Bibel praktisch
Biblische Begriffe
Jeder wird wohl sogleich verstehen, daß dieser Begriff etwas bezeichnet, das an der ersten Stelle steht, sei es zeitlich oder auch rangmäßig. Das läßt sich ja aus dem Wortstamm „erst ..." entnehmen. Mir kommt es deshalb hier vor allem darauf an, zu untersuchen, in welchen Zusammenhängen das Wort gebraucht wird, und dann, welches sein tieferer Sinn ist.
Jeder Bibelleser weiß, daß Gott dem Volk Israel, dem Volk, das Er aus Ägypten erlöst hat, in der Wüste mitteilen läßt, daß es Ihm dienen solle. Er erhebt „Anspruch" auf Sein Volk. So sagt Er in 2. Mose 13,1: „Heilige mir alles Erstgeborene, ... an Menschen und an Vieh; es ist mein."
Dieser Begriff des Erstgeborenen wird an manchen Stellen verbunden mit dem des Erstlings (z.B. 1. Mo 49,3; 5. Mo 21,17; Ps 78,51; 105,36). Es sind zwei verschiedene, aber in ihrer Bedeutung recht nah beieinander liegende hebräische Wörter (bek-ore' mit Ableitungen und re-shiyth), von denen das erstere wohl eher die Stellung des Ältesten oder Erstgeborenen mit seinen Rechten in den Vordergrund stellt, während das zweite mehr die Seite des einfach zuerst Dagewesenen, des „Anfangs", häufig auch des „Besten", des „Erstklassigen" vorstellt. Dieses letztere der beiden hebräischen Wörter wird deshalb auch nie mit „erstgeboren" übersetzt.
Sehr deutlich wird der Unterschied der beiden Begriffe Erstgeborener und Erstling im Neuen Testament, wo „Erstgeborener" insbesondere mit der Bedeutung des „Vorrangs", den „Rechten" und damit der „Vorherrschaft" als Titel dem Herrn Jesus gegeben wird - mit verschiedenen Aspekten (s. Röm 8,29; Kol 1,15.18; Heb 1,6; Offb 1,5).
Erstling dagegen ist zunächst chronologisch zu sehen, bedeutet dann aber auch in übertragenem Sinn, daß Gott, wenn Er die Erstlinge erhalten möchte, im Herzen des Volkes an der ersten Stelle stehen wollte: Erst Er, dann sie (oder wir)! Darum kann es auch die Bedeutung haben „mit besonderem Segen bedacht" (besonders bei einigen Stellen im Neuen Testament.)
Wenden wir uns nun einigen Gelegenheiten zu, wo das Volk Israel im Dienst für den HERRN Erstlinge der Früchte bringen sollte und dies auch tat:
Schon während der Wüstenreise hatte Gott die entsprechenden Vorschriften gegeben für die Zeit nach dem Einzug in das verheißene Land (s. 2. Mo 23,16; 34,26; 5. Mo 26,2). Und sie sollten dann sprechen: „Und nun siehe, ich habe die Erstlinge der Frucht des Landes gebracht, das du, HERR, mir gegeben hast" (5. Mo 26,10). Außerdem sollten sie alljährlich bei zweien der Feste des HERRN Erstlinge bringen. Beim Fest der Erstlingsgarbe (3. Mo 23,10) sollten sie eine Garbe von den Erstlingen der Ernte zum Priester bringen, ein Bild der Auferstehung des Herrn, und bei dem Fest der Wochen fünfzig Tage später (am Tag der Pfingsten) (3. Mo 23,17) sollten sie zwei Webebrote als Erstlinge dem HERRN bringen, ein Bild von der Bildung der Versammlung.
Hiskia, der König von Juda, ließ in seinen Tagen einen Aufruf zum treuen „Dienst des Hauses Gottes und in dem Gesetz und in dem Gebot ..." (2. Chr 31,21) durch Juda ergehen, und er forderte auch die dazu auf, die im Land nach der Wegführung der zehn Stämme übriggeblieben waren. Das betraf auch die Feier der Feste des HERRN, die Er geboten hatte, und so lesen wir auch: „Und als das Wort kund wurde, brachten die Kinder Israel reichlich Erstlinge vom Getreide, Most und Ol und Honig und von allem Ertrag des Feldes" (V. 5).
Nach der Rückkehr eines Teils der Juden aus der babylonischen Gefangenschaft gab es unter der Führung Nehemias wieder einen Neuanfang: Sie „verpflichteten" sich, „die Erstlinge unseres Landes und die Erstlinge aller Früchte von allerlei Bäumen Jahr für Jahr zum Hause des HERRN zu bringen .." (Neh 10,35.36).
Schließlich wird in der prophetischen Schau des zukünftigen Tausendjährigen Reiches durch den Propheten Hesekiel noch einmal, zum letzten Mal, davon gesprochen, daß der HERR die Erstlinge für sich zu haben wünscht: „Der Erstling des Landes soll nicht an andere übergehen, denn er ist dem HERRN heilig" (Hes 48,14).
Nach den Vorschriften des Alten Bundes gehörten die so gebrachten Erstlinge den Priestern und Leviten, also denen, die abgesehen von einigen Städten kein anderes Erbteil im Land hatten und zum Dienst in und am Heiligtum bevorrechtigt waren. Gott nahm durch sie sozusagen die Gaben der Kinder Israel in Besitz; was das Volk Gott brachte, sollten die Priester genießen, und das, was sie den Priestern damit gaben, genoß der HERR als eine Gabe von seiten Seines Volkes. „Das Darbringen der Erstlinge bestand also in einer Tat der Liebe, des Gehorsams und der Dankbarkeit. Der Israelit bewies seine Liebe zu Gott im Gehorsam, indem er dem HERRN einen Teil, den ersten und besten, von all seinem Ertrag brach-te. Er erkannte damit andererseits an, daß Gott der Schöpfer ist, dem alle Dinge gehö-ren, und daß alles Gute von Ihm kommt. Und dieser freigebige Gott gibt darüber hinaus seinen Segen dem, der Ihn von seinem Vermögen ehrt: 'Ehre den HERRN von deinem Vermögen und von den Erstlingen all deines Ertrages; so werden deine Speicher sich füllen mit Überfluß ...' (Spr 3,9)" (Pierre Rossel, Pour mieux comprendre, S. 94).
Waren im Alten Testament Opfer und Erstlinge materielle Gaben, so finden wir diese Begriffe im Neuen Testament in einem über-tragenen, geistlichen Sinn wieder. Ausnahmen bilden hiervon nur die beiden genannten Personen in Römer 16,3: Epanetus, der Erstling Asiens, und in 1. Korinther 16,15: Stephanas, der Erstling von Achaja, die chronologisch gesehen die ersten in ihrer Gegend waren, die zum Glauben an den Herrn Jesus kamen. Gehen wir kurz die übrigen sechs Stellen durch, die von Erstling oder Erstlingen sprechen.
Römer 8,23: „... wir selbst, die wir die Erstlinge des Geistes haben, auch wir selbst seufzen in uns selbst ..." Es sind die Gläubigen der Jetztzeit, der Gnadenzeit, gemeint, die Versammlung (Gemeinde), die schon seit dem Pfingsttag (Apg 2) den Heiligen Geist besitzt. Demgegenüber werden die Treuen des Volkes Israel erst in den Tagen des Tausendjährigen Reiches den Heiligen Geist be-sitzen, denn - so sagt Gott in Hesekiel 36,27 - „Ich werde meinen Geist in euer Inneres geben." Dann erfüllt sich auch die Prophezeiung des Propheten Joel, die der Apostel Petrus in seiner Rede am Pfingsttag in Jerusalem (Apg 2,17-21) schon im voraus anwendet auf die Ausgießung des Heiligen Geistes auf die Gläubigen der Gnadenzeit, die Versammlung: „Und danach wird es geschehen, daß ich meinen Geist ausgießen werde über alles Fleisch; ... Und es wird geschehen, ein jeder, der den Namen des HERRN anrufen wird, wird errettet wer-den" (Joel 2,28.32). Die Versammlung (Gemeinde) Christi besitzt in dieser Hinsicht also sowohl rein zeitlich als auch in bezug auf die Tatsache, durch den Heiligen Geist zu einem Leib und damit in die innigste Beziehung zu Christus als Seinem Leib gebracht zu werden, eine deutliche Stellung als Erstling, nämlich auch „mit besonderem Segen bedacht"
- Römer 11,16 spricht sodann davon, daß, „wenn ... der Erstling heilig ist, so auch die Masse". In diesem Kapitel werden die Gnadenabsichten Gottes mit Seinem irdischen Volk Israel behandelt: Es war im Gegensatz zu der „Wurzel", Abraham, abtrünnig gewesen und mußte deshalb von Gott beiseite gesetzt werden. Aber auf Grund der dem Patriarchen Abraham gegebenen Verheißungen, er ist hier der Erstling, wird auch die „Masse", d.h. das errettete und erlöste Volk Israel, in zukünftigen Tagen "heilig" sein, es wird dann auch Gott ganz gehören.
- In 1. Korinther 15 finden wir zwei Verse, in denen der Herr lesus Christus selbst Erstling genannt wird, und zwar „Erstling der Entschlafenen", Er ist „aus den Toten auferweckt" (V. 20). Noch nie war jemand aus den Toten auferstanden ohne wieder dem Tod unterworfen zu sein - auch die Perso-nen, die im Alten Testament oder auch in Erweisung der Macht des Herrn Jesus im Neuen Testament auferweckt worden waren, sind später wieder gestorben. Der Herr Jesus ist der Erste und besitzt wie in allen Dingen auch hier den ersten Rang. Er wird die Seinen, „die des Christus sind bei seiner Ankunft"), ebenfalls aus den Toten auferwecken (V. 23). Die Toten, die unversöhnt mit Gott gestorben sind, werden erst mehr als 1000 Jahre später bei der Auferstehung der Toten, d.h. aller übrigen, auferweckt wer-den, jedoch zum Gericht (Offb 20,11ff.).
- Jakobus 1,18: „Nach seinem eigenen Willen hat er [Gott] uns durch das Wort der Wahrheit gezeugt, damit wir eine gewisse Erstlingsfrucht seiner Geschöpfe seien." Dies spricht von den Gläubigen der Gnadenzeit als einer Erstlingsfrucht seiner Geschöpfe. Warum? Weil sie durch das Wort der Wahrheit neues Leben be-sitzen, Leben aus Gott selbst. Das gibt ihnen auch die Möglichkeit und die feierliche Aufgabe, hier auf der Erde schon ein Leben der Gemeinschaft mit Gott in Übereinstimmung mit Ihm und zu seinem Wohlgefallen zu leben. Wer könnte und sollte dies in dieser Zeit und gottlosen Welt tun, wenn nicht die, die den Heiligen Geist besitzen und das neue Leben, das Leben aus Gott?
- Nach der Entrückung der Versammlung und vor dem Beginn des Tausendjährigen Reiches werden in einer schweren Zeit der Prüfung und der Leiden, in der Zeit der groBen Drangsal, einige aus dem Volk Israel treu bleiben und dem überhandnehmenden Bösen widerstehen: „Diese sind aus den Menschen erkauft worden als Erstlinge Gott und dem Lamme" (Offb 14,4). Diese Bezeichnung durch Gott selbst in Seinem Wort ist sicher ein Ehrentitel, den Gott, der die Herzen erforscht, diesen Treuen als Belohnung verleiht.
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