Lebensbeschreibung
Die Hugenotten
Der Ausdruck „Hugenotten" steht heute im allgemeinen als Synonym für die französische Reformation. Im folgenden Beitrag soll auf einige Personen und Ereignisse der Vorgänge in Frankreich im 16. Jahrhundert eingegangen werden.
1517 schlug Luther in Wittenberg seine 95 Thesen an die Schloßkirche, 1521 verteidigte er die „Rechtfertigung allein aus Glauben" auf dem Reichstag in Worms, 1530 wurden die Anhänger Luthers auf dem Augsburger Reichstag erstmals „Protestanten" genannt - eine relativ schnelle Entwicklung machte die Reformation in Deutschland bald unumkehrbar.
Im Unterschied dazu verliefen die Vorgänge in Frankreich langsamer und wesentlich unentschiedener. Die Grundpfeiler „Sola Scriptura" (allein die Schrift), „Sola Fide" (allein aus Glauben) und „Sola Gratia" (alein aus Gnade) der reformatorischen Lehre haben zwar bald das Herz Tausender Gläubiger erreicht, die Reformation an sich konnte sich aber viele Jahrzehnte nicht durchset-zen, sondern die Menschen mußten ihren biblischen Glauben über einen sehr langen Zeitraum mit viel Blut und Tränen bezahlen.
„Der Herr kennt die Triumphe, die Seine Wahrheit und Gnade in Frankreich gefeiert haben, nicht in äußerem Erfolg und Glanz, aber in der Verborgenheit, in den Einöden und Klüften, in den Kerkern und am Mar-terpfahl; Er weiß ferner, warum die Wahrheit nicht auch äußerlich den Sieg erlangt hat in jenem Lande, das mit seinen schrecklichen Volksaufständen und blutigen Staatsumwälzungen es schon so schwer hat bü-Ben müssen, daß es Gottes Wort und Seine Zeugen verworfen hat."
Jacques Lefèvre d'Estaples
Wie in anderen europäischen Ländern hatte auch die französische Reformation ihre geistliche Vorgeschichte. Besonders die Waldenser, die vor allem im Süden Frankreichs wirkten, bezogen bereits im Mittelalter Stellung gegen die päpstliche Lehre. Sie waren auch das Ziel mancher „Kreuzzüge" mit dem Ziel, sie umzubringen.
1455 wurde Jacques Lefèvre d' Estaples geboren. Lefèvre, der auch unter seinem lateinischen Namen Faber Stapulensis bekannt ist, sollte einer der Wegbereiter der reformatorischen Entwicklungen in den französisch sprechenden Ländern werden. Unter seinen Schülern regte er das gründliche Studium der Heiligen Schrift an und setzte sich für die Verbreitung der Bibel in der Landessprache ein. Zwei typische Begleiterscheinungen in allen Ländern der Reformation.
Als Lefèvre 1512 seinen Kommentar zu den Paulusbriefen veröffentlichte, enthielt dieser rein reformatorische Gedanken. Sie blieben übrigens auch Luther nicht unbekannt. Am Ende seines Lebens stand 1523 die Herausgabe eines französischen Neuen Testaments - zumindest vermutet man ihn als Herausgeber. 1528 kam das Alte Testament hinzu. 1530 erschien dann die ganze Bibel, nach ihrem Erscheinungsort auch die Ant-werpener Bibel genannt. Einen größeren Bekanntheitsgrad hat allerdings die sogenannte Bible Olivétan aus Neuchâtel erreicht. Sie wurde fünf Jahre später, im Jahre 1535, veröffentlicht.
Guillaume Farel
1489, sechs Jahre nach Martin Luther, wird Guillaume Farel - oder auch Wilhelm Farel - geboren. Er war lange Zeit Schüler von Lefèvre, dem französischen Melanchthon. Er bekehrte sich im Alter von 32 Jahren. Zusammen mit Lefèvre von dem reform-willigen Bischof Briçonnet nach Meaux ge-rufen, kehrte er aber bereits zwei Jahre später zurück nach Paris. Dort fiel er durch seine reformatorische Haltung auf und muß-te in die Schweiz fliehen. Sein Weg führte ihn nach vielen Stationen schließlich nach Genf. Dort traf er Calvin, mit dem er bis zu dessen Tod 1564 eng verbunden blieb. Farel war unter dem Volk vor allem als Prediger bekannt. Er hatte eine entschiedene, kompromißlose Haltung gegenüber der Heiligen Schrift und hat dies auch klar gelehrt. Als er auf seinen Wanderungen einen jungen Mann entdeckte, dessen Herz für den Herrn schlug, der aber Scheu hatte, das Wort Gottes öffentlich zu reden, riet er ihm: „Gott beruft dich, Peter. Nicht von deiner eigenen schwachen Kraft, sondern von Gottes Macht bist du abhängig; du weißt ja, Seine Kraft wird in Schwachheit vollbracht."
An dieser Stelle sei schon auf die Buchemp-fehlung dieser Ausgabe hingewiesen, eine Lebensbeschreibung Farels, die sehr lesenswert ist. Ein Zitat Farels am Ende des Buches soll hier erwähnt werden: „Ich bin über-zeugt, daß die Freiheit, die man glaubt sich nehmen zu dürfen, um in der Kirche Gottes eigenwillige Änderungen und Anordnungen zu treffen, nicht von Jesus Christus ist, sondern auf dem Amboß der Hölle geschmiedet wurde. Diese Freiheit ist vom Satan, sie löst uns von dem Gehorsam Jesu Christi und stellt uns auf die Bahn der Ungerechtigkeit und Gesetzlosigkeit .. Möge Gott uns darum ein einfältiges Auge und ein aufrichtiges Herz schenken, dann werden wir in der Versammlung (Kirche) Gottes nicht unseren Willen tun, sondern den Willen Dessen al-lein, der das Haupt ist. Wir werden dann nichts dulden und nichts anerkennen, was Er nicht eingesetzt und angeordnet hat, was also einfach Seinem Wort nicht entspricht. Möchte doch die Heilige Schrift für die Kirche die alleinige Autorität sein, die Heilige Schrift ohne menschliche Zusätze oder Abkürzungen, ohne Abschwächung oder Vermengung."
Es bleibt noch zu erwähnen, daß auch der schottische Reformator John Knox in Genf der Schüler von Farel war.
Jean Calvin
Chronologisch gesehen ist nun Johannes Calvin zu nennen. Er wurde 1509 in Noyon geboren und wird als das Haupt der französischen Reformation angesehen. Aufgewachsen in gehobenen Verhältnissen, studierte er Theologie und wurde bereits mit 18 Jahren Pfarrer von Marteville. 1533 schließt Calvin seine Studien mit dem Doktorat ab. Seine Bekehrung kann nicht genau datiert werden, muß aber zwischen 1528 und 1534 liegen. Als er 1534 aufgefordert wird, Priester zu werden, um weiterhin den Vorteil seiner Stipendien zu genießen, verzichtet er. 1535 schreibt er eine Vorrede zur Bibelübersetzung seines Vetters Olivetan. Wegen ihrer Klarheit ist sie später oft gesondert gedruckt worden. Bei seinem ersten Abstecher 1536 nach Genf erfährt Farel von Calvins Aufenthalt in der Stadt. Die Begegnung zwischen Calvin und Farel schildert Calvin folgendermaßen: „In Genf hielt mich Wilhelm Farel zurück, nicht etwa durch Zureden und Ermahnen, sondern durch eine furchtbare Beschwörung, als ob Gott vom Himmel her gewaltsam Hand auf mich legte. Da mir der Krieg den direkten Weg nach Straßburg gesperrt hat-te, hatte ich vorgehabt, rasch durch Genf zu reisen und mich nicht länger als eine Nacht in der Stadt aufzuhalten ... Als er nun hörte, ich wollte mich stillen Privatstudien hinge-ben, und sah, daß er mit Bitten nichts aus-richtete, da ließ er sich zu der Verwünschung hinreißen, Gott möge meiner Ruhe seinen Fluch senden, wenn ich ihm in solcher Not nicht helfen wolle, da erschrak ich und gab die begonnene Reise auf."
Farel mit seinem etwas ungestümen Temperament und der gelehrte Calvin waren nun das geeignete Paar für die gewaltige Arbeit in Genf. Bald wurde das Genfer Gymnasium gegründet. Dort wurden die Sprachen Griechisch, Lateinisch und Hebräisch unterrichtet. 1539 erscheint Calvins Kommentar zum Brief an die Römer. 1539 erscheint eine seiner scharfsinnigsten Schrif-ten, das „Responsio ad Sadoletum" (Entgegnung auf Sadolet). Der humanistisch gesinnte Sadolet hatte einen Appell an die Genfer gerichtet, in den Schoß der römischen Kirche zurückzukehren. In sechs Tagen entsteht eine Antwort, in der Calvin den Begriff der „Kirche Gottes" radikal auf die Bibel zurückführt. Während Sadolet in gewohnter Bequemlichkeit „Kirche" mit der bestehenden römischen Kirche gleichsetzte, macht ihm Calvin deutlich, daß Kirche allezeit da sei, wo Christus gelehrt werde.
Calvins Teilnahme an dem reformatorischen Geschehen schlug sich in 4271 Briefen und über 2000 Predigten nieder. Er arbeitete sehr diszipliniert und war sehr hart gegen sich selbst. Im Alter von 55 Jahren stirbt Calvin 1564. Natürlich ist es in diesem Rahmen unmöglich, auf nähere Einzelheiten einzu-gehen. Deshalb wird in der Buchempfeh-lung dieses Heftes auch auf die Lebensbeschreibung Wilhelm Farels hingewiesen.
Neben den drei erwähnten Männern soll noch Theodor de Bèze (lat. Beza) erwähnt werden. Er wurde 1519 geboren und war nach Calvins Tod ein wichtiger Mann in der Weiterführung der Reformation. Er wirkte ebenfalls in Genf und erreichte das damals seltene Alter von 86 Jahren.
Die Bluthochzeit von Paris
Es ist bereits eingangs erwähnt worden, daß die Gläubigen in Frankreich ihren Glauben mit unzähligen Opfern erkämpfen und erleiden mußten. Bereits am 8. August 1523 wurde der erste Märtyrer in Paris verbrannt. Ihm sollten Tausende und aber Tausende fol-gen. Zwei Jahre später erhält der König vom Papst eine Unterstützungssumme von 1,3 Millionen Pfund mit der Auflage, die Ketzer auszurotten. Das löst eine nicht enden wollende Verfolgungswelle aus, die 1547 durch die Einrichtung der sog. „Feuerkammer" (wir würden diese Einrichtung heute Sonderministerium nennen) noch geschürt wurde. Der Einfluß der Hugenotten nahm dennoch zu, so daß die Königinmutter Katharina von Medici schließlich einen schrecklichen Plan faßte. Der zusammen mit Papst Pius V. und dem König Philipp II. von Spanien gefaßte Plan sah folgendermaßen aus: Müde von einem 10-jährigen Bürgerkrieg, schlug die Medici vor, ihre Tochter Margarethe solle Heinrich von Navarra, einen herausragenden Hugenotten, heiraten. Diese Hochzeit, die in Paris gefeiert werden sollte, sollte ein tödliches Netz für alle Großen der Huge-notten, vor allem den führenden Kopf, Admiral Coligny, werden. Damit die Mutter des Heinrich von Navarra, eine edle Frau, diesen Plan nicht vorschnell durchschaut, wird sie am 9. Juni 1572 sehr wahrscheinlich vergiftet. Tausende Hugenotten waren ihrem Führer nach Paris zu dessen Vermählung gefolgt. In der Nacht vom 23. zum 24. August 1572 ertönte plötzlich gegen Morgen eine Glocke in der Nähe des Louvre, das Zeichen für die bereitstehenden Trup-pen, die Hugenotten zu überfallen.
Die verschiedenen historischen Berichte über die Ereignisse dieser Nacht lassen eine außergewöhnliche Grausamkeit erkennen. Besondere Zielscheibe des Hasses war Coligny. Ihn fand man in seinem Haus. Völlig wehrlos wurde er ermordet, enthauptet und sein Leichnam bis zur Seine geschleift. Sein Tod sprach sich schnell herum. Für die Truppen des Herzogs von Guise, dem Anführer der mörderischen Truppen, war der Tod des Admirals wie eine Fanfare für die weiteren Grausamkeiten dieser Nacht. „Die Häuser, die Straßen hallen wider vom SchieBen und Waffengeklirr, von wildem Mord-geschrei, vom Stöhnen der Sterbenden, von den Angstrufen der Flüchtenden. Doch wohin sie sich auch wenden mögen, überall droht ihnen Verderben. Karl IX. soll vom Balkon seines Schlosses aus mit eigener Hand auf die armen Flüchtlinge geschossen haben, damit keiner überbliebe, der ihn jener grausen Untat anklagen könne. Drei Tage und drei Nächte dauerte das Wüten und Morden in Paris."
Andere Städte des Landes wie Orleans, Lyon und Toulouse folgen dem furchtbaren Beispiel. In jenen Tagen haben schätzungsweise 70.000 Hugenotten ihr Leben gelas-sen. Währenddessen triumphierte der Papst in Rom. Er ließ einen feierlichen Dankgottesdienst abhalten, die Stadt präsentierte sich in Festbeleuchtung, und eine Denkmünze wurde geschlagen mit der Aufschrift: „Die Niedermetzelung der Hugenotten".
Obwohl die Niederlage verheerend war, konnte sie dem Wirken des Geistes Gottes doch nicht im Wege stehen. Die sog. Bartholomäusnacht bedeutete das Ende dieses französischen Königshauses. König Karl IX. starb drei Jahre später, von furchtbaren Gewissensqualen gefoltert und wahnsinnig geworden.
Wohl in keiner anderen Phase der Kirchengeschichte hat sich bewiesen, daß das Blut der Märtyrer der Same der Kirche ist. Aufs härteste verfolgt, konnte auch der Schrecken des Todes sie nicht überwinden, obwohl die Verfolgungen noch zwei Jahrhunderte dauern sollten. Die letzten Hugenotten wurden 1775 von den Galeeren befreit. Von einem Einzelschicksal des 18. Jahrhunderts soll in einem der nächsten Hefte die Rede sein.
Über allem Geschehen der Vergangenheit kann man unmöglich übersehen, wie Gott durch die Treue dieser standhaften Männer und Frauen geehrt wurde
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