Post von Euch

In Heft 6/97 wurde auf Seite 22 eine Frage über die Regierungszeit Sauls gestellt, die ich versuchen möchte zu beantworten.

Die Lösung des Problems ist einfach: Die 20 Jahre in 1. Samuel 7,2 beziehen sich nicht auf die Zeit zwischen 1. Samuel 7,1 und 2. Samuel 6,3, sondern auf die Zeit zwischen 1. Samuel 7,2 und 1. Samuel 7,3: Die Lade war 20 Jahre in Kirjath-Jearim, bis Samuel das Volk zur Buße und Umkehr aufrufen konnte.


Details:

In 1. Samuel 6 und 7 soll die Geschichte der Bundeslade den Unterschied zwischen den Israeliten und den Philistern zeigen: Die Lade war nur 7 Monate bei den Philistern und erregte höchste Aufmerksamkeit und Bestürzung, aber bei den Israeliten mußte sie 20 Jahre bleiben, bis etwas geschah. So unwichtig war die Lade den Juden. Die 20 Jahre in 1. Samuel 7,2 beziehen sich demnach auf die Zeit, die verflossen war, bis die Israeliten zu Gott umkehrten.

Lehrreich ist ein Blick auf den hebräischen Text in 1. Samuel 7,2ff. Dort heißt es wörtlich:

  1. Und-es-geschah vom-Tag-(an) zu-bleiben,die-Lade in-Kirjat Jearim
  2. und-es-wurden-viele die-Tage
  3. und-es-wurden zwanzig Jahre
  4. und-es-wehklagte das-ganze Haus Israel hinter Jahwe
  5. und-es-sagte Samuel zu dem-ganzen Haus Israel

Es handelt sich im Hebräischen um eine sogenannte „Narrativ-Kette": Die Teilsätze beginnen alle

  1. mit dem Wort „und" sowie
  2. mit dem sofort darauf folgenden Verb (in der sogenannten „Präformativkonjugation").

Eine solche „Narrativ-Kette" ist im Hebräischen gebräuchlich, wenn man eine Handlung mit aufeinander folgenden Ereignissen, Begebenheiten oder Tatsachen erzählen möchte. Der Ausdruck „und-es-geschah" (ein sogenannter, Tempusmarker") dient dabei als Einleitung der Erzählung.

Diese „Narrativ-Kette" macht es unwahr-scheinlich, daß der dritte Satzteil („und-es-wurden zwanzig Jahre") eine Zusatzinfor-mation über die Lade geben sollte, die au-Berhalb des Textgeschehens vorher und nachher wäre. Es gibt im Hebräischen solche „Zusatzinformationen", aber die werden ganz anders in den Satz eingebettet. (Beispiele: 1. Sam 22,6.7; 28.2-4; 2. Sam 11,4; 21,2.3. Dort werden jedesmal die Narrativ-Ketten durch Tempusänderung oder geänderte Wortstellung unterbrochen.)

Einfacher gesagt: Man könnte 1. Samuel 7,2ff. mit gutem Gewissen wie folgt übersetzen:

„Und von dem Tag an, da die Lade zu Kir-jath-Jearim blieb, geschahen folgende Begebenheiten: es wurden viele Tage und dann wurden zwanzig Jahre und dann wehklagte das ganze Haus Israel hinter Jahwe her und dann sprach Samuel Der Ausdruck „daß der Tage viele wurden"

(w. und-es-wurden-viele die-Tage) kommt im Alten Testament nur noch in 1. Mose 38,12 vor: „Und-es-wurden-viele die-Tage und-es-starb die-Tochter Schuas ..." (so wörtlich). Auch hier sieht man: Die folgenden Ereignisse (der Tod, die Trauer Judas usw.) folgen zeitlich und logisch nachdem die genannten „Tage" verflossen waren.