Post von Euch

WARUM??

„Kürzlich hörte ich in einer Predigt über Erprobungen und Nöte, daß es nicht recht sei, Gott nach dem „Warum?" zu fragen. Vielmehr solle man fragen: „Wozu?" Diese Feststellung hat mich sehr beunruhigt, weil ich schon öfters diese Fragen Gott in meinen anhaltenden Problemen gestellt habe, warum Er die Umstände nicht ändert. Ich denke jetzt, daß ich es wohl nie schaffe, ohne diese Frage zu sein, und deshalb auch kein guter Christ bin."

U.R., Schweiz

 

Liebe Schwester U.

auch ich habe diese persönliche Meinung in Auslegungen oder Predigten schon öfters gehört und deshalb vor einiger Zeit für mich einmal die Schrift untersucht, was sie zu diesem Thema sagt: "Christen dürfen niemals Warum? fragen". Ich kam zu der Frage: Ja, warum dürfen wir eigentlich nicht Warum? fragen?

Nun einige Überlegungen dazu:

  1. Kinder haben in ihrer Entwicklung oft solch eine Warum-Phase, wo sie wissen wollen, aus welchem Grund dies oder jenes passiert. Wir als Eltern versuchen dann, ihnen ihrem Verständnis entsprechend zu antworten (zugegeben, das ist oft eine Geduldsprobe!). Durch diese Fragen und deren Beantwortung weitet sich ihr kindlicher Horizont, und sie „wachsen in der Erkenntnis". Im geistlichen Bereich ist das ähnlich.
  2. Vom Inhalt her gehört zum Fragewort warum? die Frage: aus welchem Grund? und zu dem Wozu? das: mit welchem Ziel?. Beide Fragegruppen sind für unseren Alltag sehr wichtig, denn die jeweilige Beantwortung dieser Fragen bestimmt unser Handeln. Motive und Zielrichtung sind ganz wesentliche Faktoren unseres geistlichen und auch praktischen Lebens.
  3. Rein zahlenmäßig kommt warum? in der Schrift über 300 mal und wozu? rund 30 mal vor.
  4. Wie ich gleich zeigen möchte, stellten in der Bibel verschiedene Menschen Gott diese Frage. Natürlich ist die Gesinnung ausschlaggebend, in der diese Frage jeweils gestellt wird. Selbstverständlich darf ich als Geschöpf diese Frage Gott gegenüber nicht mit der Absicht einer Anklage oder Verurteilung Seiner Wege mit uns Menschen stellen. Das zeigt das Negativbeispiel in Römer 9,20.

Biblische Beispiele

  • 1. Mose 25,22: Rebekka wundert sich über die Kinder, die sich in ihrem Bauch stoßen, und fragt warum?, geht mit dieser Frage zu Gott, und Er antwortet ihr, indem Er ihr Seinen Plan erklärt (V. 23).
  • 2. Mose 5,22: Moses Frage und sogar ANKLAGE beantwortet der HERR in Kapitel 6,1!
  • 2. Mose 32,11: Mose auf dem Berg kämpft für das Volk und fragt Gott zweimal (auch in Vers 12), was das alles bedeuten soll. In Vers 14 lesen wir, daß es Gott gereut! Wir hätten Mose wohl solche Handlungsweise schnell verboten, oder ?
  • Josua 7,7: Nach der Niederlage fragt Josua Gott, warum Gott das Volk soweit hat ziehen lassen, wenn sie jetzt gegen die Feinde verlieren. Gott antwortet, indem Er die Ursache (Sünde unter dem Volk - der Diebstahl Achans) offenlegt. Da hatten Josua und das ganze Volk ihre Antwort!
  • Richter 6,13: Gideon hat Mühe mit den Problemen seines Volkes und stellt diese Frage auch Gott, warum denn dies alles so wäre. Darauf gibt Gott ihm einen klaren, persönlichen Auftrag (V. 14).
  • Johannes 12,5: Judas Iskariot versteht nicht, daß diese Frau solch eine kostbare Salbe „verschwendet" und nicht verkauft, um das Geld armen Leuten zu geben, worauf der Herr selbst eine Erklärung dazu gibt (V. 7.8).
  • Matthäus 13,10: Die Jünger fragen den Herrn, warum Er in Gleichnissen rede - und der Herr erklärt es ihnen!
  • Habakuk 1,2.3: Sehr aufschlußreich, wie angelegentlich hier der Prophet mit Gott redet - das muß man einmal aufmerksam lesen! Auch da wieder das Warum? und dann in Vers 5 die Antwort Gottes auf das Gebet des Habakuk.
  • Klagelieder 5,20: Ein Warum?, das ohne Antwort blieb, aber verbunden mit Gebet (V. 21).
  • Psalm 44,23-26: Ähnliches Problem wie eben, auch ziemlich scharf formuliert, und ebenfalls in Verbindung mit Gebet, daß doch Gott, wenn schon alles so schwer und trübe ist, doch helfen möge.
  • Jeremia 14,19ff.: Klage, Frage und Kapitel 15,1 deutliche Antwort von oben.
  • Jeremia 15,18: Warum?, die Antwort in V. 19.
  • Jeremia 20,18: Die Frage „Warum bin ich überhaupt geboren?" ist hier sehr verständlich, schließlich war gerade Jeremia der Leidensprophet und hat vieles nicht mehr verstanden, aber auch hier steht keine Antwort. Warum nicht??
  • Noch einige weitere Stellen: Ps 10,1; Jer 12,1; Jes 63,17; Ps 42,9; 43,2; 4. Mo 11,11; Rich 21,3; Joh 13,37 - Antwort Vers 38; Mk 9,28 - Antwort Vers 29; Mt 19,7 - Antwort Vers 8.

Das Beispiel des Herrn Jesus

Ein Warum? hebt sich von allen anderen völlig ab. Und das ist die Frage des Herrn Jesus am Kreuz, die Er Gott stellte: „Warum hast du mich verlassen?" (Mk 15,34; Zitat aus Ps 22,1; vgl. Ps 88,14). Welche Qual kommt in dieser Frage zum Ausdruck! Wußte Er nicht die Antwort? Wissen wir sie? Wenn ja, sollte es uns ein erneutes Mal zum Bewundern Seiner Person führen.

 

Zusammenfassung

In der Bibel fragen Menschen Gott nach den Ursachen Seines Handelns. Manchmal antwortet und erklärt Er ihnen, manchmal deckt Er verborgene Sünde auf, manchmal schweigt Er auch. Es wird immer Fragen geben, auf die wir hier auf der Erde noch keine Antwort bekommen.

Aber fast nie (außer in Römer 9?) macht Gott Menschen Vorwürfe, wenn sie Fragen stellen. Freut Er sich nicht, wenn wir in unseren Nöten mit unseren Fragen zu Ihm kommen? Nein, Gott ist kein „harter Mann", sondern gütig und gnädig!!!

Ein letztes Argument: Wenn Du den Grund oder die Ursache einer Prüfung, einer Not kennst, dann hast Du auch die Möglichkeit, Gott ganz bewußt in Seinem Handeln zu unterstützen und Ihm nicht, wie es vielleicht oft ist, durch Unverständnis „im Wege zu stehen" und das erklärte Ziel zu gefährden.

Mit herzlichem Gruß.

Dein Mitbruder Andreas Meißner

P.S.: In einer schweren Krankheit einer unserer Söhne haben wir viele solche Fragen gestellt, manche Antworten wissen wir heute. Unsere jetzige Situation streßt uns ziemlich - wir fragen Gott, was Er damit bezweckt. Einiges hat Er uns schon erklärt. Aber wir müssen auch alle damit leben, daß es manchmal keine Antworten gibt. Gott ist souverän.