur durch göttliches Eingreifen, sei es durch seinen Propheten, wie bei Naaman (2. Kön 5), oder in der Person seines Sohnes, des Herrn Jesus. Nicht umsonst wird in 3. Mose 13, 12.13 festgesetzt, daß jemand, den der Aussatz ganz und gar bedeckt, rein ist, als wolle Gott damit andeuten, daß nicht eine Heilung, sondern dieses völlige Bedecken der normale Weg zu einer Reinigung sei. Wenn wir krank sind, gehen wir zum Arzt. Auch die Israeliten hatten Ärzte, wie wir in der Bibel lesen. Aber der Aussätzige sollte nicht zum Arzt gehen, sondern zum Priester. Dieser hatte auch nicht die Aufgabe, den Kranken zu heilen, sondern seine Reinheit oder Unreinheit festzustellen. Selbst ein gottloser König in Israel hatte erkannt, daß nur Gott einen Aussätzigen gesund machen kann und kein Mensch (2. Kön 5,7). Halten wir demnach fest: Der biblische Aussatz ist keine Krankheit wie jede andere, sondern eine Offenbarung von krankhaften Veränderungen des Fleisches, die Gott in seinem Volk absolut nicht dulden konnte, zumal sie auf der Haut, das heißt allen sichtbar, zutage trat.
Gehen wir abschließend noch kurz darauf ein, wie dieser Bedeutungswandel von dem biblischen Aussatz (sara'at) zum heutigen wissenschaftlichen Aussatz (Lepra) entstanden ist. Die hebräische Bibel wurde im 2. und 3. Jahrhundert vor Christus ins Griechische übersetzt (Septuaginta). Hier wurde das hebräische Wort „sara'at" mit dem griechischen Wort „lepra" wiedergegeben. Die Septuaginta war die Version des Alten Testamentes, die zur Zeit des Herrn Jesus und der Apostel auch in Palästina weit verbreitet war und viel benutzt wurde. Zur damaligen Zeit scheint das griechische „lepra" und das hebräische „sara'at" wohl die gleiche Krankheit beschrieben zu haben, jedenfalls findet man meines Wissens nicht, daß eine Gleichsetzung der beiden Begriffe angezweifelt wurde.
Im Mittelalter trafen dann zwei Ereignisse zusammen:
- Die Bibel wurde in die deutsche Sprache übersetzt.
- Eine bestimmte neue Hautkrankheit des Orients, der Aussatz oder die Lepra nach heutiger Vorstellung, wurde durch die Kreuzfahrer nach Westeuropa gebracht.
Was lag nun näher, als anzunehmen, daß die neue Krankheit, der Aussatz, mit dem „sara'at" oder der „lepra" der Bibel identisch sei? Und so geben die Übersetzer die beiden Worte „sara'at" aus dem hebräischen Alten Testament und „lepra" aus der griechischen Übersetzung des Alten Testamentes (Septuaginta) und dem griechischen Neuen Testament als „Aussatz" wieder. Man kann es den Übersetzern nicht übelnehmen, daß sie diesen Fehler begangen haben, denn erstens waren sie keine Mediziner, die die Abweichungen ihres Aussatzes von den in 3. Mose beschriebenen Symptomen sofort erkannt hätten, und, falls es ihnen bewußt gewesen ist, dann wollten sie wahrscheinlich einen gängigen deutschen Ausdruck für die fremdsprachigen Worte einsetzen und nicht einen korrekteren neuen Begriff erfinden. Von dieser mittelalterlichen Gleichsetzung stammt unsere heutige Definition des Aussatzes, also der Lepra, her.
Fassen wir also das Dargelegte noch einmal zusammen: Der biblische Aussatz ist weder mit der heutigen Lepra noch mit der Schuppenflechte identisch. Aber sowohl die Lepra als auch die Schuppenflechte sowie einige andere heutige Hautkrankheiten können Symptome zeigen, die zu Zeiten des Alten Testamentes nach den Angaben von 3. Mose sofort als Aussatz erkannt worden wären. Beim biblischen Aussatz handelt es sich auch nicht um eine normale Krankheit, sondern um Erscheinungen des Fleisches auf der Haut, die Gott in seinem Volk nicht dulden konnte und die dazu führten, daß der Betreffende als unrein aus dem Lager hinausgetan werden mußte. Berücksichtigen wir 1. Korinther 10,6: Diese Dinge aber sind als Vorbilder für uns geschehen, dann wissen wir, daß Gottes Bestimmungen hinsichtlich des Aussatzes voll tiefer geistlicher Belehrungen für uns sind. Aber darauf möchte ich hier nicht eingehen, weil es darüber schon ausgezeichnete Auslegungen gibt. Besonders möchte ich hier das bekannte Buch Er aber war aussätzig des China-Missionars G.C. Willis empfehlen.
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