Schuldig oder nicht?

Manchmal wird die Frage gestellt, ob man auch dann vor Gott schuldig ist, wenn man unbewusst gesündigt hat.

Manche Menschen handeln ja nach dem Motto: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß! Als oberste Beurteilungsinstanz akzeptieren sie nur das eigene Gewissen. Leider findet man solch eine oberflächliche Haltung manchmal auch unter Gläubigen.

Die entscheidende Frage ist aber, was Gott darüber sagt, wenn man unbewußt gesündigt hat.

„VON VERBORGENEN SÜNDEN REINIGE MICH" PSALM 19,12

In diesem Zusammenhang ist es sicher von Bedeutung, daß das Wort Gottes grundsätzlich davon ausgeht, daß ein Gläubiger nur versehentlich, d.h. nicht bewußt, sündigt. Und doch - müssen wir uns nicht manchmal ehrlich fragen, ob es nicht doch vorkommt, daß wir bewußt die Straßenverkehrsordnung mißachten oder die Steuergesetze bewußt unterlaufen und damit dem Wort Gottes ungehorsam sind (vgl. Röm 13,1f. 1. Pet 2,13-17)? Laßt uns auch mit diesen Sünden zum Herrn gehen und Ihn bitten, uns die Kraft zu geben, Seinem Wort kompromißlos und konsequent zu gehorchen.

Doch nun zurück zu unserer eigentlichen Frage: Bin ich vor Gott auch dann schuldig, wenn mir meine Sünde nicht bewußt ist?

Gottes Urteil

In 3. Mose 5,2-6 lesen wir von verschiedenen Fällen, wo jemand sich verunreinigt bzw. Gott gegenüber verschuldet hatte. Dabei ergibt sich aus dem Zusammenhang, daß unterschieden wird, ob jemand sich der Verunreinigung bewußt war oder nicht. Entscheidend für die Beurteilung der Schuldfrage in den Augen Gottes ist allerdings nicht das Wissen des Menschen, sondern einzig und allein die Tatsache, daß „jemand sündigt und eines von allen den Verboten des HERRN tut, die nicht getan werden sollen" (3. Mo 5,17). Wenn es dem menschlichen Auge oder Empfinden auch verborgen ist, so gilt in den Augen Gottes doch: „So ist er unrein und schuldig" (3. Mo 5,2b).

Paulus, der große Apostel der Nationen, hat zu dieser Frage wie folgt Stellung genommen: „Denn ich bin mir selbst nichts bewußt, aber dadurch bin ich nicht gerechtfertigt. Der mich aber beurteilt, ist der Herr" (1. Kor 4,4).

In diesem Zusammenhang stellt sich uns die Frage, ob dieser Zustand des Nichtwissens nun andauern muß, bis wir bei IHM, unserem Herrn, im Himmel sind. Da ist es ein großer Trost, daß wir wissen dürfen, daß Gott uns durch den Heiligen Geist und Sein Wort dahin bringen möchte, daß wir unsere Sünde einsehen und zu Ihm kommen mit der Bitte um Reinigung. In Seiner unendlichen Liebe zu uns wird ER an uns arbeiten. So lesen wir in Offenbarung 3,19: „Ich überführe und züchtige (gr. paideuo; von diesem Wort ist unser deutsches Wort „Pädagogik" abgeleitet), so viele ich liebe." Es ist immer Gottes Absicht, daß wir zu jeder Zeit unser Leben genauso beurteilen wie Er. Solange wir auf der Erde sind, werden wir damit immer Mühe haben. Aber spätestens am Richterstuhl des Christus (Röm 14,10b; 2. Kor 5,10) werden wir zu einer absolut deckungsgleichen Beurteilung kommen.

Menschliche Verantwortlichkeit

Solange einem Menschen die Sünde oder Verunreinigung noch verborgen ist, gilt er zwar in den Augen Gottes als verunreinigt und schuldig; seine Verantwortlichkeit, wegen der Verschuldung ein Opfer zu bringen, setzt allerdings erst in dem Augenblick ein, wo er sich seiner Schuld bewußt wird. „Und es soll geschehen, wenn er sich in einem von diesen verschuldet, so bekenne er, worin er gesündigt hat; und er bringe sein Schuldopfer dem HERRN für seine Sünde, die er begangen hat" (3. Mo 5,5.6a). Wir leben nun nicht mehr in der Zeit des Alten Testaments, wo ein Tieropfer dargebracht werden mußte. 1. Johannes 1,9 zeigt uns, wie wir die Sache gottgemäß in Ordnung bringen können: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit."

Fassen wir also zusammen: Verschuldung in den Augen Gottes ist unmittelbar dann gegeben, wenn Sünde oder Verunreinigung vorliegt. Die menschliche Verantwortung, ein entsprechendes Opfer zu bringen (im AT) bzw. mit einem Bekenntnis seiner Schuld zu Gott zu kommen (vgl. 1. Joh 1,9), setzt allerdings erst mit dem Bewußtwerden der Schuld ein.

Bedeutet das nun in der Praxis des täglichen Lebens, daß man ständig das Gefühl haben muß, durch irgend etwas, das einem nicht bewußt ist, vor Gott schuldig zu sein? Sicher nicht! Natürlich wird uns ein gründliches Bewußtsein von der Heiligkeit Gottes vorsichtiger machen in unserem praktischen Verhalten. Wir sind aber nicht dazu aufgerufen, uns ständig zu beobachten mit der bangen Frage, ob ich schuldig bin oder nicht. Das würde nur dazu führen, daß wir zuviel mit uns selbst beschäftigt wären. Nein, die Lösung kann nur sein, uns mehr und mehr mit der Person des Herrn Jesus zu beschäftigen, die Gemeinschaft mit IHM zu suchen, auch und gerade im täglichen Leben - am Arbeitsplatz, in der Schule, beim Studium oder wo auch immer. Je mehr unser Leben mit geistlichen Dingen ausgefüllt ist, um so weniger stehen wir in Gefahr, bewußt oder unbewußt etwas zu tun, was uns vor Gott schuldig machen könnte, und desto eher wird uns eine zunächst unbewußte Sünde vor Ihm bewußt werden.

Praktische Schlußfolgerungen

  1. Ein vertrauter Umgang mit dem Herrn und das Befolgen des Wortes Gottes werden uns vor vielen Sünden, die wir unbewußt tun könnten, bewahren. „In meinem Herzen habe ich dein Wort verwahrt, auf daß ich nicht wider dich sündige" (Ps 119, 11).
  2. Jede Sünde - egal, ob sie bewußt getan wurde oder nicht - belastet die Gemeinschaft mit dem Herrn. „Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil mit mir" (Joh 13,8b). Geduldete Sünde in meinem Leben macht Gemeinschaft mit dem Herrn solange unmöglich, bis die Sache gottgemäß geordnet ist.
  3. Wenn Sünde in meinem Leben vorgekommen ist, und die Sache ist mir nicht bewußt, dann ist es das Bemühen des Herrn, mich in das Licht des Wortes Gottes zu stellen, damit mir die Verschuldung bewußt wird. „Ich überführe und züchtige, so viele ich liebe" (Offb 3,19). Bedenken wir: Es ist die Liebe des Herrn Jesus zu uns, in der Er sich nicht damit zufriedengeben kann, daß die Gemeinschaft mit IHM belastet oder vielleicht sogar unterbrochen ist.
  4. Unmittelbar, nachdem die Sünde bewußt ist, sind wir aufgefordert, die Sache gottgemäß zu bereinigen, d.h. => bekennen (das bedeutet konkretes Nennen der Sünde) und => anerkennen (mit echten Empfindungen der Buße), daß der Herr Jesus für diese Sünde schrecklich unter dem Gericht Gottes leiden mußte.
  5. Unser aufrichtiges (d.h. kein formelhaftes) Gebet sollte täglich sein: „Von verborgenen Sünden reinige mich" (Ps 19,12) und: „Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne meine Gedanken! Und sieh, ob ein Weg der Mühsal [vgl. Fußnote der EÜ] bei mir ist, und leite mich auf ewigem Wege!" (Ps 139,23.24).