Fragen und Anworten

Frage: Warum feiern Christen nicht den Sabbat, sondern den Sonntag? Würden Sie mir das bitte mit wenigen Sätzen erklären?

G. Rudolph, Eßleben

Antwort: Gern will ich versuchen, mit einigen Sätzen zu sagen, warum wir heute nicht den Sabbat halten, sondern der Sonntag der christliche „Ruhetag" ist.

Der Sabbat ist das Symbol der Ruhe in Verbindung mit der ersten, alten Schöpfung Gottes. Unter „erste Schöpfung" verstehe ich jetzt die Erschaffung der Welt, wie sie in 1. Mose 1,1-2,3 beschrieben wird und mit dem Sabbat abschloß. Nach dem Sündenfall lesen wir dann überhaupt nichts mehr von dem Sabbat, erst wieder in 2. Mose 16, und zwar nachdem Gott das Volk Israel aus Ägypten erlöst hatte. Warum wird der Sabbat von 1. Mose 3 bis 2. Mose 15 nicht erwähnt? Weil Gott nicht erwartet, daß der Sabbat gefeiert wird, solange die Sünde zwischen Ihm und dem Menschen steht. Gott konnte nicht ruhen und auch nicht der Mensch. Nachdem Gott aber das Volk Israel aus Ägypten befreit hatte, indem das Passahlamm für sie gestorben war und sie durch das Rote Meer gezogen waren, gab Er ihnen wieder den Sabbat. In der Gesetzgebung der zehn Gebote ist der Sabbat dann ausdrücklich verankert (2. Mo 20,8-11). Die Befreiung Israels ist zwar ein Vorbild für die Befreiung des Menschen aus der Macht der Sünde durch den Tod Jesu Christi (Vorbild: Passahlamm), gehört aber noch zur ersten Schöpfung.

Der Grundsatz der ersten Schöpfung ist: Sechs Tage arbeiten und am siebten Tag ruhen. Das ist der Grundsatz allen Handelns Gottes mit dem Menschen vor dem Kommen Christi. Sehr deutlich wird die Sache in 3. Mose 18,5 auf den Punkt gebracht: „Und meine Satzungen und meine Rechte sollt ihr beobachten, durch welche der Mensch, wenn er sie tut, leben wird. Ich bin der HERR" Hier heißt es also: Zuerst Gehorsam und dann Leben. Man muß also Werke tun, um sich den Segen zu verdienen. Die Reihenfolge ist also: Werke - Segen; Arbeit - Ruhe.

Auf diesem Weg hat niemand die Rettung erfahren. Das Alte Testament ist voll von Beweisen, daß die Menschen das Gesetz nicht gehalten haben. Es gibt keine Selbsterlösung. Gott wußte das immer schon, aber Er wollte, daß der Mensch das auch verstehen würde. Deshalb hat Gott vor etwa 3500 Jahren das Gesetz gegeben, damit der Mensch erkennen würde, daß er es nicht halten konnte. Natürlich hat es Gläubige im Alten Testament gegeben - sie wurden aber nicht errettet, weil sie etwa das Gesetz gehalten hätten, sondern weil sie den Aussagen Gottes glaubten und dadurch gerechtfertigt wurden. Gott hat ihnen das Heil zugerechnet, allerdings im Hinblick auf das Werk Jesu Christi (Röm 3,25). Christus ist auch für ihre Sünden gestorben.

Dann kam der große Wendepunkt im Handeln Gottes mit dem Menschen. Gott sandte seinen Sohn. Dieser erfüllte vollkommen das Gesetz. Dieser vollkommene Mensch starb durch die Hand sündiger Menschen. Ist es nicht von allergrößter Bedeutung, daß der Sohn Gottes genau am Sabbat im Grab lag? Als die religiösen Führer des Volkes Jesus vor Pilatus verklagten, wollten sie nicht den „ungeweihten" Ort des Prätoriums (römischer Palast) des Pilatus betreten, damit sie sich nicht verunreinigten, sondern das Passah essen möchten. Außerdem standen sie im Begriff, den Sabbat zu feiern. Welch bösartige Verschlagenheit und Heuchelei.

Mit dem Tod des Sohnes Gottes trat eine völlig neue Ordnung ein. Menschen, die durch den Glauben an Jesus Christus errettet werden, werden zu einer neuen Schöpfung: „Daher, wenn jemand in Christus ist, da ist eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden" (2. Kor 5,17). Wenn heute ein Mensch zum Glauben kommt, gehört er weder Israel an noch den Heiden, sondern der Kirche Gottes. Diese Menschen werden nicht durch eigene Werke errettet, sondern allein aus Gnade.

Die neue Zeit der Gnade wurde dadurch eingeleitet, daß der Sohn Gottes, der Sieger von Golgatha, am ersten Tag einer neuen Woche auferstand. An keiner Stelle des Neuen Testaments finden wir jedoch eine Aufforderung oder nur den geringsten Hinweis, daß Christen den Sabbat feiern müßten. Er gibt auch kein Sonntagsgebot. Das würde völlig im Gegensatz zu den neuen Grundsätzen des Christentums stehen. Christen bekommen durch den Glauben an Christus neues, ewiges Leben. So haben sie teil an der „Ruhe" Gottes. Sie ruhen in dem vollbrachten Werk ihres Heilandes. Die neue Reihenfolge ist jetzt: Ruhe - Arbeit; Segen - Werke. Oft werden wir im NT zu guten Werken aufgefordert, doch niemals, um dadurch das Heil zu erlangen, sondern als Bestätigung des lebendigen Glaubens und als Mittel, Gott in einer sündigen, egoistischen Welt zu verherrlichen.

Zuerst kommt also die Ruhe und dann die sechstägige Arbeit für den Herrn. Aus der Ruhe und dem Frieden des Herzens heraus dienen wir Gott. Darum feiern wir den Sonntag als ersten Tag einer neuen Woche. Wie gesagt, gibt es jedoch kein eigentliches Ge-bot, den Sonntag zu halten in der Weise, wie die Menschen im AT den Sabbat halten sollten. Uns ist es nicht verboten, an diesem Tag zu arbeiten. Wie viele gläubige Menschen gibt es, die an diesem Tag Dienst tun: in medizinischen Berufen, auf missionarischem Gebiet usw. Jeder gläubige Christ wird dennoch versuchen, die Gottesdienste zu besuchen. Eine "gesetzliche" Handhabung des Sonntags entspricht überhaupt nicht dem wahren Charakter des Christentums.

Wer also darauf besteht, daß der Sabbat gehalten werden muß, lebt einfach 3500-2000 Jahre zu spät. Er will etwas von der alten „Haushaltung" des Gesetzes herüberretten. Das ist aber Vermischung von Gnade und Gesetz, vor der der Apostel Paulus so eindringlich im Brief an die Galater warnt. Nicht umsonst wird der Vers aus 3. Mose 18,5 in Galater 3,12 angeführt.

Wer das Christentum in die alte Form des Gesetzes hineinbringen will, macht beides kaputt. Deshalb gebraucht der Herr Jesus in Matthäus 9,14-17 zwei Vergleiche: Wer Gesetz und Gnade vermischt, setzt einen neuen Flicken (Gnade) auf ein altes Kleid (Gesetz). Das Eingesetzte reißt, und der Schaden wird größer als zuvor. Wer neuen Wein in alte Schläuche tut, verdirbt ebenfalls beides.

Die Frage, ob der Sabbat gehalten werden muß oder nicht, ist keine theologische Spitzfindigkeit, sondern es geht dabei um die wichtigen Grundsätze von Gnade und Gesetz. Christus hat uns freigekauft vom Fluch des Gesetzes und auch vom Halten des Sabbats. Wer den Sabbat hält, stellt sich prinzipiell wieder unter das Gesetz mit allen entsprechenden Folgen. Er kehrt zu dem Grundsatz der Gerechtigkeit aus Werken zurück und glaubt, durch eigenes Tun Gott wohlgefällig zu sein. Und dieser Grundsatz ist falsch, er gilt heute nicht mehr.

Abschließend noch ein Hinweis auf den Sonntag im Neuen Testament. Aus Apostelgeschichte 20,7 können wir ersehen, daß es wohl üblich war, am ersten Tag der Woche zusammenzukommen, um das Brot zu brechen, also Gottesdienst zu halten. In Offenbarung 1,10 ist die Rede davon, dals Johannes an des „Herrn Tag" im Geist war. Diese Bezeichnung weist ebenfalls hin auf den Sonntag, wo Johannes in der Verbannung mit dem Herrn beschäftigt war. Er konnte sich ja nicht mit anderen Gläubigen versammeln, weil er allein war.

Es ist ein Vorrecht für uns als Christen, an jedem ersten Tag der Woche den Wunsch des Herrn Jesus zu erfüllen, sein Gedächtnis zu feiern, an diesem Tag sein Wort zu hören und Gemeinschaft mit Gläubigen zu erfahren.