Bibel erklärt
Biblische Begriffe
Jeder Bibelleser kennt den Begriff „Offenbarung" oder „offenbaren" aus vielen Stellen der Heiligen Schrift sowohl Alten wie Neuen Testaments. Auch in unserem normalen Sprachgebrauch verwenden wir ihn hin und wieder im Sinne von „Offenlegen", „etwas Unbekanntes oder Verborgenes mitteilen" oder „eine geheime Mitteilung machen". Der Begriff wird verwendet, wenn ausgedrückt werden soll, daß man etwas erfährt, was man ohne besondere Mitteilung, d. h. eine „Offenbarung" nicht wissen könnte.
Wenn es unter Menschen schon so ist, daß man Geheimnisse voneinander nur durch eine solche Mitteilung erfahren kann, dann ist es in bezug auf Gott - und um die Offenbarung Gottes geht es hier - noch um so deutlicher. Wir können von Gott nur insoweit und überhaupt etwas wissen, als Er sich - oder etwas von sich und seinen Gedanken - „offenbart". Dabei bedeutet „Of-fenbarung" hier, daß etwas, das vorher schon existierte, aber verhüllt war, nun ans Licht gebracht wird.
Wir wollen an einigen Beispielen untersuchen, wann, wem und in welcher Weise Gott sich offenbart hat. Zuerst einmal hat Gott etwas in der Schöpfung von seiner Herrlichkeit allen Menschen offenbart. Er hat nämlich etwas von seiner Größe und Allmacht, ja seine Schöpferherrlichkeit sehen lassen: „Weil das von Gott Erkennbare unter ihnen offenbar ist, dann Gott hat es ihnen offenbart - denn das Unsichtbare von ihm wird geschaut, sowohl seine ewige Kraft als auch seine Göttlichkeit, die von Erschaffung der Welt an in dem Gemachten wahrgenommen [o. erkannt, mit dem Verstand ergriffen] werden (Röm 1,19ff.). Dann aber hat es Gott gefallen, sich in für uns Menschen verständlicher Sprache, nämlich durch sein Wort an uns zu richten. In seinem Wort, der Heiligen Schrift, enthüllt Er seine Gedanken und Absichten, sie ist als Ganzes ein Zeugnis Gottes, das in Ewigkeit besteht (Ps 119,89: „In Ewigkeit, HERR, steht dein Wort fest in den Himmeln"), von Gott direkt an uns gerichtet.
Die Heilige Schrift berichtet darüber hinaus von manchen Begebenheiten, wo Gott sich persönlich offenbart. Er begegnet einzelnen Menschen und teilt sich ihnen zu einem bestimmten Augenblick und in einer bestimmten Situation durch sein unmittelbares Wort mit, oder Er erscheint ihnen in der Gestalt des „Engels des HERRN", das heißt z. B., nicht durch einen Engel oder Propheten - was Er ja auch getan hat.
Im Alten Testament hat Er sich offenbart in zwei unterscheidbaren Perioden, nämlich in der Zeit der Patriarchen und in der Zeit des Gesetzes und der Propheten, im Neuen Testament in der Periode des Evangeliums und der Apostel.
In der Zeit der Patriarchen hat Gott sich offenbart, indem Er zu Adam sprach, zu Noah, zu Abraham, Isaak und Jakob, ja Er hatte sogar zu der Ägypterin Hagar gere-det, und sie hatte sagen dürfen: „Du bist ein Gott [El], der sich schauen läßt!" (1. Mo 16,13). Gott gab seine Gedanken bekannt: Adam seine gerechten Forderungen und Strafandrohung (1. Mo 2,16.17), Noah gegenüber seine Gerichtsandrohung und seinen Gnadenerweis für Noah und seine Familie (1. Mo 6,13ff.), Abraham gab Er eine Aufforderung und Verheißungen (1. Mo 12,1 u. a.), Isaak und Jakob gegenüber wiederholte Er die schon Abraham gegebenen Verheißungen (1. Mo 26,2-5; 28,13).
In der Zeit des Gesetzes hat Gott in besonderer Weise zu Mose geredet. Er sprach mit ihm „von Angesicht zu Angesicht" (2. Mo 33,11; 5. Mo 34,10) und „von Mund zu Mund, und deutlich und nicht in Rätseln, und das Bild des HERRN schaut er" (4. Mo 12,8). Er offenbarte ihm die baldige Rettung des Volkes Israel und das Gericht über den Pharao, dann die gerechten Forderungen Gottes in einem Gesetz mit den damit verbundenen Strafandrohungen, aber auch Verheißungen. Schließlich zeigt ihm Gott seine Absichten für einen Gottesdienst (Zelt der Zusammenkunft, Opfer, Feste), der - wenn auch in immer noch verhüllter Form - schon von dem Einen spricht, der „in der Fülle der Zeit" die Offenbarung Gottes selbst sein sollte.
Josua empfängt von Gott den Auftrag, das Volk ins Land zu führen, und Gott spricht zu ihm, um ihn zu ermutigen und ihm seine Hilfe zu verheißen. Gideon wird durch das Wort des Engels des HERRN ein Auftrag erteilt und Rettung für Israel aus der Hand der Midianiter verheißen. Gott spricht zu Samuel „durch das Wort des HERRN" (1. Sam 3,21), um Gericht anzu-kündigen. Die Propheten Gottes werden von Gott angesprochen, Er erscheint ihnen - manchmal in einem Gesicht - und gibt ihnen Worte auszusprechen: Aufruf zur Buße, Ankündigung von Gericht, Rettung für einen treuen Überrest und die Verhei-Bung eines herrlichen Reiches, in dem Gott selbst regieren wird.
Diese Offenbarungen Gottes sind Mitteilungen über seine Absichten und Ratschlüsse, seine Wege mit den Menschen, besonders mit seinem irdischen Volk, in denen immer etwas von Gottes Wesen sichtbar wird: Er ist gerecht und heilig, aber auch barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und groß an Güte und Wahrheit (vgl. 2. Mo 34,6.7). So hat Gott „ehemals zu den Vätern geredet in den Propheten" (Heb 1,1).
Wenn wir nun zum Neuen Testament kommen, wird es nötig sein, von zwei Weisen der Offenbarung Gottes zu reden: durch sein geschriebenes Wort und durch den, der „das Wort" ist, das „im Anfang war"
1. Wie für das Alte Testament gilt auch für das Neue, daß es selbst als Gottes Wort seine Offenbarung ist: Gott gibt seine Gedanken und Ratschlüsse bekannt, Er tut dies auch hier durch seine Apostel und Propheten (wie z. B. Petrus, Paulus, Johannes). Dabei erhalten sie zum Teil auch - wie der Apostel Paulus - ganz besondere Offenbarungen: Gott gefiel es, seinen Sohn in ihm zu offenbaren, damit er ihn unter den Nationen verkündigte (Gal 1,16; vgl. 2. Kor 12,7). Er empfing durch Offenbarung Kenntnis von den verschiedenen Geheimnissen, die Christus und die Seinen betreffen und die stets eine besondere Herrlichkeit des Herrn Jesus herausstellen, z. B. das Geheimnis des Christus und seiner Versammlung (Eph 3,3-6), „die sein Leib ist" (1,23). Diese Offenbarungen hat der Apostel unmittelbar in der Predigt und in göttlich inspirierten Schriften an uns weitergegeben, damit wir sie im Glauben annehmen.
Der Apostel Johannes empfing durch Offenbarung (gr. apokalypsis) Kenntnis von den zukünftigen Ereignissen in bezug auf die Versammlung, die gesamte „Christen-heit", Israel und die Welt. Sie ist die „Of-fenbarung Jesu Christi, die Gott ihm gab" (Offb 1,1), weil Er in seiner Herrlichkeit sichtbar werden wird, hier besonders in seiner richterlichen Herrlichkeit und der des „Königs der Könige und Herrn der Herren" (Offb 19,16).
2. In einmaliger und in ihrer Tiefe nicht zu erfassender Weise hat Gott sich selbst in der Person seines Sohnes, unseres Herrn und Heilands, offenbart; der ewige Sohn offenbart uns den Vater. „Niemand hat Gott jemals gesehen; der eingeborene Sohn, der im Schoß des Vaters ist, der hat ihn kundgemacht" (Joh 1,18). Wenn auch die Unergründlichkeit des göttlichen Wesens bestehen bleibt, „der ein unzugängliches Licht bewohnt, den keiner der Menschen gesehen hat noch sehen kann" (1. Tim 6,16; vgl. 2. Mo 33,20), so sehen wir doch auf der anderen Seite, "daß das, was das Geschöpf niemals hätte erforschen können, durch den Sohn offenbar gemacht worden ist, der Ihn allein kann-te, weil Er als der eingeborene Sohn im Schoß des Vaters ist. Das ist eine wunderbare Offenbarung! Denn sie beinhaltet nicht nur Gottes Hand in seiner Allmacht oder Gottes Weisheit und Allwis-senheit, sondern auch Gottes Herz in seiner unendlichen und ewigen Liebe als der Vater. Die im Schoß des Vaters aufgehobenen Geheimnisse sind uns ietzt offenbar gemacht, indem die Liebe des Vaters uns durch den Sohn und in Ihm kundgetan worden sind" (W.J. Hocking, Der Sohn Seiner Liebe, Neustadt/Weinstr., 1973, S.27).
Dies geschah dadurch, daß Er Mensch wurde, „das Wort wurde Fleisch" (Joh 1,14), „Er, der offenbart worden ist im Fleisch" (1. Tim 3,16), „Er wohnte unter uns ... voller Gnade und Wahrheit" Joh 1,14b). In Ihm ist der ewige Vorsatz Gottes geoffenbart worden (2. Tim 1,9.10), in Ihm ist „das Leben" offenbart worden (1. Joh 1,2), in Ihm ist „die Liebe Gottes zu uns offenbart worden" (1. Joh 4,9). Mit Anbetung in unseren Herzen dürfen wir feststellen, daß „das Ziel der göttlichen Offenbarung die volle Herrlichkeit Gottes in seinem Handeln in Gnade und in Gerechtigkeit mit dem sündigen Menschen sicherstellen" sollte (Hocking, a.a.O., S.187). Dieses Ziel der Offenbarung Gottes wird in drei Bereichen deutlich ausgedrückt in den folgenden Versen:
- In bezug auf die Glaubenden: „Und ihr wißt, daß er offenbart worden ist, damit er unsere Sünden wegnehme" (1. Joh 3,5); und noch einmal 1. Johannes 4,9: „Hierin ist die Liebe Gottes zu lo. an, in bezug auf] uns offenbart worden, daß Gott seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben möchten" (vgl. 1. Pet 1,20.21).
- In bezug auf den Feind Gottes, den Teufel: „Hierzu ist der Sohn Gottes offenbart worden, damit er die Werke des Teufels vernichte' (1. Joh 3,8).
- In bezug auf die Reinigung des gesamten Universums: „Jetzt aber ist er einmal in der Vollendung der Zeitalter offenbart worden zur Abschaffung der Sünde durch sein Opfer" (Heb 9,26).
In allem aber strahlt die Herrlichkeit Gottes in der Offenbarung seines Sohnes und durch seinen Sohn hervor. Wenn Gott offenbart - Allmacht, Heiligkeit, Gerechtigkeit, Wahrheit, Gnade und Liebe -, dann kann nur Herrlichkeit sichtbar werden.
Das ist eigentlich zu groß für unsere Her-zen, und doch ist es Gottes Wille, daß wir die Liebe erkennen, die die Erkenntnis übersteigt (Eph 3,19), wie Er sich in seinem Sohn offenbart hat. „Seine Liebe ist bis zu ihrem äußersten Maß zur Verherrlichung seines eigenen Namens und zur Freude seines eigenen Herzens geoffenbart worden" (Hokking, a.a.O., S. 191).
Wir können Gottes Offenbarung nur staunend und mit Anbetung wahrnehmen.
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