Lebensbeschreibung

Lebensbilder

Gegen Ende des 14. und Anfang des 15. Jahrhunderts gehörte es in England zum alltäglichen Anblick, dals Prediger im Freien sprachen. Man nannte solche Prediger „Lollarden"; sie waren Schüler von John Wicliff, dem „Morgenstern der Reformation". Ihre Predigten gründeten sich auf das Evangelium und waren in direktem Widerspruch zu den Irrtümern und Miß-ständen der römisch-katholischen Kirche. Immer wieder wurden sie von katholischen Priestern belästigt und angefeindet. Sie muß-ten jeden Augenblick damit rechnen, gefangengenommen und grausam hingerichtet zu werden.

Viele einfache Leute nahmen ihre Lehre an, aber sie hatten auch Anhänger aus den oberen Schichten. Einer ihrer bekanntesten Verteidiger war Sir John Oldcastle. Er lebte nach seiner Heirat in Cowling Castle und war als Lord Cobham bekannt. Cowling Castle wurde zu einem Hafen der Ruhe und Gastfreundschaft für die Lollarden-Prediger.

Lord Cobham stellte seinen Leuchter nicht unter den Scheffel, sondern bezeugte allen, mit denen er zusammentraf, freimütig seinen Glauben. Wenn die Lollarden-Prediger in seiner Nachbarschaft dem Herrn dienten, so stellte er sich in voller Rüstung mit ge-zücktem Schwert neben sie, um sie vor jedem Angriff zu schützen.

In seiner Jugend hatte Lord Cobham ein ausschweifendes, gewalttätiges Leben ge-führt. Doch durch das Lesen der Bibel und das Studium der Schriften Wicliffs war er ein anderer Mensch geworden. König Heinrich IV. schätzte ihn als seinen Freund und vertraute ihm sowohl auf dem Schlachtfeld als auch in Staatsangelegenheiten. Als Heinrich IV. starb, lernte Heinrich V. Cobham ebenfalls schätzen. Cobham wurde wegen seines scharfen Verstandes als Freund geschätzt und wegen seines Mutes als Soldat geachtet. Das einzige, was der König an seinem alten Freund nicht mochte, war seine Liebe für die Lehren Wicliffs und daß er die Lollarden-Prediger unterstützte.

Nachdem Cobham Mitglied des Parlaments geworden war, erklärte er dort öffentlich, daß es für England besser wäre, wenn die Gerichtsbarkeit des Papstes in Calais enden und sich nicht über das Meer nach England erstrecken würde. Er fertigte Abschriften von Wicliffs Schriften an und sandte sie nach Böhmen, Frankreich, Spanien, Portugal und in andere Länder.

Cobhams öffentliche Unterstützung der Lol-larden war eine Beleidigung der Autorität Roms. Erzbischof Arundel schwor, den berüchtigten Helfer der Ketzer aus dem Weg zu schaffen. Allein die enge Freundschaft zwischen dem König und Cobham verhinderte seine Verhaftung und Hinrichtung. Doch Arundel und seine Bischöfe bedrängten den König und beklagten sich fortwährend über Cobham und seine Aktivitäten. Der König hörte sich die Beschwerden über seinen Freund an und versprach, sein Möglichstes zu tun, um Cobham zu bewegen, seinem Glauben abzuschwören. Er achtete den mutigen alten Ritter sehr.

Der König ließ Cobham rufen und bemühte sich, seinen alten Freund für die Kirche zu-rückzugewinnen, aber Cobham hielt unbeweglich an seinem Glauben fest und lehnte es ab, der dringenden Bitte des Königs zu entsprechen. Bescheiden und demütig bestätigte er dem König seine Loyalität, aber er erklärte auch fest, daß Gott den höchsten Anspruch auf seinen Gehorsam hätte.

Cobham sagte, daß er aus den Schriften gelernt habe, daß der Papst ein offener Widersacher Gottes sei, der große Antichrist und der Greuel an heiliger Stätte. (Daß die Lehren der Päpste oft im Widerspruch zu Gott und seiner Wahrheit waren, steht außer Frage. Die anderen beiden Anklagepunkte waren falsche Auslegungen dieser zwei biblischen Begriffe. Sie waren ein allgemeiner Irrtum in der Zeit der Reformation.)

Der König war sehr beunruhigt durch Cob-hams unmißverständliche Sprache im Blick auf den Papst in Rom. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Er haßte „Ketzerei" und beschloß, nichts mehr mit Cobham und seinem Widerstand gegen die Ansprüche und den Glauben Roms zu tun haben zu wollen. Arundel wurde erlaubt, entsprechend den Vorschriften der römischen Kirche gegen Cobham vorzugehen.

Cobham wurde vor den Erzbischof geladen, doch ignorierte er die Vorladung. Erneut wurde eine Vorladung an das Tor von Cowling Castle angeschlagen, aber Cob-hams Freunde und Gefolgsleute rissen sie herunter. Das war dem stolzen Erzbischof zuviel. Cobham wurde exkommuniziert. Die Forderungen Roms durften nicht mißachtet werden. Cobham ignorierte auch diesen erneuten Versuch, ihn zur Unterwerfung zu zwingen. Der Erzbischof war hartnäckig, und so wurde eine nächste Vorladung ans Tor des Schlosses geheftet. Darin wurde mit den höchsten Strafen gedroht, falls Cob-ham nicht bald vor dem Erzbischof erscheinen werde. Cobham reagierte so wenig wie die anderen Male. Er ließ sich durch die Drohungen und Gefahren nicht einschüchtern.

Schließlich begann Cobham aktiv zu werden. Er schrieb eine Erklärung über seinen Glauben. Sie gründete sich auf das apostolische Glaubensbekenntnis und umriß in schriftgemäßen Ausdrücken, was er glaubte. Sein Bekenntnis war nicht in der klaren Art der späteren Reformatoren abgefaßt, aber es war einfach und geistlich. Er überreichte es dem König und bat ihn dringend, es von den frömmsten und gelehrtesten Männern seines Königreiches prüfen zu las-sen. Hochmütig lehnte es der König ab, die Erklärung überhaupt zu lesen, und übergab sie Erzbischof Arundel. Dieser solle die Sache entscheiden, sagte er Lord Cobham.

Cobham erkannte, daß er von dem König keine Hilfe zu erwarten habe. Er machte seinem Herrscher einen Vorschlag, der uns befremdet. Er bot an, einhundert Ritter gegen die gleiche Anzahl Ritter anzuführen und im Kampf zu beweisen, daß sein Glaube wirklich von Gott sei. Ein anderer Vorschlag war, daß er gegen jeden kämpfen würde, ausgenommen den König und seine Ratsherren. Er war bereit, seinen Glauben auf diese Weise zu verteidigen. Solche Angebote entsprachen der damaligen Zeit des Rittertums bei weltlichen Angelegen-heiten, sie sind jedoch völlig unpassend, um die Wahrheit des Christentums zu verteidigen. Cobhams Angebote wurden abgelehnt. Er wurde verhaftet und im Londoner Tower eingekerkert.

Nun wurde er vor Arundel und die Bischöfe von London und Winchester gebracht. Man bot ihm Absolution an, wenn er sich der Kirche Roms unterwerfen und sich schuldig bekennen würde. Seine Antwort bestand dar-in, daß er dem Erzbischof eine Abschrift seines Glaubensbekenntnisses übergab und eine Kopie für sich behielt. Eine Woche später wurde ihm erneut dieses Angebot ge-macht. Wieder lehnte er ab. Er fiel vor dem Hof auf die Knie und legte eine feierliche und bewegende Beichte vor Gott ab. Er bekannte die vielen Sünden seiner Jugend und bat den gütigen Herrn, Erbarmen mit ihm zu haben. Er erhob sich. Mit tränenüberströmtem Gesicht rief er den Leuten zu, daß die Priester ihn niemals getadelt hätten, als er Gottes Gesetze übertrat, wohl aber jetzt, weil er sich den Gesetzen der römischen Kirche nicht fügen wollte, darum würde er mit solch außergewöhnlicher Grausamkeit behandelt.

Als der Hofstaat sich nach diesem bewegenden Auftritt Cobhams wieder gefaßt hat-te, wurde Cobham über seinen Glauben be-fragt. Man verhörte ihn über seine Ansichten bezüglich des Gedächtnismahls des Herrn, der heiligen römischen Kirche, der Priester-Beichte, befragte ihn nach seiner Meinung zu dem Anspruch des Papstes, der Stellvertreter Christi zu sein, zu Wall-fahrten, Reliquien von Heiligen und Märty-rern, zur Anbetung eines Kreuzes und dem Gehorsam gegenüber der Kirche. Auf alle diese Fragen antwortete Cobham mit Zitaten aus der Schrift. In allen Antworten wies er auf den Herrn Jesus als seinen Erlöser hin. Er weigerte sich, den Forderungen des Erzbischofs nachzugeben. So wurde er als Ketzer verurteilt und dem weltlichen Gericht zur Hinrichtung durch Verbrennung übergeben.

Man behauptet, daß Arundel das Urteil mit Tränen im Gesicht verkündet habe. Wenn das stimmt, dann waren es wohl heuchlerische Tränen, ähnlich den Küssen des Judas, als er seinen Herrn im Garten Gethsemane verriet. Cobham weinte nun nicht mehr, sondern sagte mit größtem Vertrauen zu dem Volk, daß, wenn sein Körper auch schweren Leiden ausgesetzt würde, seine Seele doch keinen Schaden nehmen könne. Die Barmherzigkeit Gottes würde sich seiner annehmen. Schließlich kniete er nieder und bat den ewigen Gott um Vergebung für seine Verfolger.

Man brachte ihn in den Tower von London zurück. Seine Hinrichtung verzögerte sich jedoch um fünfzig Tage. Der Aufschub, so glaubte man, wurde wegen der Liebe und Achtung des Königs für seinen alten, vertrauten Freund gewährt. Der König hoffte, daß Cobham doch noch widerrufen würde und dadurch die Ausbreitung des Lollar-dentums verhindert würde. Cobham blieb jedoch standfest und beugte sich nicht. Der Versuch seiner Verfolger, Cobham zum Widerruf zu überreden, schlug fehl, aber es wurde überall das Gerücht verbreitet, daß er widerrufen habe. Als Cobham die Lügen hörte, die über ihn im Umlauf waren, widerlegte er sie sofort. Der Angriff der Feinde wurde abgeschlagen. Satan benutzte schon immer zwei gut bekannte Mittel: Lügen und Gewalt. Er ist der Mörder und Lügner von Anfang an, seit Beginn seines bösen Handelns mit Gottes Geschöpfen.

Auf unerklärliche Weise entkam Cobham aus dem Tower und flüchtete nach Wales. Während seiner Abwesenheit erzählten Arundel und seine Verbündeten dem Kö-nig, daß Cobham der Anführer einer Verschwörung sei, die den König stürzen wolle und viele abscheuliche Dinge verübe. An einem bestimmten Tag wären die Verschwörer um Mitternacht in Ficket Field bei London hinter St. Giles zu finden. Sofort traf der König Maßnahmen, um dieser angeblichen Bedrohung seiner Autorität zu begegnen. Er versammelte gegen Mitternacht eine Truppe bewaffneter Männer und zog dort-hin, wo die Verschwörer vermutet wurden. Er fand eine Schar unbewaffneter Männer mit Frauen und Kindern, etwa achtzig Personen.

Der König gab den Befehl zum Angriff. Ein grausames Gemetzel fand unter den Lollarden statt. Es war nämlich eine mitternächtliche Versammlung der Lollarden, die sie überfallen hatten, loyale und harmlose Bürger, die entsprechend ihrem Glauben Gottesdienst abhielten. Das wußten Arundel und seine Verbündeten. Sie versuchten, durch Lügen und Verleumdungen die Ausbreitung dieser, wie sie es nannten, „ver-derblichen Ketzerei", zu verhindern. Lügen sind tückische Waffen in Satans Krieg gegen die Wahrheit Gottes.

Nachdem Lord Cobham aus dem Tower von London entkommen war, hatte der König ein hohes Lösegeld für seine Ergrei-fung, ob tot oder lebendig, ausgesetzt. Niemand versuchte jedoch, sich die Belohnung zu verdienen. Der gute Lord Cobham war sehr geachtet und blieb für vier Jahre in Wales in Sicherheit. Doch dann verriet Lord Powis Cobham an seine Verfolger. Er hatte erfahren, wo Cobham sich verborgen hielt. Aus Haß gegen den Glauben der Lollarden oder aus Habsucht verriet er Cobhams Versteck.

Cobham ließ sich aber nicht einfach verhaf-ten. Bei dem Handgemenge während seiner Gefangennahme brach sich der tapfere alte Soldat ein Bein. Er wurde nach London gebracht und erneut im Tower eingesperrt. Nun war sein Ende nahe.

Als Reichsverräter und Anführer der Ketzer angeklagt und verurteilt, wurde Lord Cobham auf einem Gestell durch die Straßen Londons bis nach St. Giles in the Field gezogen. Dort, wo er lebendig verbrannt werden sollte, fiel Lord Cobham auf die Knie und betete um Vergebung für seine Feinde. Dann stand er auf und ermahnte die Menge um ihn her, Gottes Gebote zu befolgen, wie sie in der Schrift enthalten sind, und sich vor den Lehrern zu hüten, deren böses Leben bewies, daß sie keine Diener Christi waren.

Der Galgen wurde errichtet und der mutige alte Edelmann mit einer Kette um den Leib über dem Feuer aufgehängt. Der Märtyrer war zum Hängen und Verbrennen verurteilt worden. Cobham blieb auch in seinen qualvollen Leiden von Freude erfüllt und lobte den Namen des Herrn Jesus, solange er bei Bewußtsein war. Kurz bevor er starb, erhob er seine Stimme und befahl Gott seine Seele an. Er war treu bis in den Tod. Er wird die Krone des Lebens bekommen, die der Herr Jesus denen verheißen hat, die in dieser Weise treu sein würden.

Fragen zum Nachdenken:

  • Wenn wir in einflußreichen Kreisen gut angesehen wären, würden wir diese Stellung aufgeben, um unserem Glauben treu zu bleiben?
  • Ist unsere Liebe zur Wahrheit so stark, daß wir uns mit verachteten Leuten identifizieren können?
  • Halten uns Drohungen und Schwierigkeiten ab, für Christus zu zeugen?
  • Wieviel sind wir bereit, für Christus zu opfern?