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Verstand - Ja oder nein?

Frage: „Vertraue auf den HERRN mit deinem ganzen Herzen, und stütze dich nicht auf deinen Ver-stand" (Spr 3,5). „Was ist es nun? Ich will beten mit dem Geiste, aber ich will auch beten mit dem Verstande; ich will lobsingen mit dem Geiste, aber ich will auch lobsingen mit dem Verstande ... Aber in der Versammlung will ich lieber fünf Worte reden mit meinem Verstande, auf daß ich auch andere unterweise, als zehntausend Worte in einer Sprache. Brüder, werdet nicht Kinder am Verstande, sondern an der Bosheit seid Unmündige, am Verstande aber werdet Erwachsene [wörtlich: Vollkommene]" (1. Kor 14,15.19.20). Wenn man beide Schriftstellen miteinander vergleicht, kann dann nicht ein Widerspruch auftauchen? Ich denke da ganz konkret an 1. Korinther 2,14: „Der natürliche Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird."

A. Niederbäumer, Bonn


Antwort: Wir vermuten, daß es dem Fragesteller um den unterschiedlichen Gebrauch des Begriffs „Verstand" in den beiden Schriftabschnitten geht. In Sprüche 3 wird der Verstand nämlich als etwas angesehen, wodurch man irregeführt werden kann. In 1. Korinther 14 hingegen wird der Verstand als etwas Positives beschrieben, wovon der Apostel Gebrauch machen wollte.

In Sprüche 3,5 gebraucht der Schreiber das hebr. Wort bina, das „Verstehen, Unterscheidung, Einsicht" bedeuten kann. Meistens ist es mit „Verstand" übersetzt, in Kapitel 23,4 mit „Klugheit". Dieses Wort wird in den Sprüchen sowohl positiv als auch negativ benutzt. Es bezeichnet hauptsächlich die Unterscheidung zwischen unterschiedlichen Dingen oder Sachverhalten, insbesondere die Unterscheidung zwischen Gut und Böse. In den Sprüchen kommt bina 14x vor (Кар. 1,2; 2,3; 3,5; 4,1.5.7; 7,4; 8,14; 9,6.10; 16,16; 23,4.23; 30,2). Verstand durch göttliche Unterweisung zu erwerben, ist positiv; siehe besonders Kapitel 9,10: „Die Erkenntnis des Heiligen ist Verstand." Eigener Verstand, eigene Klugkeit ist negativ.

In 1. Korinther 14 gebraucht der Apostel ein Wort für Verstand (nous), das 24x im NT vorkommt und auf vielfache Weise übersetzt ist: Verständnis (Lk 24,45; Offb 13,18); Sinn (Röm 1,28; 7,23.25; 11,34; 12,2; 14,5; 1. Kor 1,10; 2,16; Eph 4,17; Phil 4,7 - FN: Ge-danken; Kol 2,18); Verstand (1. Kor 14,14.15.19); Gesinnung (Eph 4,23; 2. Thes 2,2; 1. Tim 6,5; 2. Tim 3,8; Tit 1,15). Ein griechisches Wörterbuch gibt weitere folgende Ubersetzungmöglichkeiten: Be-sinnung, Denkkraft, Vernunft, Uberlegung, Einsicht, Denkweise, Gedanke. Zusammenfassend kann man sagen, daß nous das Verständnis ist, die Fähigkeit, Gedanken aus-zudrücken, zu begreifen. Vielleicht wäre in 1. Korinther 14,15.19 eine gute Ubersetzung diese: „Was ist es nun? Ich will beten mit dem Geist, ich will aber auch beten mit Überlegung; ich will lobsingen mit dem Geist, ich will aber auch lobsingen mit Überlegung ... um auch andere zu unterweisen, als zehntausend Worte in einer Sprache." Es ging dem Apostel nämlich darum, daß die anderen ihn verstehen, begreifen könnten. War das nicht einsichtsvoll?